Partiziano

Windbeutel aus der Migrantine

Warum trotz fruchtbaren Halbmondes die Bevölkerung schrumpft und was kleine Italiener und Japaner gemeinsam haben, erklären uns Conny Freoboess, Reiner Klingholz und ein Koreanisch sprechender, afrikanischer Elefantenbulle. Karamba Diaby sagt indes Waaw zu seiner politischen Karriere, während Aiolos auch Papst Franziskus vom Winde verweht.

Von Donnerstag, 11.07.2013, 8:28 Uhr|zuletzt aktualisiert: Dienstag, 19.01.2016, 9:40 Uhr Lesedauer: 8 Minuten  |  

Von wegen prosperierende Populationen: Die Weltbevölkerung schrumpft – und das sogar in Japan, wo die Menschen doch sowieso schon klein sind. Zugegeben, ich bin mit 1,68m auch nicht gerade ein Hüne, aber als Italiener muss man ja schließlich klein sein, sonst könnte Conny Froboess ja einpacken. Und was wäre das wieder für eine überflüssige Diskussion, wenn man den sowieso schon dämlichen und plakativen Text von Zwei kleine Italiener analysierte?

Am Ende nämlich käme heraus, dass a) die Italiener in Deutschland 1962 alle klein waren, b) immer zu zweit unterwegs waren, c) ausnahmslos aus Napoli kamen, d) immer Freundinnen hatten, die Tina und Marina hießen. Nicht zu vergessen:

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Zwei kleine Italiener
am Bahnhof da kennt man sie
sie kommen jeden Abend
zum D-Zug nach Napoli

Ich kann an dieser Stelle weder dementieren noch bestätigen, dass es tatsächlich ein D-Zug war, der jeden Abend nach Napoli fuhr. Sehr wohl stimmt es aber, dass Züge aus Italien kamen und eben solche auch nach Italien fuhren. Und: Darin saßen ganz bestimmt auch Italiener, beispielsweise mein Vater. Es ist gleichermaßen korrekt, dass Italiener auch an den Gleisen standen.

Das führte Anfang der 1960er Jahre am Frankfurter Hauptbahnhof gar soweit, dass deutsche Zeitungen empört darüber berichteten, wie störend sie es empfanden, laut redende und wild diskutierende Italiener sonntags an den Gleisen stehen zu sehen und riesige Umwege laufen zu müssen, um nicht in Berührung mir den Pizza- und Pasta-Männern zu kommen.

Binäre Kontakte und kulinarische Kausalitäten
Kontakt hatte man ja schließlich genug, auch in den Zügen übrigens. Das weiß ich nämlich aus persönlicher Erfahrung. Und die beginnt mit einer schweren Tasche am Gleis 11 von Milano Stazione Centrale. Ein hoffnungslos überfüllter Zug mit guten 50° C Innentemperatur und 24 Stunden Guantanamo Light. War auch angebracht, schließlich wurde man in den Abteilen und Gängen zum Kombattanten, musste man doch um jeden cm² Raum kämpfen.

Man wurde aber auch zum Kenner kulinarischer Kausalitäten. So ließen es sich die Süditaliener niemals nehmen, ein Stück herzhafter Heimat mit in dieselbige zu nehmen: Käse, Mortadella, Salami und Wein wurden immer kurz vor der Ankunft in Salerno, Napoli, Villa San Giovanni oder eben in Messina oder Palermo auf die kleinen Klapptische im Abteil gepackt und unter allen Anwesenden verteilt.

Heimat fand man in den Zügen aber auch in den Momenten, in denen die fliegenden Händler irgendwann hinter Roma Termini zustiegen, kalte Cola und Wasser zu inflationären Konditionen verkauften und dann vor dem nächsten Kontrolleur wieder verschwanden. Heimat war es deswegen, weil ich das mit dem schnellen Auftauchen und plötzlichen Verschwinden gut aus dem Frankfurter Bahnhofsviertel kannte: Guck ma‘, Kollege, hier ist Hütchen, da ist Ball und Moneta is‘ Zappzerrapp. Ayde Tschüss, Paesà, Polizia Stradale kommt. Vidimose na utro!

Promiskuität – vom Winde verweht
Bis morgen also, wenn es ein solches überhaupt noch gibt. Demographen und andere Kaffeesatzleser machen uns da keine großen Hoffnungen: Japans Babyboomer-Massengeneration steht kurz vor dem Eintritt ins Pensionärsdasein und deutsche Kommunen wehren sich dagegen, dass ihre Einwohnerzahlen nach unten korrigiert werden. Reiner Klingholz, Direktor des Berlin-Instituts für Bevölkerung und Entwicklung, zufolge, gibt es für die schrumpfende Germanenpopulation nur ein Heilmittel: Die bittere Migranten-Medizin: „Ohne Zuwanderer wird es bald recht einsam hier!“

Die Bevölkerung in Deutschland könnte bis zum Ende des Jahrhunderts auf nur noch 25 Millionen Menschen sinken. Auch der drohenden Überalterung der Gesellschaft könne man nur durch Zuzug und durch Migranten entgegenwirken.

Und da kommt wieder die Promiskuität der Migranten-Popolationen ins Spiel: Eins von drei Neugeborenen in Deutschland hat Eltern mit ausländischen Wurzeln. Die Hoffnung steigt, auch wenn der IWF die Wachstumsprognose für Deutschland halbiert.

Sinken wird auch (und wieder einmal) Italiens Bonität. Die Rating-Agentur S&P senkte Italiens Note auf „BBB“ von zuvor „BBB+“. Damit fallen italienische Schuldverschreibungen auf Ramschniveau. Aber, waren sie das denn nicht schon davor? Externe Anschuldigungen und parteinterne Schuldzuweisungen, alle samt unter der Gürtellinie. Nichts Neues also, liebe S&P.

Ebenso bekannt ist die Tatsache, dass die italienische Mafia ihr schmutziges Geld gerne sauber wäscht. Da aber in Sizilien immer schon Wasserknappheit herrschte, setzt sie jetzt auf Windparks und hält die Hände dabei doppelt auf. Denn neben der Geldwäsche kassiert die Mafia zusätzlich EU-Fördergelder.

Aber der „König des Windes“, Vito Nicastri, wurde nun von der italienischen Anti-Mafia-Behörde dingfest gemacht. Und nun warte ich auf meine Einladung zur Zeugenaussage. Nicht, dass ich Nicastri je kennengelernt hätte. Aber ich habe einen sizilianischen Windpark, einen Parco Eolico, gesehen.

Gebet an Aiolos und Franziskus
Die Eltern meines Schwagers wohnen unweit davon entfernt. Vor gut 6 Jahren war er noch nicht fertig gestellt, als mein Schwager und ich morgens gegen 9 und bei bereits 40° C Hitze dorthin joggten. Am Wegesrand und im Schatten karger Bäume kauerten die Straßenarbeiter und schauten uns verwundert nach, während wir kurz vor dem Hitzschlag die rund 10 Kilometer in Richtung riesiger Rotoren liefen.

Bauen würde den Parco Eolico eine Firma aus Deutschland, sagte mir der Vater meines Schwagers. Eine Firma aus Rostestokke. Schön, dachte ich damals noch, saubere Energie für Sizilien und das noch mit deutscher Entwicklungshilfe. Aber am Ende war der Ruf nach Revolution wieder Schall und Rauch oder besser gesagt, Rauch und Schwefel.

Bleibt noch das Gebet, gerichtet an Aiolos, den griechischen Gott des Windes, den Hobbyforscher (immer noch) auf den Äolischen Inseln nördlich von Sizilien vermuten. Die anderen Gläubigen fahren aber lieber nach Lampedusa, weil sie dort den stellvertretenden Türsteher der himmlischen Pforte sicher antreffen. Papst Franziskus besucht in Sizilien Afrikaner. Einerseits spart ihm das Zeit, weil er nicht extra nach Afrika muss, um Afrikaner zu treffen. Andererseits aber ist Lampedusa ziemlich nah am Afrikanischen Kontinent und sehr weit weg von Italien.

Wer weiß, ob Aiolos seine windigen Finger im Spiel hatte und das Boot des Heiligen Vaters genau an die Mole trieb, an der Stunden zuvor noch 166 Bootsflüchtlinge angelegt hatten. Fest steht, dass das Fischerboot, das für die Messe von Papst Franziskus kurzerhand zum Altar umfunktioniert wurde, nun massenweise Fische fangen wird bzw. muss.

Schließlich ist Franziskus ja eine Art Nachfahre von Petrus. Und Petrus war früher Simon und Fischer am See Genezareth. Zugegeben, das Mittelmeer ist ein anderes Kaliber als der See Genezareth. Aber bei einer derart doppelten himmlischen Unterstützung werden die Fische freiwillig in die Netze springen und dabei singen:

Wenn bei Capri die rote Sonne im Meer versinkt,
Und vom Himmel die bleiche Sichel des Mondes blinkt,
Ziehn die Fischer mit ihren Booten aufs Meer hinaus,
Und sie legen in weitem Bogen die Netze aus. Aktuell Meinung

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