Interkulturelle Öffnung

Bilkay Öney: „Es geht nicht darum, Migranten zu bevorzugen. Sie sollen aber auch nicht benachteiligt werden.“

Im Südwesten hat jeder Vierte eine Zuwanderungsgeschichte. Aber nur 10 Prozent der Landesbediensteten haben einen Migrationshintergrund. Das soll sich ändern. Integrationsministerin Bilkay Öney möchte die interkulturelle Öffnung der Verwaltung vorantreiben.

Montag, 10.12.2012, 8:24 Uhr|zuletzt aktualisiert: Mittwoch, 12.12.2012, 7:21 Uhr Lesedauer: 3 Minuten  |  

Im Südwesten leben 2,8 Millionen Menschen mit Zuwanderungsgeschichte. Das entspricht 26 Prozent der Bevölkerung. Dieser Anteil spiegelt sich nicht in der Verwaltung wider. Nur etwa 10 Prozent der Landesbediensteten haben einen Migrationshintergrund. Das soll sich ändern.

„Es geht nicht darum, Migranten zu bevorzugen. Sie sollen aber auch nicht benachteiligt werden“, sagte Baden-Württembergs Integrationsministerin Bilkay Öney (SPD) vergangene Woche (3.12.12) vor rund 200 Gästen im Stuttgarter Neuen Schloss. Ihr Ministerium hatte eingeladen, um über das Thema Diversity und interkulturelle Öffnung zu informieren. Maßgebliche Kriterien für die Bewerberauswahl müssten weiterhin Eignung, Leistung und Befähigung sein. „Wir streben die interkulturelle Öffnung an, weil wir uns selbst einen Vorteil davon versprechen. Mehr Effizienz und Bürgernähe“, so die Ministerin.

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Wandelnde Bedürfnisse der Gesellschaft
Die Zuwanderung hat dazu geführt, dass heute in Baden-Württemberg mehr als 170 Nationalitäten leben und über 200 Sprachen gesprochen werden. Damit die Landesverwaltung leistungsstark bleibt, muss sie künftig Vielfalt noch besser abbilden. Öney: „Die öffentliche Verwaltung muss sich als Dienstleister an den sich wandelnden Bedürfnissen und Erfordernissen der Gesellschaft orientieren.“

Dieses Ziel ist sowohl im Koalitionsvertrag der grün-roten Landesregierung festgeschrieben, als auch mit dem am 15. November 2012 erfolgten Beitritt des Landes zur „Charta der Vielfalt“ dokumentiert. „Ich freue mich, dass sich das Land als Arbeitgeber dazu verpflichtet, Vielfalt wertzuschätzen, zu fördern und gewinnbringend einzusetzen“, sagte Öney.

Öffnung ist schlichte Notwendigkeit
Hinzu komme, dass Talente und Hochqualifizierte heute ganz selbstverständlich von ihren Arbeitgebern eine Kultur der Toleranz, der Offenheit und der Vielfalt erwarteten. Globalisierung und Demografie verschärften den Wettbewerb um kluge Köpfe. „Dem kann sich der öffentliche Dienst nicht entziehen. Interkulturelle Öffnung ist schlichte Notwendigkeit“, so die Integrationsministerin.

Landtagspräsident Guido Wolf (CDU) sagte in seinem Impulsreferat: „Vielfalt wird zur Stärke, wenn sie geschätzt und praktiziert wird.“ Auch für den Landesdienst gelte: Vielfalt nütze, mache Verwaltungshandeln effektiver, vermittle mehr Akzeptanz und Wirkungstiefe und bringe beim Gewinnen des notwendigen gut ausgebildeten Personals Wettbewerbsvorteile. „Wenn Vielfalt gelingt, dann gelingt auch das Bewahren der Heimat. Heimat steht als Synonym dafür, dass an einem Ort, in einer Region oder in einem Land befriedigende Lebensmöglichkeiten gegeben sind“, erklärte Wolf. Die Gesellschaft brauche daher eine gewisse Offenheit sowie Strukturen, die auf bürgerschaftlicher Ebene alle konstruktiven Kräfte aktivieren und zusammenbringen können.

Konkrete Maßnahmen ab Januar
Ulms Oberbürgermeister Ivo Gönner (SPD) hat mit der Bezeichnung „internationale Stadt“ ein neues Kapitel in seiner Stadt aufgeschlagen: „Wir müssen raus aus der Welt der Beauftragten und Ausschüsse und hinein in die Welt der Vielfalt.“ Menschen mit Zuwanderungsgeschichte müssten sich in allen Berufen der Verwaltung widerfinden, zum Beispiel im Stadtplanungsamt. „Wir haben teilweise mehr Bauherren mit internationalen Wurzeln als Schwaben“, so Gönner.

Das Ministerium für Integration hat bereits mehrere Projekte angestoßen, um die interkulturelle Öffnung voranzubringen. Die Ministerin machte klar, dass die interkulturelle Öffnung der Landesverwaltung nicht über die Köpfe der Bediensteten hinweg, sondern vielmehr gemeinsam mit allen Akteuren geplant und umgesetzt werde. Dazu trifft sich Mitte Januar 2013 erstmals eine interministerielle Arbeitsgruppe, um konkrete Maßnahmen zu erarbeiten. (hs) Aktuell Politik

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  1. Zerrin Konyalioglu sagt:

    Die interkulturelle Öffnung der Verwaltungen war eine Auflage der OECD, die den zu geringen Anteil von Beschäftigten mit „Migrationshintergrund“ in Verwaltungen scharf kritisiert hat. Aufgrund des Demografische Wandels, dem Braindrain und der wachsenden Zahl der Einwanderer, liegt es in der Natur, dass man zunehmend Einwanderer in die Arbeitswelt integriert oder?

  2. Harald sagt:

    Jedwede Quotenregelung auf der Grundlage der Abstammung und Herkunft der Bewerber auf eine Arbeitstelle ist grundsätzlich abzulehnen. Denn wer Abstammung und Herkunft eines Bewerbers als entscheidendes Kriterium für seine Qualifikation nimmt, der muss logischerweise auch seine Haut-, Augen- und Haarfarbe, seine sexuelle Präferenz, sein Geschlecht und seine Religion als Kriterium nehmen.

    Hier nur mal ein abschreckendes Beispiel, wohin sowas führen würde: Es gibt ca. 4 Mio Beschäftigte im Öffentlichen Dienst, und der Anteil der Juden an der deutschen Bevölkerung beträgt ca. 0.2 Prozent. Gemäss der hier propagierten Logik dürften dann also nicht mehr als 8 000 Juden im Öffentlichen Dienst beschäftigt sein. Tatsächlich sind es aber sehr viel mehr, und die hier gestellten Forderungen kämen dann also einem Berufsverbot für Juden gleich.

  3. Lionel sagt:

    Die Umsetzung der „interkulturellen Öfffnung“ in den Verwaltungen dürfte spannend werden.
    Nach Art. 3 Abs.3 GG darf niemand wegen seiner Herkunft, Abstammung oder Heimat bevorzugt oder benachteiligt werden.
    Ein wie auch immer gestaltetes Migrantenprivileg würde gegen den Gleichheitsgrundsatz verstoßen.

  4. Brandt sagt:

    @Lionel

    Sie leben hinterm Mond. Sehen Sie sich einmal die Ostgrenze an. 2001 gab es einen Aufschrei in der Presse, weil über 120 000 deutsche Haushalte illegal Haushaltshilfen beschäftigt haben. Die Familie eines deutschen Journalisten war betroffen, und er berichtete darüber fleissig. Anstatt die deutschen Haushalte zu bestrafen, beeilten sich die SPD, CDU und Grünen mit der Verabschiedung einer Anwerbestoppausnahmeverordnung. Die 120 000 deutschen Haushalte hätten eigentlich Nachzahlungen an die Rentenkasse, Pflegeversicherung etc. leisten müssen.

    Die Gesetze werden also immer der Interessenslage gemäss angepasst. Ähnliches finden Sie bei unterlassenden Razzien durch den lokalen Staatsapparat und die Polizei, weil sonst die Bauern ihre Saisonarbeitskräfte verlieren. Gleiches gilt für den Bausektor. Wir haben es mit einem rechtsfreien Raum zu tun, der eben nur möglich ist, weil es Klientel-Beziehungen zwischen lokalen Staatsapparat und der Arbeitgeberseite gibt.

    Der Gleichheitsgrundsatz bindet Staatsorgane. Dieser Grundsatz wird durch die jetzige Beamtenschaft verletzt. Um solche lokalen Bündnisse zwischen Staatsapparat zu verhindern, braucht man eine Durchmischung der Beamtenschaft.

    Ich würde das nicht interkulturelle Öffnung nennen, sondern Kappen der Klientel-Beziehungen, sonst kann man mit der Legislative noch so fortgeschrittene Gesetze beschliessen. Der Ermessensspielraum der Exekutive hebelt es immer aus.

  5. Lionel sagt:

    @Brandt

    Hinter dem Mond wird der Blick auf die Wirklichkeit glücklicherweise nicht durch die Rote Fahne verdeckt.

    Die einseitige Bevorzugung von Personengruppen wegen ihrer Herkunft würde eindeutig gegen den Gleichheitsgrundsatz des GG verstoßen.
    Ein entsprechendes Gesetz würde umgehend durch das BVerfG kassiert – das ist nun einmal so.
    Nordkorea ist nicht überall.