Visa-Freiheit für Türken
Westerwelle empfängt türkischen Europaminister Bağış
Heute empfängt Guido Westerwelle den türkischen Europaminister Egemen Bağış. Thema Nummer eins ist derzeit die Visa-Freiheit für Türken. Westerwelle scheint die Türkei unterstützen zu wollen, die CSU hält dagegen. Doch Richter haben auch ein Wort mitzureden.
Mittwoch, 27.06.2012, 8:29 Uhr|zuletzt aktualisiert: Freitag, 29.06.2012, 4:02 Uhr Lesedauer: 3 Minuten |
Heute trifft Bundesaußenminister Guido Westerwelle (FDP) in Berlin mit dem türkischen Europaminister, Egemen Bağış, zusammen. „Im Mittelpunkt des Gesprächs stehen die EU-Beitrittsverhandlungen mit der Türkei sowie andere europapolitische Fragen“, heißt es in einer knappen Mitteilung des Auswärtigen Amtes. Doch dürften die seit vergangener Woche laufenden Gespräche um die Visa-Freiheit für türkische Staatsbürger ein Schwerpunktthema sein.
Die Europäischen Union hatte vergangene Woche entschieden, mit der Türkei über die Visa-Freiheit für Reisen türkischer Bürger in die EU zu verhandeln. Im Gegenzug soll die Türkei das sogenannte Rücknahmeabkommen unterschreiben. Darin verpflichtet sich Ankara, Menschen aufzunehmen, die über die türkische Grenze illegal in die EU gekommen sind.
Westerwelle unterstützt Visa-Freiheit, CSU hält dagegen
Westerwelle scheint seinen jüngsten Äußerungen nach, den Wunsch der Türkei nach Visaliberalisierungen zu unterstützen. „Es ist gut, dass wir innerhalb der EU die letzten Hindernisse auf dem Weg zu einem Rücknahmeabkommen und zu einem Visa-Dialog mit der Türkei ausgeräumt haben“, hatte Westerwelle Ende vergangener Woche gesagt. „Jetzt sollte der überfällige Dialog über Verbesserungen im Visa-Bereich angegangen werden, denn die Türkei ist für uns ein zentraler Partner.“
Gegen diese Pläne stellt sich jedoch der Koalitionspartner CSU. Der innenpolitische Sprecher der Unionsfraktion im Bundestag, Hans-Peter Uhl (CSU), erklärte: „Wir haben immer gesagt, dass für uns die Visa-Freiheit prinzipiell nicht in Frage kommt.“ Dass die die Türkei illegal nach Europa Eingewanderte zurücknehme sei selbstverständlich. Insofern könne das Rückführungsabkommen keine Gegenleistung für die Visa-Freiheit sein.
Visumspflicht für Türken rechtswidrig
Ungeachtet dessen ist Bağış davon überzeugt, dass es in drei bis vier Jahren soweit sein wird, bis die aufgenommenen Gespräche fruchten. Ängste, dass viele Türken nach Europa kommen würden, seien jedenfalls unbegründet. Neuesten Umfragen zufolge wollten 85 Prozent der Türken in der Türkei nicht in Europa leben. Außerdem seien im Jahr 2010 rund 27.000 Türken nach Europa gekommen. Umgekehrt hätten sich 35.000 Deutsche entschlossen, in die Türkei zu ziehen. In Anspielung auf das Assoziationsabkommen der Türkei mit der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft erklärte Bağış zudem, dass die Visumpflicht türkischen Staatsbürger seit den 80ern sowieso rechtswidrig sei.
Tatsächlich haben bisher der Europäische Gerichtshof sowie zahlreiche nationale Gerichte mehrfach entschieden, dass türkische Staatsbürger ohne Visum einreisen dürfen (wir berichteten). Selbst der Wissenschaftliche Dienst des Bundestages hatte in einem Gutachten festgestellt, dass die Visumspflicht für Türken rechtswidrig ist. Die Bundesregierung möchte davon allerdings nichts wissen. Auf zahlreiche Anfragen der Linkspartei reagierte Sie mit juristischer Haarspalterei oder ausweichenden Antworten.
Türkische Gemeinde kritisiert Deutschland und Türkei
Entsprechend übte der Vorsitzende der Türkischen Gemeinde in Deutschland (TGD), Kenan Kolat, harte Kritik: „Ich finde es nicht akzeptabel, dass die Bundesregierung die legitimen Rechte der türkischen Staatsangehörigen aufgrund des Assoziierungsabkommens zwischen der EU und der Türkei permanent ablehnt und die höchstrichterlichen Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofes nicht in das nationale Recht einfließen lässt und Rechte missachtet“.
Kolat sieht aber auch die türkische Regierung in der Pflicht, sich für die Rechte der türkischen Staatsangehörigen in Europa einzusetzen. Die TGD erwarte die Einberufung des Assoziationsrates zur grundsätzlichen Klärung der Visafrage. Das ist im Ankara-Abkommen vom 12.09.1963 geregelt. Bei Unstimmigkeiten können beide Seiten den Europäischen Gerichtshof direkt anrufen. „Der Europäische Gerichtshof könnte die Visafrage grundsätzlich lösen“, so Kolat. Wieso Ankara auf das besagte Assoziationsrecht, die für alle 27 Mitgliedsstaaten verbindlich ist und über nationalen Regelungen steht, allerdings nicht pocht, bleibt ein Rätsel.
EuGH wird entscheiden
Ungeachtet dessen könnte die Visa-Freiheit viel früher geklärt werden. Das Oberverwaltungsgericht Berlin hat den Europäischen Gerichtshof angerufen und möchte wissen, ob türkische Staatsbürger zu touristischen bzw. Besuchszwecken ohne Visum in die Bundesrepublik einreisen dürfen. Das Urteil wird 2013 erwartet und bisher deutet alles darauf hin, dass die Luxemburger Richter die Visumspflicht kippen werden. (bk)
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