Hinterfragen

Ethnic Profiling als Methode der Polizeiarbeit

Heute entscheidet das Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz über den Fall eines Bahnreisenden, der allein aufgrund seiner dunkleren Hautfarbe kontrolliert wurde. Verdachtsunabhängige Kontrolle oder Ethnic bzw. Racial Profiling?

Von Görmann; Egenberger Montag, 29.10.2012, 8:24 Uhr|zuletzt aktualisiert: Donnerstag, 01.11.2012, 22:47 Uhr Lesedauer: 3 Minuten  |  

Ein Deutscher fährt mit dem Zug von Brüssel nach Köln. Er wird dabei von der Bundespolizei kontrolliert und nach seinen Papieren gefragt. Bei diesen Kontrollen geht es der Bundespolizei darum, illegale Einwanderer aufzuspüren. Doch was ist der Grund dafür, dass genau dieser Mann und nicht ein Anderer im Abteil kontrolliert wird? Aussagen von Polizisten machen klar: Aufgrund seiner Hautfarbe fiel er ins Täterprofil. Der kontrollierte Mann war schwarz.

Wenn die Polizei nach Verdächtigen sucht, ist es zentraler Bestandteil ihrer Arbeit, Verdächtige so genau wie möglich zu beschreiben und sogenannte Täterprofile zu erstellen. Hierbei werden das Erscheinungsbild bzw. unveränderliche Eigenschaften wie Herkunft, Sprache oder auch Hautfarbe genauso festgehalten wie das Verhalten des Verdächtigen.

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Doch was darf die Polizei dabei, welche Kriterien darf sie für ein solches Täterprofil zugrunde legen? Profiling muss von Grundsätzen der Unschuldsvermutung und Unparteilichkeit geleitet sein. Es muss also Hinweise bezüglich einer bestimmten Tat geben, aus denen sich die Verdächtigenprofile ableiten lassen. Basiert das Profiling allerdings nicht auf fundierten Annahmen, sondern nur auf unveränderlichen Eigenschaften wie beispielsweise der Hautfarbe oder dem vermeintlichen Migrationshintergrund, stellt dies eine Form von Diskriminierung dar. Man spricht hier von Ethnic Profiling.

Ethnic Profiling bei verdachtsunabhängigen Kontrollen
Die Bundes- beziehungsweise Landespolizei hat die Befugnis, Personalien festzustellen, Fahrzeuge anzuhalten und zu durchsuchen, Massenkontrollen durchzuführen, Verhaftungen und Inhaftierungen vorzunehmen und gezielte Datensuche und andere Überwachungsmaßnahmen zu tätigen, die im Polizeijargon verdachtsunabhängige Kontrollen genannt werden. Hierbei werden Profilingmethoden eingesetzt, die denen bei der Suche nach konkreten Verdächtigen stark ähneln. So werden zum Beispiel ethnische Zuschreibungen wie die Hautfarbe verwendet, um vermeintliche illegale Migranten in einem Zug auszumachen.

Diese Form von Zuschreibung schließt von vorhandenen unveränderlichen Eigenschaften auf ein konkretes Täterprofil. Dies führt zu Stereotypisierungen und Verallgemeinerungen, die Menschen mit diesen unveränderlichen Merkmalen eine prinzipielle Nähe zu Straftaten unterstellt. Dies widerspricht den Gleichbehandlungsgrundsätzen, wie sie im Grundgesetz Artikel 3 oder dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz (AGG) verankert sind.

Wirkung von Ethnic Profiling
Menschen mit deutschem Pass haben unterschiedlichste Herkünfte. Deutsche können eine dunkle Hautfarbe oder eine Migrationsgeschichte haben. Ethnic Profiling führt diesen Deutschen immer wieder vor Augen, dass sie – zumindest von der Polizei – als Ausländer, Fremde, Illegale eingestuft werden. Sie werden offen vor allen anderen Zugreisenden befragt, werden Leibesvisitationen unterzogen, ohne ihnen und den anderen Zugreisenden eine angemessene Erläuterung zu geben, warum gerade sie kontrolliert werden. Mitunter werden sie für eine Überprüfung von Polizeibeamten auf die Wache mitgenommen. Betroffene fühlen sich bloßgestellt, schutzlos und als Kriminelle stigmatisiert. Ein Gefühl des „nicht dazu gehörig Fühlens“ und ein Generalverdacht gegen sie bleibt dann schwerlich aus. Den anderen Zugreisenden wird vermittelt, dass Dunkelhäutige und als Ausländer kategorisierte Menschen Illegale seien oder als Kriminelle gesucht würden.

Eine Sensibilität für das vorliegende Problem ist nur vereinzelt in der Polizei vorhanden. Diese Sensibilität wäre jedoch eine notwendige Voraussetzung alternative Ansätze zu erarbeiten und umzusetzen.

Ist Ethnic Profiling effizient?
Die Anwendung von Ethnic Profiling ist nicht spezifisch im Polizeigesetz verankert. Sie liegt im Ermessen jedes einzelnen Beamten. Eine statistische Erfassung von Personenkontrollen, die auf ausschließlich unveränderlichen Personenmerkmalen beruhen, gibt es nicht. Die Polizei kann daher die Nützlichkeit (oder ihr Gegenteil) der Methode in Deutschland nicht erfassen.

Allerdings wurde Ethnic Profiling in Spanien auf seine Effizienz für die Polizeiarbeit untersucht. Dabei wurde festgestellt, dass bei Personenkontrollen, die nicht nur ausschließlich auf einzelnen Merkmalen wie Hautfarbe oder vermeintlicher Ausländerstatus beruhten, eine erheblich höhere Trefferquote bei Personenkontrollen erzielt wurde – und somit Polizeiarbeit bei weniger Personenkontrollen effizienter war. Aktuell Meinung

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  1. Peters sagt:

    Apropos ethnic profiling:

    Im Moment leben ueber hundred Rechtsextreme Gewalttaeter im Untergrund. Die Sauerlandsgruppe haette man auch mit Ethnic profiling nicht finden koennen. Es gibt mit Sicherheit tausende kriminelle die sich auf ihre weisse Hautfarbe ausruhen. Die NSU-Terroristen haette man auch ohne Ethnic-Profiling schneller finden koennen. Ich persoenlich habe zero Vertrauen in Sicherheitsorganen in Deutschland, insbesonder nach den „Pannen“ der Zwickauer-Gruppe.