Expertentagung
Einbürgerung, Hip-Hop und Fußball
Die Gesetze zur Einbürgerung werden von Politikern gemacht. Was würde die Jugend anders gestalten? Auf einer Tagung in Münster trafen sich jetzt junge Wissenschaftler, um ihre Forschung Rund um das Thema Staatsangehörigkeit zu diskutieren.
Von Nils Witte Dienstag, 23.07.2013, 8:26 Uhr|zuletzt aktualisiert: Donnerstag, 25.07.2013, 1:35 Uhr Lesedauer: 3 Minuten |
Mehr Einbürgerungen bedeuten mehr Demokratie. Darin ist sich die Wissenschaft einig. In Münster traf sich nun der akademische Nachwuchs, um über Einbürgerung und Anerkennungskultur zu sprechen. Eingeladen hatte die Deutsche Vereinigung für Politikwissenschaftler. 1 Das Ziel: Erkenntnisse austauschen, Wissenschaft und Praxis vernetzen. „Wir brauchen mehr Einbürgerungen“, forderte Staatssekretärin Zülfiye Kaykın, Staatssekretärin in Nordrhein-Westfalen, gleich zu Beginn der Tagung. Doch was muss dafür getan werden?
Nationale Identität und Hip-Hop
Die Zugehörigkeitsgefühle zu Deutschland stärken, meint Germanistik-Student David Chemeta. Er erkundet die nationale Identität im deutschen Hip-Hop. „Die Rapper kämpfen in ihren Texten gegen Ausgrenzung“, so Chemeta. „Sie prangern Rassismus an“, wie in dem Titel ‚Fremd im eigenen Land’. Zugleich komme es aber zu einer positiven Identität. „In ‚Das alles ist Deutschland’ von Bushido wird Deutschland neu definiert als multikulturell“, erläutert der Sprachwissenschaftler. Diese Art der Anerkennung fehle von staatlicher Seite.
Einbürgerungsfeiern
Auch Kulturwissenschaftlerin Maria Jakob von der Universität Leipzig kritisiert die fehlende Sensibilität seitens des Staates. Sie reist seit zwei Jahren durch Deutschland und besucht Einbürgerungsfeiern. „Hier von Willkommenskultur zu sprechen ist deplatziert“, so Jakob, „Menschen, die vor vielen Jahren ins Land gekommen sind, kann man allenfalls noch anerkennen. Willkommenskultur wäre an den Grenzen angebracht.“ Auf den Feiern werde zudem häufig die wirtschaftliche Leistung der Eingebürgerten überbetont. Die kulturelle Bereicherung und die emotionale Anerkennung würden darüber vergessen. Anders als Chemeta hält sie lokale statt nationaler Identitäten für aussichtsreich. Beispielhaft zitiert Jakob einen Neubürger mit den Worten: „Im Herzen bin ich also … ein getürkter Italiener oder ein eingedeutschter Ausländer. Oder so. Ganz bestimmt bin ich eins: Ein Frankfurter.“
Integration und Fußball
Eine parallele Entwicklung findet Soziologe Stefan Metzger in deutschen Kreisligen. Sein Thema: Die Selbstbeschreibung von Vereinen mit Türkeibezug in Berlin und im Ruhrgebiet. „Es gibt einen klaren Trend zu lokalen Identitäten“, so Metzger. In Wuppertal wurde aus den zwei Vereinen Türkyemspor und Fenerbahçe der Turn- und Fußballclub Wuppertal. Auch hier spiele mangelnde Anerkennung eine Rolle. „Wir sind kein türkischer Verein, wir sind ein Berliner Verein“, zitiert Metzger einen Fußballer. Türkische Vereine hätten ein negatives Image. Hinter der Umbenennung steht also auch die Hoffnung auf Anerkennung.
Einbürgerung und Doppelpass
Martin Weinmann vom Sachverständigenrat Migration (SVR) stellt die Bedeutung der doppelten Staatsbürgerschaft heraus. Seine Auswertung zeigt es eindeutig. Die Aufgabe der Staatsangehörigkeit ist der Hauptgrund gegen eine Einbürgerung. Im Hinblick auf unterschiedliche Herkunftsländer stellt er fest: „Für Nicht-EU-Bürger ist die rechtliche Ungleichbehandlung ein Problem.“ So dürfen EU-Bürger ihren alten Pass behalten. Menschen, die von außerhalb der EU einwandern, können das nicht.
2 Tage, 16 Vorträge
Insgesamt fanden gut 50 Teilnehmer aus ganz Europa den Weg nach Münster. Soziologen, Historikerinnen, und Geografen präsentierten insgesamt sechzehn Abschlussarbeiten und Promotionsprojekte. Organisator Uwe Hunger von der Universität Münster zieht eine positive Bilanz der Tagung. Es sei wichtig, dass Akademiker hin und wieder mit Vertretern aus der Praxis reden. „So verlieren wir nicht die Bodenhaftung.“ Umgekehrt zeigte sich die Verwaltung offen für die Kritik der jungen Forscher. Bernhard Santel vom Integrationsministerium Nordrhein-Westfalen 2 wollte wissen: „Angenommen wir stellen Sie ein. Was würden Sie machen?“ Sein Ministerium gehörte ebenso zu den Organisatoren wie das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge und das Essener Zentrum für Türkeistudien.
- Der vollständige Titel: „Staatsbürgerschaft, Einbürgerung und Partizipation: Brauchen wir eine neue Kultur der Anerkennung?“ (zum Programm).
- Ministerium für Arbeit, Integration und Soziales (MAIS).
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Ich finde es gut, dass solche Tagungen mit so wichtigen Themen organisiert werden!