Noch nicht zu Hause

Junge Spanier in Deutschland

Die Wirtschaftskrise in Spanien hat vor allem junge Leute getroffen, fast 70 Prozent wollen das Land verlassen. Einige haben diesen Schritt schon getan und arbeiten als Spezialisten in Deutschland. Zu Hause fühlen sie sich aber nicht.

Von Gabriele Voßkühler Dienstag, 03.12.2013, 8:30 Uhr|zuletzt aktualisiert: Montag, 09.12.2013, 9:37 Uhr Lesedauer: 3 Minuten  |  

Für Ana Izquierdo ist die spanische Wirtschaftskrise keine große Sache: Die 33-jährige aus Alicante arbeitet in Berlin als Spezialistin für digitale Bildbearbeitung im Film- und Fernsehbereich. Ana hatte in Spanien Arbeit und auch direkt nach ihrer Ankunft in Deutschland: „Ich bin hier nicht als Krisenflüchtling, sondern als Spezialistin begrüßt worden“.

Zuhause fühlt sich Ana in Deutschland aber auch nach zwei Jahren noch nicht: Die Post-Production-Spezialistin wird von ihren Kollegen in den Studios wegen ihrer Fähigkeiten geschätzt. Ana spricht Deutsch, dennoch fühlt sich die junge Spanierin im Alltag immer noch verloren: „Bei der Arbeit bin ich Ana die Fachfrau, beim Arzt Ana die Immigrantin.“

___STEADY_PAYWALL___

In Spanien gilt Anas Generation als der eigentliche Verlierer der Wirtschaftskrise: Fast 70 Prozent der Jungen wollen das Land verlassen, um im Ausland eine Arbeit zu finden.

„Zuhause ist das Selbstmitleid gerade groß!“, sagt Teresa Vilaplana. Die 30-jährige Pianistin ist seit zweieinhalb Jahren in Deutschland. „Als Freiberuflerin habe ich in Deutschland besonders gute Möglichkeiten mich zu organisieren.“ Deutsch hat Teresa während eines Studienaufenthaltes in Österreich gelernt. Viele Deutsche kennt sie trotzdem nicht, ihre Freunde sind hauptsächlich Spanier. Einige dieser Freunde haben Master-Abschlüsse in Jura oder Architektur aus ihrer Heimat mit nach Deutschland gebracht, arbeiten hier aber als Kindermädchen oder Kellner.

Besser geht es da schon dem 27-jährigen Luis Romero: Der Entwickler für mobile Android Anwendungen ist seit zweieinhalb Jahren in Deutschland. Luis hat Informatik und Deutsch an der Universität von Sevilla studiert, und brauchte insgesamt fünf Tage um seine erste Anstellung in Deutschland zu finden. „Ich bin ein Experte für Android, das weiß man hier in Deutschland zu schätzen, in Spanien nicht“, so Luis. Heilbronn ist die erste Deutschland-Station des jungen Informatikers: Hier entwickelt Luis als Projektleiter die Fußball-App des „Spiegel“. Auch als Luis sich entscheidet nach Berlin zu ziehen, findet er dort in einem Start-up-Unternehmen sofort Arbeit. „Meine berufliche Erfahrung in Deutschland ist phänomenal.“

Dennoch fühlt sich auch Luis hier nicht wirklich wohl. Wenn der junge Spanier Kritik übt, erhält er mitunter die Antwort: „Dann geh‘ doch nach Hause.“ Luis würde gerne mehr deutsche Freunde haben, aber es fällt ihm schwer, Freundschaften zu schließen: „Es dauert lange, bis ein Deutscher dir vertraut und sich öffnet.“

In der Rücker Unternehmensgruppe weiß man, dass es vielen jungen Spaniern schwerfällt sich in Deutschland zu integrieren. Der Entwicklungsdienstleister für die internationale Automobil- und Luftfahrtindustrie holt schon seit Jahren spanische Ingenieure nach Deutschland. Das Startpaket ist verlockend: Die jungen Spanier lernen auf Kosten des Unternehmens Deutsch und erhalten parallel bereits ihr Einkommen. Thomas Aukamm ist Geschäftsführer für Vertrieb, Marketing und Recruiting bei der Rücker Unternehmensgruppe, für ihn bleiben neben der Sprache die kulturellen Unterschiede das Haupt-Problem bei der privaten und beruflichen Integration der ausländischen Mitarbeiter: „Die Spanier sind sehr familienorientierte Menschen. Einige der neuen Mitarbeiter bekommen deshalb auch Heimweh und kehren zurück nach Spanien.“

Ana, Teresa und Luis sind noch in Deutschland – aber wie lange noch? Für die drei jungen Spanier läuft es beruflich gerade gut: Ana ist auf dem Weg zu Filmdreharbeiten in Norwegen, Teresa arbeitet an verschiedenen Konzertprojekten und Luis programmiert nach der Arbeit bereits für seinen eigenen Kundenstamm. Alle haben Arbeit, alle sprechen Deutsch, aber keiner von ihnen hat in Deutschland ein neues Zuhause gefunden. Für Teresa ist die Sache klar: „Es reicht nicht aus, dass ich Deutsch spreche und eine Arbeit habe. Integriert bin ich trotzdem nicht.“ Egal ob erfolgreich oder nicht – eines eint diese jungen Spanier: Alt werden will hier niemand. Gesellschaft Leitartikel

Zurück zur Startseite
MiGLETTER (mehr Informationen)

Verpasse nichts mehr. Bestelle jetzt den kostenlosen MiGAZIN-Newsletter:

UNTERSTÜTZE MiGAZIN! (mehr Informationen)

Wir informieren täglich über das Wichtigste zu Migration, Integration und Rassismus. Dafür wurde MiGAZIN mit dem Grimme Online Award ausgezeichnet. Unterstüzte diese Arbeit und verpasse nichts mehr: Werde jetzt Mitglied.

MiGGLIED WERDEN
Auch interessant
MiGDISKUTIEREN (Bitte die Netiquette beachten.)