Doppelpass-Debatte 6/12
„In welcher Welt leben Sie?“
Politik ist langweilig und trocken? Die Bundestagsdebatte vom 5. Juni 2013 beweist das Gegenteil: Regierungs- und Oppositionspolitiker debattieren über die doppelte Staatsbürgerschaft. Das MiGAZIN dokumentiert die Reden im Wortlaut inklusive Zwischenrufe in einer 12-teiligen Serie. Heute Reinhard Grindel (CDU/CSU).
Freitag, 14.06.2013, 8:26 Uhr|zuletzt aktualisiert: Dienstag, 18.06.2013, 0:06 Uhr Lesedauer: 16 Minuten |
Reinhard Grindel (CDU/CSU)
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Frau Kollegin Künast, Sie haben bei der Rede von Staatssekretär Schröder dazwischengerufen: „Die sind doch alle integriert!“ Da kann ich nur sagen: Schön wär’s!
(Zuruf vom BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Die Bayern!)
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Die Realität sieht völlig anders aus,
(Mechthild Rawert [SPD]: Von wem reden Sie jetzt?)
und Politik beginnt mit der Betrachtung der Realität: Auch von den Kindern, die hier in Deutschland geboren sind, haben viele nicht die Sprachkompetenz, die man haben muss, um zum Beispiel in der Grundschule erfolgreich zu sein. Zu viele Schüler verlassen die Schule ohne Schulabschluss.
(Ekin Deligöz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Oh! – Weiterer Zuruf vom BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Und das wird durch den Optionszwang besser?)
Jugendliche mit Migrationshintergrund kommen weniger oft in Ausbildung, als das im Durchschnitt der Fall ist. Es gibt Parallelgesellschaften.
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP – Zuruf der Abg. Mechthild Rawert [SPD])
Darauf die Antwort zu geben: „Ihr bekommt aber die deutsche Staatsbürgerschaft“, das ist Steine statt Brot.
(Lachen bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Diese Menschen brauchen Arbeit, sie brauchen Ausbildung, sie müssen die deutsche Sprache lernen, sie brauchen Förderung für ihre Kinder; das würde helfen. Die deutsche Staatsbürgerschaft allein hilft da wenig.
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP – Zurufe von der SPD, der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Vizepräsident Eduard Oswald:
Herr Kollege Grindel, es gibt einige Zwischenfragen. Lassen Sie Zwischenfragen zu?
Reinhard Grindel (CDU/CSU):
Was ist das für eine Debattenkultur – ich sage das in Richtung einer Partei, die behauptet, es gehe ihr um Toleranz und Offenheit –, dass, wenn jemand seine Meinung vorträgt, nur noch herumgeschrien wird? Das ist doch keine Art des Umgangs miteinander!
(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Zurufe der Abg. Christine Buchholz [DIE LINKE] und Aydan Özoğuz [SPD])
Ich lasse jetzt gerne Fragen zu, wenn wir zu einer ordentlichen Debattenkultur kommen und ich dann meine Argumente so vortragen kann, wie Sie das auch konnten. Wir sollten uns zumindest gegenseitig ertragen.
(Ingo Wellenreuther [CDU/CSU]: Sehr gut!)
Vizepräsident Eduard Oswald:
Frau Kollegin Deligöz.
Lesen Sie auch die anderen Debattenbeiträge:
Renate Künast (GRÜNE)
Ole Schröder (CDU/CSU)
Thomas Oppermann (SPD)
Hartfrid Wolff (FDP)
Sevim Dağdelen (LINKE.)
Reinhard Grindel (CDU/CSU)
Daniela Kolbe (SPD)
Serkan Tören (FDP)
Memet Kılıç (GRÜNE)
Stephan Mayer (CDU/CSU)
Rüdiger Veit (SPD)
Ingo Wellenreuther (CDU/CSU)
Ekin Deligöz (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Vielen Dank für die Gelegenheit, Ihnen eine Frage zu stellen, Herr Kollege. – Nur damit ich das richtig verstehe: Stimmen Sie mir zu, dass das jetzige Optionsrecht es zulässt, dass Schülerinnen und Schüler mit Migrationshintergrund unabhängig von ihren Schulnoten die deutsche Staatsangehörigkeit behalten können, auch wenn sie nicht so ganz in das Schema der Personen passen, die Sie gerne einbürgern würden?
Reinhard Grindel (CDU/CSU):
Frau Deligöz, Sie haben mir nicht richtig zugehört.
(Ekin Deligöz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Doch!)
Es geht doch gar nicht um die Frage, ob Schülerinnen und Schüler deutsche Staatsbürger werden können.
(Ekin Deligöz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sind!)
Es geht darum, dass die Integration, die Herr Oppermann gefordert hat – Stichworte „Willkommenskultur“ und „sein Glück machen können in Deutschland“ –, nicht allein an der Staatsbürgerschaft hängt.
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP – Zuruf der Abg. Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN] – Ekin Deligöz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: In welcher Welt leben Sie?)
Eine erfolgreiche Integration hängt davon ab, dass man die deutsche Sprache spricht, dass man in der Schule Erfolg hat, dass man eine Ausbildung machen kann, dass man arbeiten kann, dass man eine Firma gründen kann. Darum geht es mir: Integration umfasst viel mehr als nur die Staatsbürgerschaft.
Aktuell Politik(Zuruf der Abg. Aydan Özoğuz [SPD] – Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das habe ich doch gesagt! – Mechthild Rawert [SPD]: Etwas anderes behauptet auch keiner! Deswegen reden wir von einer Anerkennungskultur!)
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Die Heuchlerei von Europäischer Wertegemeinschaft und der Europäisches Werteordnung. Was immer das auch ist- daher wohl auch der sich massiv verbreitende Hass in Europa gegen Deutschland. Diese ganze Heuchelei dient doch nur dazu, um andere Menschen- in diesem Falle Muslime- auszugrenzen. Widerlich!
Ich schließe mich meiner Vorrednerin an. Es geht nicht um die vergabe der Staatsbürgerschaft alleon, sondern eher darum, bestimmte Gruppen von Menschen, in diesem Falle Muslime und/oder Staatsbürger aus islamisch geprägten Ländern davon abzuhalten, Deutsche zu werden oder es zu bleiben. Dahinter steht die unbegründete Angst, dass deutsche Staatsbürger irgendwann einmal „plötzlich“ auch zu gleichen Anteilen muslimisch sein können und man seine Haltung von der „christlich-jüdischen Tradition“ in Deutschland vielleicht neu überdenken müsste. Es werden in den Debatten immer wieder seltsame Argumente angeführt, die mit der Realität nichts zu tun haben und deren Ziel es ist, Ressentiments zu schüren. Es wird verkant, dass es auch innerhalb der rein deutschen community bereits Parallelgesellschaften gibt (z.B. Hochverdiener versus Hartz IV Empfänger). Letzlich ist eine Gesellschaft auch kein statische Konstrukt, sondern ständiger Veränderung unterworfen. Diejenigen, die vor der Einreise in ihren Heimatländern einen Grundsprachkurs Deutsch (Stufe A 1) absolviert haben, verfüge nicht über umfangreiche Sprachkenntnisse. A1 beschreibt lediglich Grundkenntnisse und die Fähigkeit, in deutsch sagen zu können, wie man heißt, wo man her kommt, wie alt man ist und welche Hobbys oder welchen Beruf man hat. Das allein reicht nicht aus, um in Deutschland auf sprachlicher Ebene partizipieren zu können. Selbst wenn Personen wenig oder gar kein Deutsch sprechen, so sind sie dennoch Bestandteil des Lebens hier. Andere Sprachen und Lebensweisen sollten mehr Wertschätzung erfahren, dann gehts auch besser mit der Integration! Und letztere Begrifflichkeit ist eigentlich auch noch zu definieren. Häufig habe ich den Eindruck, dass selbst Politiker nicht wissen, was sie damit meinen, wenn sie über Integartion referieren.
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