Justiz muss Vorurteile abbauen

Keine türkische Presse im NSU Verfahren

Dass beim anstehenden NSU-Prozess die türkische Presse nicht dabei sein werden, ist unverständlich. Ein faires Akkreditierungsverfahren unter Berücksichtigung der ausländischen Presse wäre möglich gewesen.

Von Donnerstag, 28.03.2013, 8:28 Uhr|zuletzt aktualisiert: Dienstag, 03.05.2016, 17:04 Uhr Lesedauer: 2 Minuten  |  

Am 17. April beginnt in München das Verfahren gegen die Nationalsozialistische Terrorzelle NSU (Beate Zschäpe und vier mutmaßliche Unterstützer), die am Tod von 10 Menschen, darunter 8 Türken, verantwortlich sind. Sowohl die Türken in Deutschland als auch in der Türkei erhoffen sich Gerechtigkeit von der deutschen Justiz.

Doch schon jetzt gibt es große Zweifel am Verfahren. Wer am Verfahren als Journalist teilnehmen wollte, musste sich vom 5.3.-14.3. akkreditieren lassen. Dies taten Pressevertreter aus aller Welt. Der Knackpunkt: Nur die ersten 50 Anträge wurden genommen. Der Rest bleibt draußen.

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So können alle türkischen Medien, aber auch Medien wie New York Times, BBC oder die Nachrichtenagentur AP das Verfahren nicht mitverfolgen.

Dabei beruft sich die Akkreditierungsstelle des Oberlandesgerichtes München auf die alte Weisheit „Wer zuerst kommt, mahlt zuerst.“ Das hört sich natürlich im ersten Moment sehr logisch und objektiv an. Ist es aber nicht. Wer als Journalist arbeitet, weißt, dass es für jede noch so mickrige Veranstaltung Akkreditierungskriterien gibt. Nur wer diese Kriterien erfüllt wird zugelassen. Zudem gibt es immer schon im Vorhinein Plätze, die für Fachmedien etc. reserviert sind.

Daher ist es in diesem Fall völlig unverständlich, warum man von Anfang an nicht bestimmte Plätze für bestimmte Medien freigehalten hat. Man hätte z.B. 5 Plätze für die türkischen Medien reservieren können und die restlichen 45 hätte man nach dem obigen Muster verteilt.

So gingen alle türkischen Medien leer aus. Kein einziger türkischer Journalist wird an dem Verfahren teilnehmen können. Stattdessen werden lokale Zeitschriften und Radiosender mit einer sehr geringen Reichweite anwesend sein.

Mehr noch: Der türkische Botschafter in Berlin Hüseyin Avni Karslıoğlu und der Menschenrechtsbeauftragte des türkischen Parlaments hatten sich ebenfalls für eine Teilnehme beworben und wurden abgelehnt.

Umso mehr ist nun die Frust unter den Türken in Deutschland. Sie wollen das Verfahren aus erster Hand mitverfolgen, was ihr gutes Recht ist. Letztendlich geht es um eine Terrorzelle, die es vor allem auf Menschen mit türkischer Herkunft abgesehen hat.

Nur so kann Transparenz hergestellt werden. Ansonsten wird immer der Nachgeschmack einer Ungerechtigkeit zurückbleiben. Und vor allem: Die erwartete Gerechtigkeit, das Wiederherstellen des Vertrauens und der Abbau von Vorurteilen wird so nicht gelingen. Aktuell Meinung

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  1. gedanke sagt:

    Juristen können ungehobelte Kanthölzer sein…
    Dieses Landgericht scheint gerade ein Exemplar für großen Verschnitt zu sein.Gerade dieses gerichtsverfahren wird ein Indikator für das Vertrauen der Türken in die Deutsche Justiz in Deutschland sein.Leider wird gerade dieses dort in Bayern großzügig versemmelt und der Verdacht legt sich gerade zu auf etwas vertuschen zu wollen…
    Nicht nur die Türken haben eine Interese sondern auch die Nachbarn unmittelbar an den Grenzen,denn alle wollen wissen ist Deutschland wieder Nationalsozialistisch wie 12 Jahre zuvor im letzten Jahrhundert.

  2. Harald S. sagt:

    Dieses larmoyante Gejammer der türkischen Medien über ihre angebliche Diskriminierung ist schon schwer erträglich.

    Dabei wissen die doch ganz genau, dass es ein Ding der absoluten Unmöglichkeit ist, _allen_ akkreditierten weltweiten Pressevertretern einen Zugang zu den Verhandlungen zu gewähren. Es _muss_ also eine Auswahl stattfinden, und die _muss_ aus Gründen der gebotenen Neutralität unabhängig von der Nationalität sein. Und genau das ist geschehen durch die Anmeldung nach dem Prinzip ‚wer zuerst kommt mahlt zuerst‘.

    Diskriminierung wäre allerdings das, was die türkischen Medien fordern, indem sie nämlich Quoten und Sonderrechte für sich selbst beanspruchen. Denn Sonderrechte für die einen sind automatisch auch immer diskriminierende Minderrechte für alle anderen.

    Den türkischen Pressevertretern stünde es gut an, einfach mal zuzugeben, dass sie die rechtzeitige Anmeldung ihrer Teilnahme schlicht und ergreifend verpennt und somit vermasselt haben. Wer zu spät kommt, den bestraft das Leben, und das ist nun ganz gewiss keine rassistische Diskriminierung.

    BTW, sind die türkischen Migrationshintergrundmitbürger in Deutschland jetzt eigentlich Deutsche oder Türken, oder gibt es irgendeinen triftigen Grund, warum sie jetzt unbedingt türkische Medien anstatt deutscher Medien in den Verhandlungen sehen wollen?

  3. Marie sagt:

    Nicht nur türkische Medien fordern das – das fordert die gesamte Presse, das fordern Politiker, das fordern auch zahlreiche Juristen. Völlig zu recht. Schwer erträglich sind Beiträge wie Ihrer, Herr Harald S., die die Diskriminierung Nichtdeutscher, speziell die der Türken, auf herablassende Weise von oben herab in herbei-konstruierte Scheinargumente vom „Mahlen“ und ähnlichen Nonsens verkleiden und die berechtigten Interessen und Rechte Nichtdeutscher als „larmoyantes Gejammer“ verhöhnen.

    Hier geht es nicht um Quoten und um angebliche türkische Sonderrechte, hier geht es um ganz normale Rechte und um eine Kontigentierung der verfügbaren Plätze, die der in anderen, weit weniger bedeutenden Gerichtsverfahren mit berechtigtem Berichtsinteresse ausländischer Medien entspricht. Was man den Schweizern in einem weit weniger bedeutsamen Prozess zu Recht zubilligt, das steht erst recht in einem dartigen Prozess den Türken zu. Was Sie als angebliche Neutralität bezeichnen, ist Diskriminierung, was denn sonst. Erst recht, nachdem der deutsche Staat durch die bisherige ungeheuerliche Vorgehensweise bei der Vertuschung der Sachverhalte und der Verstrickung staatlicher Stellen allen Anlass zu Misstrauen gegeben hat. Das ist kein larmoyantes Gejammer, das sehen nicht nur die Türken so, das sehen auch DIE Deutschen so, die Türken und/oder Muslime NICHT als Menschen zweiter Klasse betrachten.

  4. Cengiz K sagt:

    Es _muss_ also eine Auswahl stattfinden, und die _muss_ aus Gründen der gebotenen Neutralität unabhängig von der Nationalität sein…
    Das ist doch eine Unterstellung, oder sind sie dort im OLG tätig?

  5. malenki lizard sagt:

    @Marie

    Für mich zumindest sind ALLE Menschen gleich, für Sie anscheinend nicht. Sie fordern SONDERRECHTE für manche. Oder warum haben Sie das scheinbare Fehlverhalten nicht schon früher bei anderen Prozessen bemängelt…?
    Ich habe VERTRAUEN in unseren Rechtsstaat. Ich empfinde es als großen VORZUG, das wir hier NEUTRALITÄT haben bei der Anmeldung. SIE hingegen möchten keine Neutralität, Sie möchten Quoten und Sonderrechte, wollen also, dass man andere (schlechtere?) diskriminiert. Gleichzeitig beschweren Sie sich über Rassismus. Schwer nachvollziehbar für einen Demokraten wie mich, ehrlich. Überdenken Sie Ihre Position, Fräulein Marie. Was genau wollen Sie? _GLEICH_berechtigung für alle oder _SONDER_behandlung für manche?

    Grüße und schöne Osterfeiertage
    Malenki

  6. Nofate sagt:

    @ Harald S. Sie sind – mit Verlaub – wahrscheinlich nur ein Troll. Denneoch ein Versuch: Stellen Sie sich vor, in der Türkei wären 8 Deutsche durch rechtsextreme Türken ermordert worden, die türkischen Geheimdienste wären darin verwickelt und die deutschen Medien könnten nun aufgrund der Vergabepraxis eines Gerichtes nicht aus erster Hand berichten. Würden Sie dann über Ihre Medien jammern, die es verabsäumt hätten, sich innerhalb weniger Stunden per Mail anzumelden?

    Und zur tatsächlichen Vergabepraxis werden wir hoffentlich noch etwas mehr aufgeklärt: http://www.freitag.de/autoren/gsfrb/akkreditierungsanfragen-fuer-nsu-prozess

  7. Nofate sagt:

    @ Malenki
    Wenn im gesamten Ausland eine Welle der Empörung anschwillt, dann ficht Sie das nicht an, die beamtendeutsche und unsensible Akkreditierung durch das Müncher Gericht weiterhin zu unterstützen?

    „Ich bin im Recht!“, schrie die Maus, als sie über den Zebrastreifen ging und vom Auto überfahren wurde …

    Sicher hätte man vorher Kontingente festlegen können ohne, dass es deswegen ungerecht zugegangen wäre oder jemandem ein Sonderrecht zugestanden hätte. So haben die deutschen Medien und Pressevertreter offenbar ein Sonderrecht gehabt, denn sie kennen die deutsche Kleinlichkeit am besten.

    Und bitte hören Sie auf herumzuschreien – das bedeutet fortlaufende Großschreibung nämlich, falls Sie es nicht wissen.

  8. Marie sagt:

    Für Sie sind ganz offensichtlich nicht alle Menschen gleich, sonst würden Sie es nicht in Ordnung finden, dass man türkische Medien ausschließt. Dass man ausländischen Medien, hier speziell türkischen Medien, Plätze reserviert in Kontingenten ist bei derartigen Verfahren gängige Praxis und das, was hier passiert, ist nicht normal. Wenn Sie von früheren Prozessen sprechen, dann nennen Sie mir mal einen vergleichbaren Prozess in einem zivilisierten Rechtsstaat, in dem die Medien des Herkunftslandes der Opfer aus derartig konstruierten formalen Gründen, nach dem Prinzip, wer (angeblich) zuerst kommt, mahlt zuerst, ausgeschlossen wurden. Ich kenne keinen – aus ihren Worten spricht Rassismus und sie drehen die Fakten um – hier werden nämlich Türken diskriminiert. Wenn die Opfer beispielsweise Juden oder Schweizer wären, wäre eine solche Vorgehensweise schlicht undenkbar. Aber es sind ja „nur“ Türken.

    Ein solches Fehlverhalten musste bei früheren Prozessen nicht „bemängelt“ werden, weil es ein derartiges Fehlverhalten bei vergleichbaren Prozessen bisher nicht gab. Diesen Umstand nehmen sie nicht zur Kenntnis, weil Sie hinter unzutreffenden Scheinargumenten, die keiner sachlichen Überprüfung standhalten, ihre Ressentiments gegenüber Türken verstecken.

    Völlig absurd und vom typisch deutschen Untertanengeist/Strammstehgeist geprägt ist schließlich die Frage, ob ich am OLG tätig sei. In einem Rechtsstaat dürfen auch diejenigen den Ausschluss türkischer Medien kritisieren, die den Ausschluss nicht zu verantworten haben und nicht am OLG tätig sind. Und es ist geradezu hanebüchener Unsinn, davon auszugehen, nur das OLG dürfe sich selbst kritisieren.

    Das Gericht hat willkürlich eine für ein Verfahren dieser Art unakzeptable Vergabepraxis gewählt, das Gericht offenbart m. E. damit den institutionellen Rassismus, der bereits bei der Nichtaufklärung der Morde über viele Jahre zu beobachten war, als ausschließlich in Richtung organisierte türkische Kriminalität „ermittelt“ wurde und der naheliegende rassistische Hintergrund ausgeschlossen wurde. Man hat jede Ermittlung in diese Richtung vorsätzlich unterlassen und dabei das Rechtsstaatsprinzip der zwingenden Ermittlungen in alle Richtungen mit Füssen getreten. Die „Wer-zuerst-kommt-mahlt-zuerst“-Vergabepraxis des OLG, die den Gegebenheiten des Verfahrens in keiner Weise Rechnung trägt und auf denselben institutionellen Rassismus zumindest hindeutet, sollte m.E. Anlass sein, zu prüfen, ob diesem Gericht das Verfahren wegen der begründeten Besorgnis der Befangenheit zu entziehen ist.

  9. Marie sagt:

    Übrigens überträgt das Bundesverfassungsgericht als oberste deutsche Rechtsinstanz schon seit Jahrzehnten den Ton seiner Verhandlungen in einen separaten Arbeitsraum für Journalisten. Das OLG München behauptet, eine solche Vorgehensweise sei nach deutschem Recht angeblich nicht zulässig. Spätestens bei dieser unzutreffenden Behauptung wird m.E. mehr als deutlich, worum es den Richtern in München tatsächlich geht. Türkische Medien müssen draußen bleiben, weil das Türken und keine Schweizer oder Deutschen sind.

    Zu diesem Zweck ist der bayerischen Justiz jedes Mittel recht. Medienkontingente schafft die deutsche Justiz für Schweizer Medien im Falle Kachelmann, türkische Medien müssen bei rassistischen Mordserien mit türkischen Opfern draußen bleiben. Übertragungen in separate Arbeitsräume für Journalisten sind dann „rechtlich“ unzulässig, wenn es sich bei den Journalisten und bei den Opfern um Türken handelt. In allen anderen Fällen ist das rechtlich zulässig – das Bundesverfassungsgericht wird es wohl wissen.

  10. Marie sagt:

    Danke für den Link, Nofate – dass es innerhalb des Windhundverfahrens wohl auch zu Verschiebungen gekommen ist, bei dem überaus ehrenwerten Gericht, überrascht mich nicht, dass war zu vermuten. Weshalb sonst hätte das OLG die Zeitpunkte der angeblichen Anmeldungen verheimlichen sollen? Sie rücken ja auch jetzt immer noch nicht mit der ganzen Wahrheit, äh der ganzen Liste der Zeitpunkte der Anmeldungen raus und wer nichts rausrückt, der hat etwas zu verbergen, so ist das eben.im Allgemeinen.

    Abgesehen davon war dieses OLG-Spezial-Windhund-Verfahren ersichtlich darauf angelegt, ausländische Medien zu benachteiligen und fern zu halten – sehr erfolgreich, wie man sieht. Und damit das auch weiterhin klappt, verweigert man die Übertragung in einen Arbeitsraum für Journalisten. Und behauptet gar, es sei auch nicht möglich, Plätze zu tauschen, indem deutsche Medien ihren Platz zur Verfügung stellen und ein türkischer Journalist ihn verbindlich erhält. Auch der türkische Botschafter soll draußen bleiben. Da geht es nur um eines – das Ausland und ganz speziell die Türken sollen draußen bleiben. Nach dem handfesten Verfassungsschutzskandal haben wir nun einen handfesten Justizskandal und die Geheimhaltungsversuche gehen munter weiter. In dieses Gericht kann niemand, der klar bei Sinnen ist, auch nur das mindeste Vertrauen haben.