Türkei und Erdoğan

„Da wurde viel Öl ins Feuer gegossen“

Die Medien, deutsche wie türkische, haben sich mit Ihrer Berichterstattung über die Unruhen am Taksim Platz in Istanbul und über Erdoğan nicht mit Ruhm bekleckert, sagt Journalist und Buchautor Eren Güvercin im Gespräch mit MiGAZIN. Aber auch die Türkeistämmigen in Deutschland hätten Schwarz-Weiß-Bilder vermittelt.

Montag, 24.06.2013, 8:26 Uhr|zuletzt aktualisiert: Dienstag, 09.07.2013, 12:14 Uhr Lesedauer: 12 Minuten  |  

MiGAZIN: Seit Beginn der Unruhen am Taksim Platz in Istanbul vor etwa vier Wochen, beobachten Sie als Journalist die Ereignisse mit großer Aufmerksamkeit. Über welche Quellen haben Sie sich informiert?

Eren Güvercin: Ich informiere mich über verschiedene Quellen. In erster Linie natürlich wie jeder andere über die üblichen Medien, sowohl türkischsprachige als auch deutschsprachige. Aber da die Medienberichterstattung über die Proteste eher dürftig waren, habe ich natürlich Twitter genutzt, um mich über die Entwicklungen auf dem laufenden zu halten. Ich habe auch viele Freunde in Istanbul. Das war ganz spannend mich mit ihnen auszutauschen, weil sie aus allen möglichen gesellschaftlichen Schichten und Milieus kommen, und somit die Dinge auch ganz anders sehen. Da wurden mir die verschiedenen Blickwinkeln der Menschen vor Ort noch einmal bewusst.

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Welchen Eindruck hinterlassen die Medienberichte bei Ihnen?

Güvercin: Es war ein Armutszeugnis, dass fast alle türkischen Medien in den ersten Tagen die Proteste einfach vollkommen ignoriert haben. Und zu Recht wurde dies durch westliche Beobachter kritisiert. Diese fehlende Berichterstattung hat auch dazu geführt, dass Akteure – egal ob von Regierungsseite oder Regierungsgegner – Falschinformationen in Umlauf gebracht haben. Es kursierten etwa Bilder von Verletzten mit angeblichen Kopfschüssen, aber schnell hat sich herausgestellt, dass dies Bilder von den Kämpfen in Syrien und dem Irak stammten. Oder es wurden Bilder in Umlauf gebracht, die angeblich einen Protestzug auf der Bosporusbrücke zeigten, aber in Wahrheit waren das Bilder vom Istanbuler Marathon. Leider sind ganz schnell Trittbrettfahrer in Erscheinung getreten, die gezielt die Proteste für ihre politischen Zwecke instrumentalisieren wollten und dies auch ein Stück weit geschafft haben. Da wurde viel Öl ins Feuer gegossen.

Nicht wenige Türkeistämmige kritisieren auch die hiesigen Medien.

Güvercin: Das ist ein wichtiger Punkt. Kritik an türkischen Medien, alles schön und gut. Aber unsere Medien hier in Deutschland haben sich auch nicht mit Ruhm bekleckert. Bei allem Respekt, es ist kein Anzeichen von seriösem Journalismus, wenn man mit dem Finger auf die anderen zeigt und bei denen mangelnde Berichterstattung kritisiert, aber nicht vor der eigenen Haustür kehrt. Die Medienberichterstattung hier in Deutschland war sehr tendenziös und hat bei vielen hier lebenden Türken den Eindruck vermittelt, dass die Medien einer bestimmten Agenda folgen.

In den letzten Jahren herrschte eine hohe Inflation an sogenannten Islamexperten, in den letzten Wochen hatten wir eine Explosion, was die sogenannten Türkeiexperten angeht. Und durchgehend konnte man beobachten, dass diese angeblichen Türkeiexperten eine Version der Ereignisse und deren Hintergründe vermittelt haben. Wenn wir uns diese Experten genauer anschauen, sind diese oft türkeistämmige Linke oder Kemalisten. Es ist ein offenes Geheimnis, dass ein sehr großer Teil der in Deutschland tätigen türkischstämmigen Journalisten dem linken oder kemalistischen Lager angehören. Andersdenkende Journalisten haben kaum Möglichkeiten Fuß in diesen Redaktionen zu fassen. Da dominiert die Ideologie, dementsprechend werden mögliche Redakteure und Mitarbeiter ausselektiert. Man braucht nur ihre Beiträge der letzten Jahre sich anzuschauen.

Es gibt natürlich auch in den Redaktionsstuben hier bei uns die seltsame Vorstellung, dass alles, was in der Türkei mit dem Islam zu tun hat, erst einmal negativ betrachtet wird, und im Gegensatz dazu alles Säkulare positiv gesehen wird. Das führte dazu, dass eben diese Stimmen ausschließlich zu Wort kamen. Es gibt nicht nur die Positionen Pro-Erdoğan oder Anti-Erdoğan, sondern es gibt viele Stimmen innerhalb der türkisch-muslimischen Community hier in Deutschland aber auch in der Türkei, die die Hintergründe dieser Proteste jenseits einer ideologischen Zugehörigkeit differenziert betrachten. Die deutschen Medien haben genauso wie die türkischen Medien versagt. Das muss ich ganz offen sagen.

Wie bei der „Islamdebatte“ herrscht in den deutschen Medien anlässlich der Unruhen in der Türkei eine Selektion, wenn es um „Experten“ geht, die die Entwicklungen in der Türkei analysieren sollen. Alternative Sichtweisen, die die Dinge jenseits der politischen Lager beurteilen, sind kaum bis gar nicht vorhanden. Wenn wir uns die Rhetorik und Panikmache dieser Türkeiexperten uns anschauen, unterscheiden sie sich nicht sehr von PI-Leuten oder anderen islamfeindlichen Gruppen hier in Europa. Seit 30-40 Jahren reden diese Kreise von einer Islamisierung und einer Einführung der Scharia in der Türkei, ohne auch nur annähernd erklären zu können, was eigentlich die Scharia ist. Diese Panikmacher angelehnt an Patrick Bahners gleichnamigem Buch gibt es also nicht nur hier bei uns in Deutschland, sondern die gab es schon viel vorher in der Türkei.

Der Spiegel hat heute ihre Titelstory zu den Protesten auch in türkischer Sprache gedruckt…

Güvercin: Ach ja, der Spiegel… Das wird sicher ein wichtiger Beitrag für den deutsch-türkischen Kulturaustauch werden. Der Spiegel engagiert sich ja sehr auf diesem Gebiet, exemplarisch ist da etwa der großzügige Vorabdruck von Sarrazins Werk „Deutschland schafft sich ab“ zu nennen und die zahlreichen netten Titelseiten, die sich u.a. den türkischstämmigen Mitbürgern und den Muslimen widmeten. Vielleicht bedankt sich die türkische Presse mit einem Sonderteil in deutscher Sprache, was sich mit dem NSU-Komplex beschäftigt. Der Spiegel und die deutsche Medienlandschaft kann sicher noch das eine oder andere lernen, was den Umgang mit Phänomenen eines „tiefen Staates“ angeht. Die Sonderausgabe ist schön gemacht, liefert aber die übliche einheitliche Soße, die uns von den Medien seit zwei Wochen vorgesetzt werden. Geglänzt hat der Spiegel für mich jetzt damit nicht.

Was glauben Sie ist der Grund dafür, dass zumindest Teile der Demonstranten in Deutschland kaum hinterfragt wurden?

Güvercin: Wenn sie ehrlichen Journalismus bei diesem Thema betreiben wollen, stehen sie vor einem Dilemma. Versucht man differenziert die Lage zu beurteilen, besteht die Gefahr von Erdoğan-Anhängern als Vaterlandsverräter abgestempelt zu werden, aber gleichzeitig wird man von Erdoğan-Kritikern, die schon von einer Diktatur sprechen, als ein Undercover-Journalist bezeichnet, der PR-Arbeit für Erdoğan macht. Sie können es also niemanden recht machen. Aber das ist ehrlich gesagt auch nicht mein Anliegen als Journalist. Ich pfeife darauf, ein paar Gummibärchen von irgendjemandem zu bekommen.

Ich gebe Ihnen mal ein Beispiel: Als ich einmal erwähnt habe, dass man die Besetzung eines öffentlichen Parks über mehrere Tage nicht mehr als Demonstration bezeichnen kann, und dass in jedem Land, auch bei uns in Deutschland, die Polizei früher oder später diese Aktion auflösen würde, hat man mir sofort unterstellt, die Erdoğan-Regierung zu verteidigen.

Bei allen Emotionen muss man sich aber einmal klarmachen, dass die ehrlichen Demonstranten von extremistischen Randgruppen instrumentalisiert wurden. Das Atatürk Kulturzentrum am Taksimplatz etwa war regelrecht mit riesengroßen Fahnen von Terrororganisationen tapeziert, die sogar in Europa auf den Terrorlisten gelistet sind. Stellen Sie sich einmal eine Demonstration in Berlin vor, die von RAF-Terroristen gekapert werden würde, mit RAF-Fahnen etc.? Wie würden die deutsche Polizei und das Innenministerium reagieren? Wir können es erahnen, wenn wir uns anschauen wir brutal die deutsche Polizei gegen Occupy-Demonstranten in Frankfurt erst vor wenigen Tagen vorging.

Fakt ist, das Vorgehen der türkischen Polizei ist inakzeptabel gewesen. Fakt ist aber auch, dass diese Proteste vonseiten der Demonstranten auch keine Kuschelveranstaltung war. Schwarz-Weiß-Bilder, Freund-Feind-Schematas sind vielleicht sehr einfach zu übermitteln, aber die Realität ist eine andere. Und ich erwarte von Journalisten, dass sie ihre wie auch immer aussehende ideologischen-geistigen Hintergrund mal beiseite lassen und die Komplexität der Wirklichkeit versuchen zu vermitteln.

Obama war vor einigen Tagen in Berlin und wurde jubelnd von den Menschen und vor allem von den Medien empfangen. Wie hätte man wohl Erdoğan in Berlin empfangen, wenn er mit Drohnen Ziele am anderen Ende der Welt angegriffen hätte und Menschen in einem Lager gefangen halten würde, die nie vor einem Gericht standen? Aktuell Ausland Interview

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  1. Salih sagt:

    Den Kolat habe ich übrigens nicht gewählt, ihr etwa?

  2. Marie sagt:

    „Mir ist die Lust nicht vergangen. Ein wie ich finde sehr gutes Interview, der auch keineswegs einseitig ist. Meinen großen Respekt an Herrn Güvercin. Dieses Interview ist differenzierter als 90% was ich in der letzten Zeit in den Deutschen Medien und Foren zu diesem Thema las, was einigen selbsternannten Demokraten in Deutschland so gar nicht gefällt. Sie bevorzugen eher die Maxime: Demokratisch ist etwas nur so lange, wenn es mir gefällt.“

    Da stimme ich Ihnen absolut zu, ein hervorragendes Interview, absolut ausgewogen. Ihr letzter Satz, demokratisch ist etwas nur so lange, wie es mir gefällt, bringt m.E. die Verlogenheit und den doppelten Standard der deutschen Pseudodemokraten, auch hier im Forum, ganz hervorragend auf den Punkt.

  3. Piyaus sagt:

    @ aloo masala
    Sie schreiben: „Die Apologeten der Erdogan-Regierung eint, dass sie rege Gebrauch von einem klassischen Fehlschluss machen, dem sogenannten “tu-quoque Argument”.

    Grundsätzlich kann eine neue kreative Sicht auf die Dinge neue Horizonte aufmachen und im Idealfall Handlungsoptionen aufzeigen. Falls dies Ihr Ansinnen wahr, dann ist das lobenswert. Herausgekommen ist unter Hinzunahme einer hippen Argumentationstechnik leider eine pauschale Herabsatzung der Meinung der Diskussionsgegner. Ich empfehle Ihnen einen Schritt zurückzutreten, Luft zu holen, in den Spiegel zu gucken und folgende Frage zu beantworten: „Kann es sein, dass ich der jenige bin, der sich auf seine Meinung versteift. Der die Scheuklappen aufhat. Der, der nach der Devise verfährt: „es kann nicht sein, was nicht sein darf. Wie steht’s denn eigentlich mit meiner moralischen Grundhaltung, wenn ich anderen Trugschluss, Doppelmoral und Lüge vorwerfe?

    Dann schreiben Sie: „… eine Auseinandersetzung mit einem lästigen Vorwurf dadurch abzuwürgen, in dem man die Glaubwürdigkeit und moralische Integrität des Kritikers in Frage stellt.“ Und weiter: „Nicht nur Mustafa Essmer, den die deutschen Leitmedien nerven, sondern auch Eren Güvercin und zahlreiche Foristen sind eifrig bemüht, allen möglichen Kritikern der Erdogan Regierung die moralische Berechtigung für ihre Kritik abzusprechen.“ Bzw. „Eren Güvercin, Mustafa Essmer und deren zustimmenden Leser stolpern von einem tu-quoque Argument zum nächsten und verweigern sich auf diese Weise einer sachlichen Auseinandersetzung mit einem berechtigten Kernanliegen der Protestierenden. Es ist deswegen nicht verwunderlich, dass diese Typen das zentrale Thema des Protests schlicht totschweigen.“

    Wäre es vermessen, Ihnen hier das gleiche vorzuwerfen? Dass Sie selber keine Lust oder Talent haben, sich verweigern, andere Realitäten wahrzunehmen, andere Meinungen zu akzeptieren. Dass Ihre selbstbeschwörende und selbstgerechte Denke es Ihnen nicht erlaubt, anzuerkennen, dass andere anders denken? Denken Sie einmal darüber nach!

    Wer wie Sie die Wahrheit für sich alleine beansprucht und über andere urteilt, muss ein „Diktator“ oder „Sultan“ sein. ;-)

  4. aloo masala sagt:

    @Piyaus

    Sie schreiben:

    —–
    Wäre es vermessen, Ihnen hier das gleiche vorzuwerfen? Dass Sie selber keine Lust oder Talent haben, sich verweigern, andere Realitäten wahrzunehmen, andere Meinungen zu akzeptieren.

    Welchen Realitäten verweigere ich mich Ihrer Meinung nach?

  5. Piyaus sagt:

    Die Aufstände haben ein Ausmaß erreicht, wo meiner Meinung nach ein Putchversuch sich immer deutlicher abzeichnet. Waren zu Beginn noch Umweltliebe, Freiheit, Bürgerbeteilung als Motive nachvollziehbar sowie der überharte Polizeieinsatz und das mangelnde Fingerspitzengefühl der Regierung zu verurteilen, so ist jetzt ein Zeitpunkt erreicht, in der sich ein demokratischer Rechtsstaat gegen diese Destabiliserungsversuche und mit aller Macht zur Wehr setzen muss.

    Es kann nicht sein, dass diejenigen, die Menschrechte und Freiheiten für sich einfordern, eine demokratisch gewählte Regierung auf undemokratischem Wege zum Sturz zwingen.

  6. aloo masala sagt:

    @Piyaus

    Sie schreiben (unter anderem):

    —-
    “Kann es sein, dass ich der jenige bin, der sich auf seine Meinung versteift. Der die Scheuklappen aufhat. Der, der nach der Devise verfährt: “es kann nicht sein, was nicht sein darf. Wie steht’s denn eigentlich mit meiner moralischen Grundhaltung, wenn ich anderen Trugschluss, Doppelmoral und Lüge vorwerfe?
    […]
    Wäre es vermessen, Ihnen hier das gleiche vorzuwerfen? Dass Sie selber keine Lust oder Talent haben, sich verweigern, andere Realitäten wahrzunehmen, andere Meinungen zu akzeptieren. Dass Ihre selbstbeschwörende und selbstgerechte Denke es Ihnen nicht erlaubt, anzuerkennen, dass andere anders denken? Denken Sie einmal darüber nach!

    Wer wie Sie die Wahrheit für sich alleine beansprucht und über andere urteilt, muss ein “Diktator” oder “Sultan” sein.

    Ihre Suggestivfragen und Feststellungen besitzen keinen Bezug zu meinen Argumenten, dafür jedoch einen umso stärkeren Bezug zu meiner Person. Ihr Kommentar unterliegt somit ähnlich wie Güvercins Argumentation einem klassischen Fehlschluss, dem argumentum ad hominem.

    Das Prinzip des argumentum ad hominem besteht darin, dass Ihr politischer Gegner eine Behauptung aufstellt, der Sie nicht zustimmen. Sie versuchen daraufhin Ihren politischen Gegner, also in diesem Falle mich, in Misskredit zu bringen. Der implizite Fehlschluss ist, dass die Behauptung des Gegners somit abzulehnen ist.

    Nun, selbst wenn ich der charakterlose Geselle sein sollte, den Sie hier (u.a. mit Suggestivfragen) beschreiben, haben Sie damit noch lange kein Argument meines Kommentars „Das Tu-quoque Argument“ widerlegt. Um meine Argumente zu widerlegen, müssen Sie sich mehr mit meinen Argumenten und weniger mit meiner Person beschäftigen.

  7. mo sagt:

    @Piyaus
    Mit dem „tu-quoque“-Kommentar hat aloo masala doch wirklich nur sachliche Argumente geliefert und nicht anderen das Recht auf eine andere Meinung abgesprochen oder seine eigene als allein richtige dargestellt.

  8. aloo masala sagt:

    Piyaus schreibt:


    Die Aufstände haben ein Ausmaß erreicht, wo meiner Meinung nach ein Putchversuch sich immer deutlicher abzeichnet. […] Es kann nicht sein, dass diejenigen, die Menschrechte und Freiheiten für sich einfordern, eine demokratisch gewählte Regierung auf undemokratischem Wege zum Sturz zwingen.
    —-

    Wenn es darum geht, die Proteste zu charakterisieren, dann scheinen sowohl Teile der westlichen Medien als auch deren schärfsten Kritiker wie Güvercin oder Essmer sowie deren applaudierende Anhängerschaft ihren jeweils favorisierten Hollywood Film zu drehen.

  9. Ted sagt:

    „Wenn es darum geht, die Proteste zu charakterisieren, dann scheinen sowohl Teile der westlichen Medien als auch deren schärfsten Kritiker wie Güvercin oder Essmer sowie deren applaudierende Anhängerschaft ihren jeweils favorisierten Hollywood Film zu drehen.“

    Was für ein inhaltssloser Text. Güvercin und Essmer veranstalten nicht im mindesten einen Film, sie versuchen gegen die allgemeine Propaganda anzuschreiben. Eine Show veranstalten die „Demonstranten“, nicht die, die sich wehren. Es wäre nicht das erste mal, dass Geheimdienste eine Show im Ausland veranstalten (man erforsche nur mal die tollen Auslandsaktivitäten der CIA).

    Erst wenn die Demos angemeldet und absolut gewaltfrei ablaufen (auch keine Aufrufe zum Sturz der Regierung, „wir bleiben, bis Erdogan weg ist“), kann man von „Inanspruchnahme von demokratischen Rechten“ sprechen. Vorher ist das nur primitiver Aufruhr. Wie kann man sowas nur verteidigen?

    Die Türkei wird aus dieser Show gestärkt hervorgehen. Die Anhänger Erdogans werden sich um ihren Cheffe noch enger verbunden scharen, weil Feindschaft von außen die Leute im Innern zusammenschweißt. Und Erdogan wird den Weg weiterverfolgen, der der Türkei bisher sehr gut getan hat. Die Großprojekte, wie z.B. der riesige Flughafen oder die dritte Brücke werden gebaut werden, niemand wird dies mit ein paar tausend Aufrührern kippen können. Ich verstehe ja, dass es nervt, wenn man der Türkei keine Kredite mehr verkaufen kann, die 60% Zinsen abwerfen. Aber man sollte sich langsam an die neuen Realitäten anpassen, die Türkei ist kein Underdog mehr, den man mit einer EU-Mitgliedschaft jahrzehntelang klein halten kann.

    Mir tun die vielen idealistischen jugendlichen Leute leid, die sich vor fremde Karren spannen lassen.

  10. Julia F. sagt:

    @Ted
    Die AKP-Verteidiger sind sich ganz offensichtlich um keine Ausrede verlegen. Ich weiß auch nicht mehr wie ich noch Argumente entgegen bringen könnte, da anscheinend nicht-beweisbare oder erlogene Argumente hier bei den AKP-Anhängern als zuverlässiger eingestuft werden, als das was mit den eigenen Augen sehen konnte.

    Ich glaube jeder hat die Situation soweit verstanden, dass die AKP- und Erdogananhänger genau wissen, dass ihr PM kein Demokrat ist und dass sie für den wirtschaftlichen Erfolg ihres Landes (der aktuell nicht so toll verläuft, sondern einen eher an ein Vorkrisen-Spanien erinnert) auch Verletzungen gegen Menschenrechte und der Einschränkung der Presse hinnehmen. Demokratie ist für diese Menschen auch lediglich das ankreuzen einer Partei alle 4 Jahre.

    Dass die Türkei, wenn sie in die EU will und das will Erdogan ja ganz offensichtlich, dann hat die Türkei doch eigentlich gar keine Wahl, als die Forderungen der Demonstranten zu erfüllen. Die Türkei wird nach den Beitrittverhandlungen ein komplett anderes Land sein, nämlich viel eher so wie die Demonstranten sich das vorstellen und nicht wie ein gewisser Herr Erdogan! Das müsste selbst dem letzten AKP-Anhänger einleuchten!

    Aber nun gut, ich geh mal davon aus, dass der EU-Beitritt eh nur ein Lippenbekenntnis von der AKP-Regierung ist um anderen Ländern zu signalisieren, die Türkei würde sich dem Westen annähern, in Wahrheit passiert aber gar nix! Man profitiert (finanziell und wirtschaftlich) lediglich davon ein Beitrittkandidat zu sein, alles andere (Menschenrechte und Grundrechte) sind nur lästige Themen!

    Also ich fühl mich in letzter Zeit immer öfter an diese drei Affen erinnert:
    http://static.twoday.net/guelg9/images/affen_symbol.gif

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