Filmkritik

Iron Sky

In dem Science-Fiction-Trash-Spektakel „Iron Sky“ starten Nazis im Jahr 2018 von der dunklen Seite des Mondes einen weiteren Versuch, die Weltherrschaft an sich zu reißen. Zu einem Zeitpunkt wo, die nihilistische Vorstellung des Faschismus manche Zeitgenossen zu mörderischen Taten veranlasst, fragt der Film mit ironischem Unterton: Wohin schaust Du?

Von Alpay Yalçın Mittwoch, 11.04.2012, 8:26 Uhr|zuletzt aktualisiert: Sonntag, 29.06.2014, 18:43 Uhr Lesedauer: 3 Minuten  |  

Für manche Rezipienten hat der Film nichts Neues. Was soll schon neu sein an Nazis, die versuchen, die Weltherrschaft an sich zu reißen? Linke, wie Rechte verausgabten sich schon vor offiziellem Kino-Start in zahlreichen Kommentaren über den Film des finnischen Regisseurs Timo Vuorensola, der unter anderem von der deutschen Filmstiftung, aber auch zu ca. 10 % von einigen Tausend europäischen Bürgern via Crowd Founding mitfinanziert wurde. Teilweise wurden Kulissen gespendet, manche Spender durften als Statisten mitwirken.

Science-Fiction ist ein Genre, lange als trivial angesehen, welches bestehende Verhältnisse mittels sozio-technischer Übertreibung kritisieren will. Mit „1984“ von George Orwell, Huxleys „Schöne Neue Welt“, „Fahrenheit 451“ von Ray Bradbury, feierte die Gattung einen Triumphzug durch Literatur und auf Leinwänden. Ob diese Art der Kritik allerdings nur auf Technikkritik beruht ist zu bezweifeln. Außerirdische Invasoren und Marvel-Helden à la Captain America, feierten ihren Siegeszug nicht zufällig im Amerika der 20er und 30er des letzten Jahrhunderts. Die Hysterie, welche die Radio-Sendung „Krieg der Welten“ auslöste, passte in die damalige Angst vor einem Angriff der Nazis auf die USA. So übertrieben die Gattung die Zukunft darstellt, so wenig übertrieben scheint der Fingerzeig auf Figuren und Gruppen, welche die Weltherrschaft anstreben, vielleicht auch ausüben. Das Grundgerüst aller Science-Fiction sind perfekt durchstrukturierte Staats- und Herrschaftsgebilde, die dem Einzelnen kaum Luft zum Überleben lassen.

___STEADY_PAYWALL___

Iron Sky, und das ist vielleicht das einzig ironische an diesem Film, zeigt, wie zwei heuchlerische Systeme nach 78 Jahren wieder aufeinandertreffen. Damit kommen wir in den literaturwissenschaftlichen Diskurs über Utopien und Dystopien. Mit Philip K. Dicks „LSD-Astronauten“ stürzt der Horror einer Herrschaft über die individuelle Wahrnehmung über uns. Und die SWR-Produktion „Alpha 0.7 der Feind in dir“, bringt uns diese Angst direkt in den schwäbischen Alltag. Mit Heidegger fordern da manch aktuelle Philosophen, Gelassenheit zu bewahren.

Wenn also manche Rezensenten meinen, es sei nichts Neues, die Rolle des Menschenfeindes mit Nazis zu besetzen, dann ist zu fragen, ob wir mit dem Begriff Nazi nicht schon längst Anderes assoziieren, als eben Nationalsozialisten. Was wir damit wirklich meinen ist Misanthropie, abgrundtiefer Menschenhass. Und in dem Moment als Udo Kier mit seiner Reibeisenstimme das Hinwegfegen der Untermenschen von der Erde ankündigt, genau in diesem Moment setzt das Gedächtnis ein: Kenn ich das?

Was viele Kommentatoren aus den etablierten Medien nicht verstanden zu haben scheinen ist, dass Iron Sky – der Name sagt es – ironisch gemeint ist. Und wenn man Ironie ernst nimmt, bedeutet es das Gegenteil von dem zu sagen, was man meint. Dass es in der Nähe von San Diego ein ähnliches Gebäude (von der Navy als Unterkunft genutzt) wie die Hakenkreuz-Festung im Film gibt, wissen vermutlich die Wenigsten. Timothy Leary sprach in den Sechzigern von einer Unterwanderung Amerikas durch den guten Deutschen. Damit komme ich zum Fazit: Die Nazis sind weder im Himmel, noch auf der dunklen Seite des Mondes, sie sind hier unter uns. Und mögen die Nazis vom Mond trottelig, unbeholfen und veraltet daherkommen. Die auf der Erde sind es nicht. Aktuell Feuilleton

Zurück zur Startseite
MiGLETTER (mehr Informationen)

Verpasse nichts mehr. Bestelle jetzt den kostenlosen MiGAZIN-Newsletter:

UNTERSTÜTZE MiGAZIN! (mehr Informationen)

Wir informieren täglich über das Wichtigste zu Migration, Integration und Rassismus. Dafür wurde MiGAZIN mit dem Grimme Online Award ausgezeichnet. Unterstüzte diese Arbeit und verpasse nichts mehr: Werde jetzt Mitglied.

MiGGLIED WERDEN
Auch interessant
MiGDISKUTIEREN (Bitte die Netiquette beachten.)

  1. Anmerkung sagt:

    Tja, es liegt dann wie immer im Auge des Betrachters wer der Gute und der Böse ist. Gibt ja viele Leute die irgendetwas von der Erde tilgen wollen, ob es nun Untermenschen oder Ungläubige sind.

  2. Bachfischer sagt:

    „Mit „1984“ von George Orwell, Huxleys „Schöne Neue Welt“, „Fahrenheit 451“ von Ray Bradbury,“

    Seit wann sind diese allseits bekannten Dystopien als Science-Fiction einzuordnen?

  3. Alpay Yalcin sagt:

    Bachfischer: Sie dürfen gerne die von Ihnen genannten Werke auf youtube eingeben….es gibt vielfach einen Querverweis zu Science-Fiction…ich nutze den Begriff auch ausserhalb seines bisher genutzten Rahmens…Ich tu das so…Sie dürfen mich gerne widerlegen

    Anmerkung: Lassen Sie uns darin einig sein ;)