Theatertipp zum Wochenende

Das Grips Theater nutzt seine „Kebab Connection“

„Dein Kind wird niemals Baba sagen. Du wirst ein Papi bloß sein.“ In Kebab Connection werden nicht nur Klischees über den Haufen geworfen sondern auch ein gutes Stück Romeo & Julia geboten - neben dem Bruce-Lee-und-Chuck-Norris-Gemisch.

Von Freitag, 08.03.2013, 8:26 Uhr|zuletzt aktualisiert: Montag, 08.08.2016, 10:43 Uhr Lesedauer: 3 Minuten  |  

Ibo ist so türkisch wie man nur sein kann in der dritten Einwanderungsgeneration. „Der gebieterische Drang der Umstände“, um einmal wieder Bismarck zu zitieren und an seine Ansichten in der Migrationsfrage zu erinnern, verlangt Ibo alles ab. Er macht sich gerade in einem Milieu zwischen Restauration und Renaissance. Da findet ein Binnenclash der Kulturen statt, aus den Kratern strömt die Lava der Zukunft. Den Patriarchen passiert in diesen heißen Quellen das, was man unter Dinosauriern kurz Yucatán nannte, dann wussten die Überlebenden Bescheid.

Robert Neumann spielt Ibo als sympathischen Schlacks an Schluri. Er legt den Almanci – Deutschländer defensiv aus. Selten kommt er aus seiner Deckung.

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Ibo also. Ein Typ aus der Werbung. Er liebt Wushu und Titzi – und Titzi ist Deutsche. Ibos Vater erkennt darin ein Desaster. Das ist der narrative Kern einer Komödie von Anno Saul, nach einem Drehbuch von Fatih Akin, Ruth Toma, Jan Berger und Ralph Schwingel. Die Dramatisierung von „Kebab Connection“ illuminiert nun die Bühne des Grips Theater auf dem Berliner Hansaplatz. Man könnte jederzeit in der Gegend weiterspielen, so sehr gehorcht sie den Forderungen des Stücks, soweit es Auditorium, Architektur und Atmosphäre betrifft. Am U-Bahnaufgang Hansaplatz stehen die Helden super-adäquat im Connection-Style und reden auch genauso. Das heißt, als Satire funktioniert Kebab Connection nicht. Zum Glück wissen das die Athleten in der Arena.

Im ersten Bild turnen Twins in englischen Schuluniformen, sie präsentieren die Königsdisziplin des Gongfu (Kung fu). Sie stellt sich dar und findet statt als Dönermesser-Ballett. Der „King of Kebab“ tritt als Pate & Onkel (Patenonkel) in Erscheinung – doch erscheint er nicht mehr so unangreifbar wie in der Generation der Türsteher-Türken. Er hat dazu gelernt, indem ihm die Bedeutung von Kunst aufgegangen ist. Ihre Potenz. Deshalb will er vom Neffen auch einen wertvollen Werbefilm zur Verherrlichung seines Oriental-Junk-Imperiums.

Titzi also. Vollständig Patrizia. Nina Reithmeier rennt in dieser Rolle einige Klischees über den Haufen und fährt selbst gelegentlich gegen die Wand. Schwanger vom Türken droht Titzi die Abschiebung im Wege der Trennung – in der Konsequenz einer vorgeblichen Unvereinbarkeit deutscher und türkischer Werte. „Deutsch: schlimmer geht es nimmer“.

Doch nicht mit Titzi. Hart bandagiert erzwingt sie Einsicht. Sie bringt nicht nur den Sohn, sondern auch den Vater auf ihren Kurs. – Einschließlich des Hechel-Kursus´ im Geburtsvorbereitungsseminar.

Info: Kebab Connection ist noch bis zum 23. April 2013 im GRIPS Theater zu sehen. Informationen zum Stück und Termine gibt es hier.

Titzi kriegt den Ibo also hin. Das ist die niedliche Moral von der Geschichte. In weiteren Erzählungen werden Stiefel am Band wie Nazis aus den Schuhen getreten – und in vagen Veganismus-Manifesten („Auch Türken können vegan sein.“) „Honige aus Massentierhaltung“ abgelehnt. Ja, es gibt viel zu lachen in Kebab Connection, wenn Ibo vom Vater wiederholt „Sohn eines Esels“ genannt wird.

Eine Couch fährt ab auf Schienen – mit wechselnden Besetzungen der Gemütlichkeit. Und voll der orientalischen Weisheiten. Der Vater zum Sohn: „Dein (gemixtes) Kind wird niemals Baba sagen. Du wirst ein Papi bloß sein“.

Mehr Drama bietet endlich Bruce Lee in der sehr überzeugenden Gestalt von Paul Jumin Hoffmann. Dieser Hoffmann bringt exakt die klassisch gewordene Choreografie des Kampfes im Kolosseum zwischen Bruce Lee und Chuck Norris („Die Todeskralle schlägt wieder zu“). Das ist Amphitheater, wie Chuck Norris nach den Regeln der Kunst zerlegt wird. Ibo modifiziert den undankbaren Part dieses Duells, am Ende will er geradezu selbst gebären. Was dabei, wenn auch nicht aus ihm, herauskommt, ist übrigens ganz viel Knut aus der Raubtierabteilung und ein bisschen Romeo & Julia. Aktuell Feuilleton

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