Brückenbauer
Fühlst du dich eigentlich mehr deutsch oder mehr türkisch?
Es gibt wohl kaum eine Frage die einem Deutsch-Türken oder Deutschtürken häufiger gestellt wird als diese. Bis heute wurde sie mir persönlich meistens von Leuten gestellt, die entweder wissen wollten ob ich mich zu Deutschland dazugehörig fühle, nicht wussten, was sie mit mir reden sollten oder herausfinden wollten, zu welchem Grad ich in Deutschland integriert bin.
Von Deniz Herkert Donnerstag, 14.06.2012, 8:27 Uhr|zuletzt aktualisiert: Donnerstag, 14.06.2012, 6:20 Uhr Lesedauer: 3 Minuten |
By the way: Ich verstehe bis heute nicht, wie man sich in die deutsche Gesellschaft integrieren soll. Schließlich ist die deutsche Gesellschaft selbst in sich nicht homogen (wenn Sie sich davon überzeugen wollen, dann fahren Sie doch einmal nach Berlin und unterstellen den Menschen vor Ort, die Berliner hätten exakt die gleichen Auffassungen und Einstellungen wie die Schwaben – also auch die Kehrwoche. Vermutlich werden Sie sich nicht allzu viele Freunde machen.) Sich in der immer wieder öffentlich geforderten Form in die deutsche Gesellschaft zu integrieren ist also nicht nur für Migranten schwierig, sondern verleugnet auch die bestehende Vielfalt Deutschlands, die unser Land erst richtig interessant macht. Daher muss sich aus meiner Sicht niemand in irgendetwas integrieren, wir müssen vielmehr einerseits soziale Probleme diskutieren und andererseits einen Dialog darüber führen, wie wir als aktive und engagierte Bürger dieses Landes unser Land bestmöglich und gemeinsam voranbringen können.
Aber zurück zu meinem eigentlichen Thema: Die Frage „Fühlst du dich eher deutsch oder eher türkisch?“ fordert aus meiner Sicht dazu auf, ein Ganzes in zwei Teile zu teilen und sich dann zwischen diesen zu entscheiden. Das ist jedoch nicht möglich. Schließlich sind wir Deutsch-Türken mit beiden Welten aufgewachsen und werden diese auch nicht einfach ablegen können. Deutsch-Türken sind rational-temperamentvoll, reflektiert-überstürzt und geordnet-chaotisch. Dies mag auf den ersten Blick paradox klingen, ist es aber nicht. In dem von Urs Fuhrer und Haci-Halil Uslucan herausgegebenen Buch „Familie, Akkulturation und Erziehung – Migrantenkinder zwischen Eigen- und Fremdkultur“ beschreibt letzterer, wie Migrantenkinder eine Art flexible Identität besitzen, die in der Lage ist, „,in vielen Traditionen zu Hause zu sein’ und ein flexibles Selbst zu entwickeln, das unterschiedlichen normativen Anforderungen gerecht werden kann“. Bikulturell aufgewachsene Menschen seien dabei in der Lage, ihre kulturelle Perspektive zu wechseln und je nach Situation und Kontext ein unabhängiges jedoch von beiden kulturellen Einflüssen geprägtes Selbst zu zeigen.
Diese flexiblen Identitäten sind aus meiner Sicht eben nicht eher deutsch oder eher türkisch, sondern deutsch-türkisch, ich würde sie sogar deutschtürkisch nennen. Denn selbst der Bindestrich suggeriert eine gewisse Trennung dieser beiden Seiten. Der Kabarettist Fatih Çevikkollu gab ein Interview für Mirza Odabasis Projekt „Zwischenkultur“ (welches sich mit einer ähnlichen Thematik beschäftigt wie diese Kolumne) und hielt fest: „Die Frage bist du Türke oder Deutscher kann nicht beantwortet werden. Und ich finde auch, die Frage zu stellen ist rassistisch. Weil, die Frage führt ja dann zu einer Entscheidung: Bist du grün oder blau“. Auch wenn ich selbst diese Frage nicht als rassistisch bezeichnen würde, so finde ich sie dennoch schwierig.
Denn: Zählt am Ende des Tages, ob man eine starke und dadurch interessante Identität besitzt, die einem auf dem Weg durch das ohnehin nicht einfache Leben hilft? Ja, das zählt. Zählt dabei ob man sich mehr deutsch oder türkisch fühlt? Nicht wirklich. Aktuell Meinung
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Ich empfehle das Buch „Prekäre Verhältnisse“ zu natio-ethno-kultureller Mehrfachzugehörigkeit von paul Mecheril!
Da geht es genau darum, dass es sich nicht ausschließen muss, sich SOWOHL als x ALS AUCH als y zu verstehen.
Lieber erdogan,
Und deiner Meinung nach hat jeder das recht von mir eine Antwort auf dieser Frage „bist du deutsch oder türkisch?“ zu verlangen?
Wie kommen denn Menschen dazu sich das Recht zu nehmen mich vor eine Entscheidung zu stellen?
Habt ihr euch schon einmal gefragt, warum dieses „Problem“ meistens nur (wir) Türken haben?
Die Frage sich selber zu stellen ist völlige absurd und ich habe Sie noch nie bon niemandem gestellt bekommen. Natürlich ist es wichtig zu wissen wer man ist doch 1.lernt man das spätestens in der Pubertät und 2.ist es doch viel Interessanter zu erfahren,wohin ein Mensch gehen will.
In keinem anderen Land wird so offen diskriminiert wie in der Türkei. Die erste Frage, die dir jeder Türke stellt, ist die Frage nach deiner Herkunftsstadt. Sie akzeptieren sich nicht einmal untereinander. Und als ob das nicht reicht, wird auch noch die Frage nach dem Glauben gestellt. Bist du ein Muslim…. Selbst die Kurden haben ständig mit den Türken zu kämpfen.
Ich finde es schade. Wir sollten uns „reich“ fühlen, denn wir haben das große Glück beide Kulturen zu kennen, zwei Sprachen und Glaubensrichtungen zu lernen. Wenn wir offen sind, dann haben wir viele Gaben und Chancen mehr als ein „Türke“ oder ein „Deutscher“.
Ich bin 17 Jahre alt und bin auch ein deutsch-Türke, ich wollte hier auch einfach mal meine Meinung kundtun. Und zwar stimme ich Migrantin vollkommen zu, ich kann nichts zu Lage in Amerika sagen, aber das sollte uns ja nicht wirklich interessieren.
Meiner Meinung nach sollte man immer, bevor man die Frage beantwortet vorher die Begriffe definieren, das mag zwar lästig sein, aber klärt glaub ich einiges, so findet man heraus ob der gegenüber wirklich Interesse an einem zeigt, oder ob der nur hören will, dass man sich als deutscher/Türke fühlt.
Deshalb gibt es auf diese Frage keine richtige Antwort, jeder muss sich seine Meinung selber bilden, dazu empfehle ich das Buch „kein schönes Land in dieser zeit“ von Mehmet Gürcan Daimagüler und die Austellung „Zwischenkultur“ von Mirza Odabasi (s. Youtube).
„In den USA bekommt man diese Frage nicht gestellt. Es geht nämlich nicht darum, ob man A oder B ist. Vielmehr geht es darum, dass JEDER Amerikaner werden kann. Und alle sind stolz darauf Amerikaner zu sein – unabhängig davon aus welchem Land sie stammen. Das eine hat mit dem anderen sehr viel zu tun. Integrationslogik.“
Ich kann diese Amerikavergleiche einfach nichts ausstehen, weil sie davon zeugen, dass die Menschen die dieses Beispiel vorbringen nicht die geringste Ahnung von der amerikanischen und von der europäischen Geschichte haben und nicht im geringsten auf die unterschiedlichen Kulturen eingehen. Es erinnert mich immer an Rosinenpickerei: „Ich will die Einwanderungspolitik der Amerikaner, den Wohlfahrtsstaat der Europäer und die Kultur aus meinem Herkunftsland!“
Von so etwas kann man träumen, aber zu glauben dass sowas Realität wird wäre einfach nur naiv und zeugt von einer unglaublichen Ignoranz gegenüber den Interessen der einzelnen Länder.
Ich kann nur mein Standardsatz wiederholen: Keiner wurde nach Deutschland verschleppt oder gezwungen nach Deutschland zu kommen, wenn man eines Tages bemerkt, dass es einem hier nicht so gut gefällt, dann steht man frei Deutschland in einer frei wählbaren Himmelsrichtung zu verlassen.Vorallem dann wenn man der Meinung ist die Deutschen wären rassistisch.
Es gibt ja auch Deutsche die kein Bock mehr auf Deutschland haben, weil sie bemerkt haben dass dieses Land sich nicht so verbiegen lässt, dass es ihnen irgendwann gefällt und sind dann nach Australien ausgewandert. Man sollte sich in seinem Leben nicht auf ein Land verkrampfen und die Einheimischen (und die Ausländer denen es gut hier gefällt) nicht mit andauernd neuen Ideen, wie man das Land Migrantenfreundlicher machen könnte nerven. Tut mir leid, aber wenn eine Minderheit versucht ein ganzes Land umzukrempeln, dann erinnert mich das immer an die Links- und Rechtsextremisten. Also kein gutes Zeichen!
Die berühmte Vielfalt, nicht nur in Deutschland,hat zwei Seiten, für die Mehrheitsgesellschaft und für den Einzelnen, der sich hier einen Platz erobern will.
Wer hier geboren ist, aber in einem nichtdeutschen familiären Umfeld aufwächst (aufgewachsen ist) hat sicher mehr Schwierigkeiten, sich in Deutschland heimisch zu fühlen. Seine Erziehung ist zum Teil von anderen Werten geprägt. Diesen Menschen zu fragen, welcher Nationalität fühlst du dich zugehörig, ist meiner Meinung nach unfair, wenn ich von diesem eine ehrliche Antwort erwarte.
Wenn ich mir vorstelle, ich müsste aus politischen Gründen Deutschland verlassen und z.B. in Afrika oder China mir ein neues Leben aufbauen, würde ich zwar in einem anderen Land leben, aber immer Deutsche bleiben.
Von einem Zugewanderten kann ich aber erwarten, dass er sich den Gepflogenheiten seiner Wahlheimat anpasst. Dazu gehört nicht nur, dass er sich den entsprechenden Gesetzen unterwirft sonder auch, dass er keine „Sonderbehandlung“ erwartet. Dann darf jeder, egal wo er geboren und aufgewachsen ist, sein was er möchte und auch ist, ein Mensch.
Pragmatikerin
„Von einem Zugewanderten kann ich aber erwarten, dass er sich den Gepflogenheiten seiner Wahlheimat anpasst.“
würde für deutsche Auswanderer in Spanien oder Thailand was genau bedeuten…? Ich denke, Ihr Wunsch ist naiv. Wir werden bald >10% Orientalen im Land haben, wir müssen damit leben und umgehen lernen. Und Lernen, dass diese Minderheit sich nicht den Gepflogenheiten des Gastgebers anpassen wird, anpassen kann, anpassen will. Zu Diskutieren gibts da eigentlich nichts mehr. Und unterm Strich ist das auch alles gar nicht so schlimm, wie es immer behauptet wird. Dann gibts eben diese Parallelgesellschaften, who cares?
@ Albrecht Hauptmann
Sie schrieben:
„würde für deutsche Auswanderer in Spanien oder Thailand was genau bedeuten…? “
Meiner Meinung nach kommt es doch sehr auf die Gründe an, warum jemand in einem fremden Land evtl. einen Neustart wagt, oder?
Wenn ich – für eine gewisse Zeit – nach Malle „auswandere“, hat das doch ganz andere Gründe und Voraussetzungen wie z.B. ein Flüchtling aus Afghanistan oder dem Iran oder aber ein Zuwanderer aus den Ostblockstaaten der nach Europa oder Deutschland kommt.
Alleine vom Finanziellen her, denn ich bringe meinen Lebensunterhalt als Geldleistung mit, der Flüchtling oder Zuwanderer muss sich erst eine Existenz aufbauen. Daraus resultiert auch, dass ich als „Einwanderin“ nach Malle die Landessprache nicht unbedingt brauche der Neubürger in Deutschland aber schon, oder?
Den Gepflogenheiten eines Landes muss sich jeder Einwanderer/Zuwanderer/Flüchtling immer anpassen, denn wie will er sich sonst zurechtfinden? Wie will er einem zukünftigen Arbeitgeber plausibel machen, ich will zwar arbeiten bei dir, aber ansonsten interessiert mich nichts?
Ich weiss es auch, dass es schon verfestigte Parallelgesellschaften gibt. Wenn aber jemand meint, er könnte seine ursprüngliche Heimat einfach mitnehmen und in ein anderes Land verpflanzen, der irrt. Die Mehrheitsgesellschaft wird gegen dieses Ansinnen immer protestieren, und ich meine auch, diese Menschen tun sich selbst keinen Gefallen, denn sie werden immer Fremde bleiben, egal wie lange sie in einem zugewanderten Land leben.
Pragmatikern
Die Einwanderer werden sich früher oder später assimilieren, aber nicht auf Druck und nicht in der momentanen Situation, die nach den völlig übertriebenen Multikultiträumen zu erwarten war.
Ich finde den aktuellen nationalen Trend auch nicht besonders toll, doch ist er im Grunde verständlich, denn es ist zumindest zum Teil auch eine Gegenwehr gegen eine Pseudotoleranz gewisser bürgerlicher Kreise, die sich schnell erledigt, wenn der …ich sags mal Türke….direkt nebenan wohnt,
Fühlst du dich mehr deutsch oder türkisch…sagt doch alles aus….nichts zu hören von europäisch oder weltbürgerlich…oder schlicht menschlich, das betrifft hier in DE wohl alle Bevölkerungsgruppen.
Tja…Heimat und Geborgenheit ist wohl kein zu unterschätzendes menschliches Bedürfniss!