Plakataktion

Wie Innenministerium und islamische Religionsgemeinschaften Rechtsextremisten in die Hände spielen

Vermisst, muslimisch aussehende Bürger auf Plakaten, die zu religiösen Fanatikern und Terroristen geworden sind. Davor warnt das Bundesinnenministerium, was nicht verwundert. Dass aber islamische Religionsgemeinschaften solche Aktionen mittragen, ist unerträglich.

Von Montag, 27.08.2012, 8:24 Uhr|zuletzt aktualisiert: Mittwoch, 29.08.2012, 7:46 Uhr Lesedauer: 3 Minuten  |  

Glaubt man den Sicherheitsbehörden, wird die freiheitlich demokratische Grundordnung vor allem von drei extremistischen Kräften bedroht – Linksextremismus, Rechtsextremismus und vom sogenannten „Islamismus“.

Erstere übt in regelmäßigen Abständen Widerstand gegen Polizei und Staatsgewalt vor allem bei Aufmärschen von Rechtsextremen. Diese wiederum ist allgegenwärtig. Tagtäglich werden mehrere fremdenfeindliche Straftaten registriert, von denen viele gewaltsame Übergriffe sind. Rein statistisch gesehen, die Top-Bedrohung. Der sogenannte „Islamismus“ hingegen kann keine Zahlen liefern. Einzeltäter sind es, die das Land und die Sicherheitsbehörden alle paar Jahre in Atem halten. Diese Gefahr steht weitestgehend auf dem Papier und nach dem Willen des Bundesinnenministeriums bald auch auf großformatigen Plakaten in den Großstädten Deutschlands.

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Auf Billboards sollen muslimisch aussehende Jugendliche, Männer und Frauen zu sehen sein, die lächelnd in die Kamera schauen und den Muslim von Nebenan mimen sollen. Über ihren Köpfen prangt in großen Lettern die Überschrift „Vermisst“. Unter dem Bild ein Text, das davor warnt, dass diese Menschen sich immer mehr zurückziehen und jeden Tag radikaler werden. „Ich habe Angst ihn ganz zu verlieren – an religiöse Fanatiker und Terrorgruppen“, heißt es darin. Eine schwammige Formulierung passend für alle muslimisch aussehenden Bürger (siehe Fotomontage oben). Wer meint, dass Ahmet, Osman oder Ayşe sich auffällig verhält, soll anrufen.

Gefährlich an der Plakataktion ist, dass die abgebildeten Personen der Arbeitskollege, der Kumpel vom Sportverein oder die Nachbarin sein könnten – mithin jeder muslimisch aussehende Bürger. Sie alle werden unter Generalverdacht gestellt, gefährlich zu sein. Jeden Moment könnten sie abrutschen in den Extremismus. Das schürt beziehungsweise bestätigt, was Rechtsextremisten schon immer gewusst haben: Muslime sind gefährlich! Das haben auch die NSU-Täter schon immer gewusst und haben sich Ihre Opfer entsprechend ausgesucht.

Währenddessen mahnt Bundespräsident Joachim Gauck anlässlich des 20. Jahrestages des Rostock-Lichtenhagener Pogroms: „Heute entzünden sich die Ängste an fremden Kulturen und Religionen, vor allem bei den muslimischen Zuwanderern.“ Vor 20 Jahren waren es Asylbewerber, die im Kontext von vollen Booten und Naturkatastrophen wie die Überflutung genannt wurden. Heute sind es Muslime auf übergroßen Plakaten.

Mag sein, dass die Plakataktion dem einen oder anderen tatsächlich hilft. Auf der anderen Seite stellt sich die Frage nach den negativen Auswirkungen. Welche Assoziationen werden diese Plakate hervorrufen oder die kollegialen, freundschaftlichen oder nachbarschaftlichen Beziehungen der muslimisch aussehenden Bürger beeinflussen? Macht sich das Bundesinnenministerium Gedanken über Nutzen und Schaden solcher Aktionen?

Bisher lässt es jedenfalls jegliches Fein- und Fingerspitzengefühl vermissen. Dabei wäre es gut beraten, das im Zuge der vermeintlichen NSU-Pannen und Fehler verlorengegangene Vertrauen wiederzugewinnen und sich gegen rechts starkzumachen. Diese Plakataktion kommt aber ausgerechnet Rechten zugute, die für Ihre Zwecke vor allem eins brauchen: Angst, Angst in der Bevölkerung vor dem Fremden.

Dass das Innenministerium so eine Aktion startet, kann man im Hinblick auf das bisherige Unvermögen nachvollziehen. Sie können oder wollen es nicht besser. Dass aber islamische Religionsgemeinschaften als Teil der „Initiative Sicherheitspartnerschaft“ solche Aktionen mittragen, ist nicht nur nicht nachvollziehbar, sondern unerträglich. Aktionen, mit denen sie sich nicht vor der eigenen Gemeinde zeigen könnten, ohne „abgewählt“ zu werden, was bereits deutlich genug zum Ausdruck bringt, auf welchem Niveau sie sich bewegen.

Die Verantwortlichen täten gut daran, beim nächsten Freitagsgebet in die Gesichter ihrer zahlenden und meist spendablen Gemeindemitglieder zu schauen. Denn sie würden viele Ahmets, Osmans und Ayşes sehen, die nichts aber auch gar nichts mit Radikalismus geschweige denn Terrorismus zu tun haben, aber den Gesichtern auf den Plakaten trotzdem zum Verwechseln ähnlich aussehen. Ein Blick in den Spiegel würde ebenfalls ausreichen, sofern…

Sehr wahrscheinlich, dass sie diese Aktion schon bald verurteilen, meinen, nichts davon gewusst zu haben und vor steigender Islamophobie warnen. Ändern wird das nichts – der Schaden ist da und auch der endgültige Beweis, dass sie ungeeignet sind, für Muslime zu sprechen. Danke zumindest dafür! Aktuell Meinung

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  1. Mercks sagt:

    @Kocaman
    „Gefährlich an der Plakataktion ist, dass die abgebildeten Personen der Arbeitskollege, der Kumpel vom Sportverein oder die Nachbarin sein könnten – mithin jeder muslimisch aussehende Bürger. Sie alle werden unter Generalverdacht gestellt, gefährlich zu sein. Jeden Moment könnten sie abrutschen in den Extremismus.“

    Generalverdacht ist nicht so schlimm wie Sie das hier darstellen. Vor allem in Deutschland wo kein Mensch vorschnell in der Todeszelle landet oder ausgewiesen wird ist es unbegründet diesen als gefährlich darzustellen. Wenn ich am Flughafen meinen Flieger nehme stehe ich auch unter Generalverdacht eine Bombe bei mir zu tragen, bei einer Steuerprüfung übrigens auch. Man steht regelmäßig unter Generalverdacht, nicht nur als Muslim, sondern auch als Deutscher.
    Aber um das Bild mal umzukehren, damit man merkt wie verquer die Warnung vor Generalverdacht ist: Was würde man denn gegen den scheinbar „allgegenwärtigen“ Rassismus machen? Wahrscheinlich die Deutschen unter Generalverdacht stellen. Was ja auch schon öfter gemacht wurde und es auch in der Zukunft noch oft geben wird.

    Keine – nicht mal die Autorin – kommen ohne Generalverdächtigungen aus. Übrigens auch in der Türkei, gibt es ein Generalverdacht gegenüber Kurden.

    „Dass aber islamische Religionsgemeinschaften als Teil der „Initiative Sicherheitspartnerschaft“ solche Aktionen mittragen, ist nicht nur nicht nachvollziehbar, sondern unerträglich. Aktionen, mit denen sie sich nicht vor der eigenen Gemeinde zeigen könnten, ohne „abgewählt“ zu werden, was bereits deutlich genug zum Ausdruck bringt, auf welchem Niveau sie sich bewegen.“

    Ich glaube die meisten muslimischen Gemeinden sind ganz einfach nicht im Stande so etwas zu organisieren oder nicht willens. Man lässt sich mal wieder vom deutschen Staat helfen, ist aber irgendwie nicht zufrieden mit der angebotenen Hilfe. Anregungen wie man die Initiative verbessern könnte kommen selten bis nie von den muslimischen Communities, aber sich am ende beklagen, wenn es nicht nach den eigenen Vorstellungen aussieht.

    Diese Plakataktion wird vom deutschen Steuerzahler finanziert um ein rein muslimisches Problem zu lösen. Da fragt man sich natürlich schon mit welcher Arroganz diese Aktion hier so schlecht dargestellt wird. Wenn einem die Plakate nicht gefallen, dann sollten die Muslime sich selbst dafür einsetzen ohne staatliche Hilfe Werbeflächen zu mieten, schließlich sterben durch die Attentate mehr Muslime, als Andersgläubige.

    Übrigens: Das Wort „Islamophobie“ ist ein Kampfbegriff von Ayatollah Chomeini um die eigentlichen Täter einer als Opfer darzustellen. Vielleicht sollte man diesen Begriff nicht mehr weiterhin benutzen und sich ein neues Wort einfallen lassen. Es kommt einfach nicht ganz ernsthaft rüber, wenn man mit solchen Begriffen arbeitet.

  2. aloo masala sagt:

    @Mercks


    Das Wort “Islamophobie” ist ein Kampfbegriff von Ayatollah Chomeini um die eigentlichen Täter einer als Opfer darzustellen. Vielleicht sollte man diesen Begriff nicht mehr weiterhin benutzen und sich ein neues Wort einfallen lassen. Es kommt einfach nicht ganz ernsthaft rüber, wenn man mit solchen Begriffen arbeitet.

    Das ist in mehrfacher Hinsicht falsch.

    1. Zunächst einmal existiert das Wort „Islamophobie“ in der persischen Landessprache Farsi nicht.

    2. Chomeini verwendete die Begriffe „gegen den Islam“ und „gegen die Revolution“ keineswegs, um eine generelle Ablehnung des Islams zu beschreiben, sondern um das Verhalten unverschleierter Frauen als nicht vereinbar mit dem Islam und der Revolution anzuprangern.

    3. Schließlich sei darauf hingewiesen, dass bereits 1921 der Begriff Islamophobie in einer wissenschaftlichen Abhandlung auftauchte:

    http://books.google.de/books?ei=_uZ8Ta75Lc3MsgbGp8jqBw&ct=result&hl=de&id=wGHVAAAAMAAJ&dq=%22islamophobe%22&q=islamophobe&redir_esc=y#search_anchor

  3. Ehre55 sagt:

    Generalverdacht ist nicht so schlimm wie Sie das hier darstellen. Vor allem in Deutschland wo kein Mensch vorschnell in der Todeszelle landet oder ausgewiesen wird ist es unbegründet diesen als gefährlich darzustellen. Wenn ich am Flughafen meinen Flieger nehme stehe ich auch unter Generalverdacht eine Bombe bei mir zu tragen, bei einer Steuerprüfung übrigens auch. Man steht regelmäßig unter Generalverdacht, nicht nur als Muslim, sondern auch als Deutscher.
    Aber um das Bild mal umzukehren, damit man merkt wie verquer die Warnung vor Generalverdacht ist: Was würde man denn gegen den scheinbar “allgegenwärtigen” Rassismus machen? Wahrscheinlich die Deutschen unter Generalverdacht stellen. Was ja auch schon öfter gemacht wurde und es auch in der Zukunft noch oft geben wird.

    Lächerlich eine Routinekontrolle am Flughafen bzw. bei der Steuererklärung mit der hier gemeinten Art des Generalverdachtes gleich zu setzen. Ich gebe Ihnen mal ein Bsp. Ich geriet in einer Nachts in eine Polizeikontrolle. Nach der Überprüfung meiner Peronalien (nicht vorbestraft) wurden mir Handschellen angelegt und ich kam in eine Zelle. Auf die Frage, weshalb ich mitgenommen werde, erhielt ich keine Antwort. Nach gefühlten 3 std. wurde ich dann wieder entlassen, mit der Begründung „Sie wurden mit einem Räuber verwechselt“. Und solche polizeilichen Übergriffe sind nicht einzelne Vorkommnisse…

    Die erwähnte Plakatation ist meines erachtens nach ein Verstoß gegen das Grundgesetz (Rassismus, Religionsfreiheit).

    Außerdem widerspricht es der Integrationspolitik (in der sowieso sehr wenige Anstrengungen erfolgen). Wenn man in den Medien verfolgt, wie muslimische Bürger dargestellt werden, siehr man nur negative Beispiele. Um mal ein positives Beispiel nennen zu dürfen: Ich bin seit 2008 ehrenamtliche tätig in einem Altenheim. Solche und noch bessere Beispiele braucht unsere Gesellschaft

    Ehre55

  4. kapital sagt:

    alles schon mal da gewesen, nur so gewinnt die bankenpartei wahlen

  5. Sinan A. sagt:

    Die Plakate klingen wie ein Hilferuf von Friedrich: Wo bleiben meine Terroranschläge? Bzw. wie ein Aufruf an den rechtsradikalen Mob: Diese Leute suchen wir. Wenn ihr so einen seht, dann wisst ihr, was ihr zu tun habt.

    Und wenn ich mal fragen dürfte: Wie viele islamistische Terroranschläge wurden eigentlich von Türken verübt? Keiner, oder? Aber die Zuordnung Moslem ist so praktisch, weil man damit die Türken ins unerwünschte Boot ziehen kann. Ausgerechnet die, deren Verwandten in der Türkei selber unter PKK-Terror leiden.

  6. Jorg sagt:

    @Mercks

    „Keine – nicht mal die Autorin – kommen ohne Generalverdächtigungen aus. Übrigens auch in der Türkei, gibt es ein Generalverdacht gegenüber Kurden.“

    Übrigens was hat die Türkei mit diesem Artikel zu tun?

  7. Stefan sagt:

    > Wie Innenministerium und islamische Religionsgemeinschaften Rechtsextremisten in die Hände spielen

    Schöne plakative Schlagzeile. Tönt gut.

    Die Welt ändert sich und man sollte nicht für immer und ewig mit dem Alten kommen. I.M. ist halt Islamismus ein Thema und die geschilderten Persönlichkeitsveränderungen kamen vor, ist doch gut wenn man dann eine Anlaufstelle hat.

  8. Rainer Zurigo sagt:

    @Mercks
    Sie haben ja wirklich ganz schöne krasse Ansichten. Generalverdacht als ok hinzustellen, indem man es mit Sicherheitskontrollen am Flughafen vergleicht ist eine sehr sehr engstirnige Sichtweise. Es handelt sich hierbei vor allem um einen Generalverdacht der nicht auf irgendeinen bestimmten Ort begrenzt ist, wie eben einem Flughafen und sich darüber hinaus auf eine kleine Bevölkerungsgruppe, sprich auf eine Minderheit bezieht. So etwas ist gefährlich und nicht erforderlich, die Geschichte lässt grüßen. Ich hoffe sie überdenken ihre Aussage nochmal. Das Problem ist, dieser Generalverdacht ist schon längst in der Bevölkerung angekommen, eben auch durch solche, m.E. schier rassistischen Kampagnen wird die islamophobe Stimmung immer mehr angeheizt. Außerdem denke ich nicht, dass das IM wirklich fähig ist sinnvoll gegen islamistische Tendenzen zu agieren. Aktive Aufklärungsarbeit und Hilfestellung sollte von muslimischen Trägern bzw. von Sozialarbeitern gemacht werden.

  9. Helmut sagt:

    @Mercks

    Zu Ihrer Aussage:
    „Diese Plakataktion wird vom deutschen Steuerzahler finanziert um ein rein muslimisches Problem zu lösen.“

    frage ich nur eins: „sind denn unsere muslimischen Mitbürger keine Steuerzahler?“

  10. Rotormitsch sagt:

    @Helmut,

    sind denn unsere Muslime keine Deutschen?