Rezension
„Dieser Weg wird kein leichter sein…“
In seiner Autobiographie beschreibt der Profi-Fußballer Gerald Asamoah, wie es sich anfühlt , als Kind aus Ghana zum deutschen Nationalspieler zu werden - auch und trotz rassistischer Beleidigungen.
Von Marcello Buzzanca Freitag, 19.04.2013, 8:28 Uhr|zuletzt aktualisiert: Donnerstag, 25.04.2013, 8:00 Uhr Lesedauer: 7 Minuten |
Mit der Kraft der zwei Herzen – ein Werbeslogan aus der guten alten Zeit des Werbefernsehens, als Werbung noch Reklame hieß und zwischen Mainzelmännchen und Mork vom Ork lief. Ein doppeltes Herz in vielfacher Hinsicht nennt auch Gerald Asamoah sein eigen – oder besser gesagt seine eigen. Der Profifußballer ist eben nicht nur bezahlter Kicker, sondern auch Autor seiner Biographie: „Dieser Weg wird kein leichter sein….“ Mein Leben und ich. Die potenzierte Kraft, aber auch die immer wieder auftretende innerliche Zerrissenheit des Stürmers findet sich nämlich nicht nur im Titel, sondern auch im Inhalt des Buches. Und den Inhalt bildet sein bisheriges Leben bzw. eben mehrere Halbzeiten davon.
Um im Bilde des pochenden Herzens zu bleiben: Das Buch ist mit seinem Erscheinungstermin perfekt getaktet, was den anziehenden Rhythmus der Rassisten des Rasens angeht. Immer häufiger nämlich finden sich in letzter Zeit Spieler und Trainer, die keinen Hehl aus ihrer faschistischen Weltanschauung machen. Giorgos Katidis und Paolo di Canio sind dabei nur die populären Beispiele. Aber auch jenseits des Rasens und diesseits der Tribünen finden sich vermehrt Vorfälle, die Fußballstars dazu veranlassen, ihren Arbeitsplatz inmitten einer Partie zu verlassen.
Gerald Asamoah erzählt in seinem Buch auch davon: Vom blanken Entsetzen, als er damals noch als Spieler von Hannover 96 im Jahre 1997, gemeinsam mit dem ghanaisch-deutschen Fußballspieler Otto Addo vom Rostocker Publikum mit Bananen beworfen und Mit Urwald- und Affengeräuschen beleidigt und gekränkt wurde: „Die Zuschauer von Cottbus hatten beschlossen, mich und Otto Addo psychisch zu demolieren. […] Wir wurden mit Bananen beschmissen, permanent ertönten Urwaldgeräusche, dieses eklige Uhh, uhh, uhh, nachgeahmte Affengeräusche.“
Gerald Asamoah: „Dieser Weg wird kein leichter sein …“. Mein Leben und ich
Herbig Verlag
224 Seiten
Januar 2013
Er spricht von der großen Enttäuschung, die er abermals in Rostock erlebt. Kurz nach dem Sommermärchen 2006, an dem er als Spieler der deutschen Nationalmannschaft teilnimmt, wird er bei einem Pokalspiel mit seinen neuen Verein, Schalke 04, wieder mit Affengeräuschen und rassistischen Sprüchen beleidigt. Verständlich erscheint zu diesem Zeitpunkt, das Gerald Asamoah seine Entscheidung für die deutsche und gegen die Nationalmannschaft von Ghana überdenkt und gar einen Rücktritt in Erwägung zieht. Viele Fußballfans sind sicher heute noch dankbar, dass er sich letztlich doch für einen Verbleib entschied.
Fußball ist bunter leben
In „Dieser Weg wird kein leichter sein….“ Mein Leben und ich dreht sich dennoch nicht alles um Fußball, sehr wohl aber um Gerald Asamoah. Und der hat sich viel bewegt – auf dem Platz, zwischen Kontinenten und Kulturen. Er wächst in Mampong, einem Dorf in Ghana, auf. Zusammen mit seinen beiden Schwestern, wird er von seiner Großmutter erzogen, da seine Eltern bereits in Deutschland sind un versuchen, dort Fuß zu fassen. Dies gelingt ihnen auch und sie beschließen, Gerald und seine Schwestern 1990 nach Deutschland zu holen.
Dort trifft Gerald auf seinen jüngeren Bruder Lewis – und damit auch auf einige Probleme, die bisweilen groteske Züge annehmen, weil Lewis kein Twi (also Geralds ghanaische Muttersprache) und Englisch und Gerald kein Deutsch spricht: “ Und so entwickelten wir Stück für Stück unsere eigene Kommunikationsform, eine Mischung aus Engisch, Twi und Deutsch. Beispiel gefällig? Gehen wir zum Spielplatz heißt bei uns Jenko to Spielplatz. Klingt nicht sehr geschmeidig, war aber einigermaßen hilfreich. Das Kauderwelsch machte uns zu wirklichen Exoten, welche wir sowieso schon waren. Brüder, die sich nicht unterhalten können – wo gab es denn so etwas?“ In Hannover gab es so etwas – und außerdem noch viel mehr.
Mehr an Groteskem, mehr an Fremdschämen für all jene vermeintlichen Fans, die nicht nur Gerald Asamoah, sondern auch sein großes Vorbild Anthony Yeboah, beleidigten und beschimpften. Mehr aber auch an Situationen, welche die Lebensfreude und unbändige Kraft Asamoahs zeigen, aber auch beweisen, dass selbst bekannte Fußballstars an der Tür einer Disko abgewiesen werden können. Weil sie farbig sind und vom Türsteher nicht als Promis erkannt wurden. Das erfährt Asamoah ebenso wie auch Versöhnung, als er als Schalker Spieler an eine Schule in Dortmund eingeladen wird, um dort mit den Schülerinnen und Schülern über Fremdenfeindlichkeit zu sprechen. Auch hier setzt das doppelte Herz des Gerald Asamoah wieder ein: Ein Spieler von Schalke 04 in einer Dortmunder Schule.
Es sind sein Glaube an und seine Liebe für den Fußball, der ihm helfen, diese Situation zu „meistern“, d.h. am Ende der Diskussion gut 400 Autogramme zu schreiben – wie gesagt, als Schalker in Dortmund. Dieser Schulbesuch zeigt ihm und uns auf amüsante Art und Weise, dass die Begeisterung für eine Mannschaft nicht in Hass gegen eine andere umschlagen darf und muss – und schon gar nicht in rassistischen Beleidigungen gipfeln darf.
Dienstag spielt am Mittwoch
Rassisten räsonieren – gerne, oft und lautstark über alle und alles, was nicht in ihr mickriges Weltbild passt. Dazu gehört bestimmt auch, dass Asamoah mit Vornamen Gerald heißt. Wie kann er es wagen, werden die Dumpfköpfe fragen? Ein deutsche Name für einen schwarzen Mann? Das ist ja wohl die Höhe! Tatsächlich aber vermag Gerald Asamoah dieses Ressentiment mit Charme und Humor zu betrachten. Grund für seine Namensgebung, schreibt er, war die Bewunderung von Asamoahs Vater für den ehemaligen US-Präsidenten Gerald Ford. Deswegen also heißt Gerald Asamoah Gerald.
Eigentlich müsste er Kwabena Asamoah heißen, also Dienstag Asamoah, weil es in Ghana Tradition ist, die Vornamen nach dem Tag der Geburt zu vergeben: „Kaum vorstellbar, Jürgen Klinsmann oder Huub Stevens hätten mich vor einem Spiel zu sich gerufen und dann gesagt: Dienstag, du spielst am Mittwoch!“ Es gibt aber auch den Vornamen Asamoah, so dass Gerald Asamoah gut und gerne auch Asamoah Asamoah hätten heißen können. Wie gesagt, doppelte Kraft hält besser.
Die sprachlichen Verwirrungen finden sich für den Profifußballer auch in anderen Dimensionen wieder. Neben der Tatsache, dass er ohne Deutsch zu sprechen, auf eine deutsche Schule kam und sich dort ebenso wie auf dem Platz durchkämpfte, beleuchtet Asamoah noch ein anderes, interessantes Kapitel: Man spricht kein Deutsch, heißt der Abschnitt in seinem Buch, in dem er beschreibt, wie es ihm als Fußballer ergeht, als er plötzlich ausgeschlossen ist. Ausgeschlossen, weil in der Kabine von Schalke 04 fast nur noch Portugiesisch gesprochen wird.
Auch wenn ausländische Fußballer wohl eher in ihren eigenen Sphären leben und Integration für sie anders klingt als für „herkömmliche“ Migranten, betont Gerald Asamoah dennoch, dass auch für hochbezahlte Kicker gelten sollte: Die Beherrschung der Sprache eine Landes gehört zur Integration, auch deswegen, weil man doch wissen will, was im Bus, in der Kabine oder in den Nachrichten über einen gesagt wird. Andererseits geht es Fußball-Profis wie Top-Managern: Sie wissen heute nicht, wo sie morgen arbeiten werden und sehen vielleicht nicht unbedingt die Notwendigkeit, für eine überschaubare Zeit eine neue Sprache zu lernen.
Herzensangelegenheit
Ein weiteres, durchgängiges Thema in diesem Buch ist – Sie werden es erraten haben – das Herz bzw. Asamoahs Herz, und zwar das fassbare. Dieses nämlich ist krank. Gerald Asamoah bekommt die neiderschemtternde Diagnose, dass er unter einer krankhaften Verdickung des Herzmuskel leide und kein Profifußball mehr spielen dürfe. Das war 1998. Dass er 2013 immer noch aktiver Profi ist, hängt eben auch mit seinem Herzen zusammen, diesmal auch im übertragenen Sinne. Sein Kämpferherz und mutige Mediziner sind es nämlich, die ihn zu Untersuchungen in die USA und schließlich wieder in die Bundesliga bringen. Ein weiteres Resultat seines Kampfes ist neben den mittlerweile obligatorischen Defibrilatoren am Rande jedes Fußballfeldes, die Gerald-Asamoah-Stiftung für Herzkranke Kinder.
Auch im Herzen angesiedelt war die Frage, welchen Pass und welches Trikot Gerald Asamoah abgeben und welchen annehmen sollte. Letztlich entschied er sich für Deutschland – und zwar in beiden Fragen. Und wenn er sagt, dass er im Herzen eben auch noch Ghanaer sei und sich bei Besuchen in Ghana gerne ein Visum für Touristen besorgt und bei der Passkontrolle ohne Murren in die Reihe für ausländische Besucher einreiht, spürt man die trotz allen Widerständen vorhandene Leichtigkeit und den Optimismus, den Gerald Asamoah versprüht und lebt – auf dem Feld und in seinem Buch. Aktuell Rezension
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