Im Südwesten leben 2,8 Millionen Menschen mit Zuwanderungsgeschichte. Das entspricht 26 Prozent der Bevölkerung. Dieser Anteil spiegelt sich nicht in der Verwaltung wider. Nur etwa 10 Prozent der Landesbediensteten haben einen Migrationshintergrund. Das soll sich ändern.
„Es geht nicht darum, Migranten zu bevorzugen. Sie sollen aber auch nicht benachteiligt werden“, sagte Baden-Württembergs Integrationsministerin Bilkay Öney (SPD) vergangene Woche (3.12.12) vor rund 200 Gästen im Stuttgarter Neuen Schloss. Ihr Ministerium hatte eingeladen, um über das Thema Diversity und interkulturelle Öffnung zu informieren. Maßgebliche Kriterien für die Bewerberauswahl müssten weiterhin Eignung, Leistung und Befähigung sein. „Wir streben die interkulturelle Öffnung an, weil wir uns selbst einen Vorteil davon versprechen. Mehr Effizienz und Bürgernähe“, so die Ministerin.
Wandelnde Bedürfnisse der Gesellschaft
Die Zuwanderung hat dazu geführt, dass heute in Baden-Württemberg mehr als 170 Nationalitäten leben und über 200 Sprachen gesprochen werden. Damit die Landesverwaltung leistungsstark bleibt, muss sie künftig Vielfalt noch besser abbilden. Öney: „Die öffentliche Verwaltung muss sich als Dienstleister an den sich wandelnden Bedürfnissen und Erfordernissen der Gesellschaft orientieren.“
Dieses Ziel ist sowohl im Koalitionsvertrag der grün-roten Landesregierung festgeschrieben, als auch mit dem am 15. November 2012 erfolgten Beitritt des Landes zur „Charta der Vielfalt“ dokumentiert. „Ich freue mich, dass sich das Land als Arbeitgeber dazu verpflichtet, Vielfalt wertzuschätzen, zu fördern und gewinnbringend einzusetzen“, sagte Öney.
Öffnung ist schlichte Notwendigkeit
Hinzu komme, dass Talente und Hochqualifizierte heute ganz selbstverständlich von ihren Arbeitgebern eine Kultur der Toleranz, der Offenheit und der Vielfalt erwarteten. Globalisierung und Demografie verschärften den Wettbewerb um kluge Köpfe. „Dem kann sich der öffentliche Dienst nicht entziehen. Interkulturelle Öffnung ist schlichte Notwendigkeit“, so die Integrationsministerin.
Landtagspräsident Guido Wolf (CDU) sagte in seinem Impulsreferat: „Vielfalt wird zur Stärke, wenn sie geschätzt und praktiziert wird.“ Auch für den Landesdienst gelte: Vielfalt nütze, mache Verwaltungshandeln effektiver, vermittle mehr Akzeptanz und Wirkungstiefe und bringe beim Gewinnen des notwendigen gut ausgebildeten Personals Wettbewerbsvorteile. „Wenn Vielfalt gelingt, dann gelingt auch das Bewahren der Heimat. Heimat steht als Synonym dafür, dass an einem Ort, in einer Region oder in einem Land befriedigende Lebensmöglichkeiten gegeben sind“, erklärte Wolf. Die Gesellschaft brauche daher eine gewisse Offenheit sowie Strukturen, die auf bürgerschaftlicher Ebene alle konstruktiven Kräfte aktivieren und zusammenbringen können.
Konkrete Maßnahmen ab Januar
Ulms Oberbürgermeister Ivo Gönner (SPD) hat mit der Bezeichnung „internationale Stadt“ ein neues Kapitel in seiner Stadt aufgeschlagen: „Wir müssen raus aus der Welt der Beauftragten und Ausschüsse und hinein in die Welt der Vielfalt.“ Menschen mit Zuwanderungsgeschichte müssten sich in allen Berufen der Verwaltung widerfinden, zum Beispiel im Stadtplanungsamt. „Wir haben teilweise mehr Bauherren mit internationalen Wurzeln als Schwaben“, so Gönner.
Das Ministerium für Integration hat bereits mehrere Projekte angestoßen, um die interkulturelle Öffnung voranzubringen. Die Ministerin machte klar, dass die interkulturelle Öffnung der Landesverwaltung nicht über die Köpfe der Bediensteten hinweg, sondern vielmehr gemeinsam mit allen Akteuren geplant und umgesetzt werde. Dazu trifft sich Mitte Januar 2013 erstmals eine interministerielle Arbeitsgruppe, um konkrete Maßnahmen zu erarbeiten. (hs)