Roma in Belgrad
Die besseren Bleiben haben Wände aus Stein oder Blech
Die Flüchtlingspolitik ist aufgrund der hundertfachen Todesfälle vor Lampedusa unter massive Kritik geraten. Auch die innereuropäischen Fluchtbewegungen von Roma aus Osteuropa nimmt einen zentralen Punkt ein. Belit Onay machte sich ein Bild von der Situation der Roma in Serbien.
Von Belit Onay Montag, 14.10.2013, 8:30 Uhr|zuletzt aktualisiert: Donnerstag, 11.12.2014, 11:34 Uhr Lesedauer: 10 Minuten |
Die Flüchtlingspolitik Deutschlands und der Europäischen Union ist aufgrund der hundertfachen Todesfälle vor Lampedusa erneut unter massive Kritik geraten. Auch die innereuropäischen Fluchtbewegungen insbesondere von Roma aus Osteuropa nimmt einen zentralen Punkt in der Diskussion ein. Um sich ein Bild von der Situation der Roma in Serbien zu machen, reiste der niedersächsische Landtagsabgeordnete Belit Onay vom 4. bis 8. Oktober nach Belgrad.
Landung am Samstagmorgen auf Nikola-Tesla-Flughafen in Belgrad. Gleich meine ersten Stunden sind schon von solch gegensätzlichen Eindrücken überflutet, wie es auch die nachfolgenden Tage sein werden. Nach meiner Ankunft nehmen mich zwei Organisatoren der „Internationalen Jugendbegegnung von Roma und Nicht-Roma“ in Empfang. Die niedersächsische Roma-Organisation Romane Aglonipe hatte zu diesem Zweck jugendliche Roma und Nicht-Roma aus Deutschland und Serbien zusammengebracht. Bevor es ins nördlich gelegene Beška ging, fahren wir noch in die Innenstadt von Belgrad, da wir einige weitere serbische TeilnehmerInnen abholen sollen.
Gleich hinter Prada beginnt das Elend
Belgrad ist eine wunderschöne und bunte Stadt. Schöne klassische Altbauten reihen sich an wuchtige Bauten sozialistischen Stils. Wie Mahnmale stehen noch Gebäude mit Beschädigungen von den NATO-Bombardements aus dem Kosovokrieg an verschiedenen Stellen der Stadt. Die Sonne scheint auf schöne Menschen, die die breiten Alleen mit ihren aufwendigen Schaufenstern und großen Namen von weltbekannten Marken entlang flanieren. Eine Corvette donnert an uns vorbei. An einer Ecke biegen wir ab Richtung Karaburma. Dort liegt eine der so genannten Mahalas, eine Roma-Siedlung.
Nachdem wir von der Prachtstraße abfahren sind wir wie in einer anderen Welt. Hinter einer schmalen, klapprigen Brücke geht es steil bergauf. Rechts und links sieht man Haufen aus gesammelten Plastikflaschen. Überall hängen Teppiche zum trocknen. Kleine Kinder sehen unser Auto, springen vom Müllberg herunter, rennen auf uns zu und schauen uns interessiert an. Auf Albanisch erkundigen sie sich, wer wir sind. Viele der hier lebenden Roma stammen aus dem Kosovo und sind während der Kriegswirren nach Serbien geflüchtet.
Ein paar der jungen Roma, die an der Jugendbegegnung teilnehmen werden, begrüßen uns. Die Vertreter von Romane Aglonipe haben einige Kisten mit Nahrungsmitteln und Kleidung mitgebracht. Wir laden das Mitgebrachte aus und bringen es in eine der Baracken. Im Innenhof sitzen einige Frauen, die uns herzlich begrüßen. Auch dort wäscht man gerade einen Teppich, um ihn für den Winter sauber in die Baracke zu bringen.
Mit 13 Personen fahren wir mit unserem Neunsitzer los nach Beška. Dort soll die Jugendbegegnung stattfinden. Der Ort liegt in der nord-serbischen Vojvodina, einer autonomen Provinz, die vielen verschiedenen Volksgruppen eine Heimat bietet.
Wir kommen zu unserem Tagungshotel, das direkt an der Beška-Brücke an der Donau liegt. Eine malerische Kulisse. Eine Busladung mit Studierenden aus Hannover und Hildesheim und Mitgliedern von Romane Aglonipe ist bereits in den frühen Morgenstunden angekommen und klatscht und tanzt zu den Liedern einer Roma-Musikkapelle, die sich schon einmal auf eine serbische Hochzeit am Abend einstimmt.
Nach einer Kennenlernrunde und der Besprechung des Programmablaufs geht es zum Abendessen, wo eine weitere Gruppe von Roma-Musikern die Essenden unterhält. Viele der Lieder kommen mir vertraut vor von Roma-Liedern, die ich aus der Türkei kenne. Die Musik ist beschwingt, fröhlich und hebt die Stimmung. Meinen Tischnachbarn frage ich nach den Liedtexten. Die meisten der Lieder sind in Romanes, der Sprache der Roma. Entgegen der munteren Melodie sind die Texte eher sorgenvoll und fast melancholisch. So geht es in einem Lied um einen Mann, der sein Elend besingt. Er habe alles verloren: sein Auto, sein Geld, sein Glück. Seine Frau sei schwer krank und wie solle er jetzt mit den Kindern über die Runden kommen. Und das alles zu einer Melodie, die klingt wie „Disco Partizani“. Diese skurrile Mischung ist aber sinnbildlich für die Lebensfreude und Leichtigkeit, dieses leidgeprüften Volkes. Ausland Leitartikel
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