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Lame duck Geert Wilders

Hero Brinkman kehrt Geert Wilders nach über 5 Jahren den Rücken. Der Polizist aus Almelo verlässt nach eigenen Angaben die PVV-Fraktion, weil es ihm nicht gelungen ist, die rechtspopulistische Ein-Mann-Bewegung zu demokratisieren. Wilders ist damit seinen Status als Mehrheitsbeschaffer für das Kabinett Rutte-Verhagen los.

Von André Krause Mittwoch, 11.04.2012, 8:26 Uhr|zuletzt aktualisiert: Freitag, 13.04.2012, 8:12 Uhr Lesedauer: 3 Minuten  |  

Hero Brinkman gab am 20. März 2012 eine denkwürdige, gut 20-minütige Pressekonferenz in Den Haag. Der erste prominente PVV-Dissident, ein Wilders-Jünger der ersten Stunde, genoss den Rummel um seine Person sichtlich.

Brinkman bedauerte vor laufenden Kameras das Scheitern des von ihm angestrebten Demokratisierungsprozesses innerhalb des Tolerierungspartners des VVD-CDA-Kabinetts. Es war ihm nicht gelungen, die PVV zu einer klassischen Partei mit Mitgliedern umzuformen. Die mögliche Gründung einer Jugendorganisation war ebenfalls an Wilders‘ Veto zerschellt. Scheinbar überwiegt bis zum heutigen Tage die Furcht, Menschen an der Basis anzuziehen, mit denen man in den Niederlanden lieber nicht gesehen werden möchte. Dann lieber ein übersichtlicher, autokratischer Ein-Mann-Betrieb. Von den Sympathisanten, die vor allem im Netz Gift und Galle spucken, kann man sich leichter distanzieren.

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Noch bemerkenswerte mutet aber der Umstand an, dass Brinkman sich auch deutlich von der Politik der PVV distanzierte. Menschen würden seiner Meinung nach zu leicht abgestempelt. Der Islam sei zwar eine rückständige Ideologie, aber es gäbe sehr wohl viele Moslems, die assimiliert seien. Allerdings fühlten sich auch diese Moslems von der PVV wie Bürger zweiter Klasse behandelt. Auch die zentrale Meldestelle für „problematische“ Mittel- und Osteuropäer stellte Brinkman plötzlich an den Pranger: Der neueste, europaweit für Aufruhr sorgende Geistesblitz der PVV würde dazu führen, dass Polen oder Rumänen pauschal als Kriminelle dargestellt werden. Der Dissident betonte, sich innerhalb der Fraktion darüber erfolglos beklagt zu haben. Niemand war bereit, ihn öffentlich zu unterstützen. So viel zur „offenen Diskussionskultur“ und dem Credo „Sagen, was Sache ist“. Der Populismus bleibt ein rätselhaftes Phänomen…

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Brinkman, der ebenso wie Geert Wilders anno 2004 künftig als Ein-Mann-Fraktion weitermacht, stürzt die PVV damit in eine ernst zu nehmende Krise. Die Umfragewerte sind gegenwärtig ohnehin nicht sonderlich berauschend. Das Meinungsforschungsinstitut Ipsos Synovate maß zwei Tage nach Brinkmans Abgang nur noch 21 Sitze. Das sind virtuell drei weniger als in der aktuellen Zweiten Kammer. Meinungsforscher Maurice de Hond stellte am 22. März 2012 fest, dass immerhin 7 % der PVV-Wähler eine eigenständige „Lijst Hero Brinkman“ unterstützen würden. Da Brinkman nun sehr oft im Scheinwerferlicht stehen wird, könnten es bald noch mehr werden. Doch das ist aus der Sicht der PVV nur halb so schlimm.

Geert Wilders ist nämlich zur Lame duck mutiert. Mit Brinkman verliert die „rechte politische Zusammenarbeit“ zwischen VVD, CDA und PVV ihre Mehrheit von 76 Sitzen. 75 von 150 Sitzen reichen nicht aus, um Gesetze zu verabschieden. Dazu muss Ministerpräsident Mark Rutte nun bei der orthodox-protestantischen Splitterpartei SGP anklopfen. Eine Partei, die Frauen intern das passive Wahlrecht untersagt und radikal homophob ist. Wilders‘ Rolle ist zwar nicht ausgespielt, aber weitaus weniger gewichtig geworden. Bei den aktuellen Verhandlungen zwischen den Koalitions- bzw. Tolerierungspartnern, bei denen es um drastische Einsparmaßnahmen geht, ist die Position des ehemaligen Mehrheitsbeschaffers auf jeden Fall eindeutig geschwächt. Nun ist plötzlich Brinkman unter Umständen das Zünglein an der Waage. Und der Polizist ist ebenso eitel wie unberechenbar.

Und es droht neuer Ärger. Hero Brinkman hat nämlich angekündigt, ein Buch zu veröffentlichen, in dem er erstmals einen Blick hinter die Kulissen der Anti-Islam-Gruppierung gewährt. Vielleicht enthüllt er darin auch einige pikante Details über die ausländischen Geldgeber der Rechtspopulisten. Es ist mehr als spekulativ anzunehmen, dass die Debatte einer „programmatischen Fremdsteuerung“ aus dem Ausland wieder aufflammen wird. Welche Interessen vertritt Wilders am Binnenhof eigentlich? Und: Wie demokratisch sind die ominösen Geldgeber? Wie viele radikale Islam-Hasser aus aller Welt finanzieren PVV-Wahlkämpfe?

Wie auch immer: Dank Brinkman ist Wilders‘ PVV entzaubert. Das einstige geschlossene Bollwerk, an dem alle Angriffe von außen immerzu abprallten, zeigt erste Risse. Ob es dem gesellschaftlichen Klima im Lande nutzt, bleibt abzuwarten. Eigentlich war es zuletzt bereits recht still um Wilders und das Thema „Islam“ geworden. Es gibt derzeit ja auch wichtigere Herausforderungen zu bewältigen. Man denke an die Euro-Krise, die Staatsverschuldung und die Krise auf dem Immobilienmarkt. Aktuell Meinung

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