Italien

Drama in vier Akten

Der letzte Vorhang ist gefallen - zumindest für den Protagonisten des vieraktigen Dramas in der Rolle des Ministerpräsidenten. Dabei waren vor allem die letzten Sequenzen des Stücks reich an Kabale und Liebe, aber eher rar an politischen Maßnahmen.

Von Montag, 14.11.2011, 8:26 Uhr|zuletzt aktualisiert: Donnerstag, 17.11.2011, 1:08 Uhr Lesedauer: 3 Minuten  |  

Die Rücktrittsankündigungen der vergangenen Woche verursachten eine Verschärfung des italienischen Anleihenmarktes, an dem die Rendite für Staatsanleihen mit einer Laufzeit von zehn Jahren die kritische Sieben-Prozent-Marke passiert hatte. Wie schon zum Eintritt in die Eurozone werden wieder straffe Sparmaßnahmen gerade im Bereich der staatlichen Unterstützung zur Wiederherstellung der Stabilität der Staatsfinanzen beitragen müssen.

Rücktritt
Insbesondere Ältere und jene, deren Lebensumstände bereits heute fern der Vorstellungen des „dolce vitas“ liegen, werden am stärksten unter den zukünftigen Einschnitten leiden. Seit der offiziellen Rücktrittserklärung Berlusconis am Samstagabend, lief die fiebrige Suche nach einem Chef der Übergansregierung. Dass Mario Monti, der ehemalige EU-Kommissar, mit der Regierungsbildung durch den Staatspräsidenten Giorgio Napolitano betraut werden würde, erschien bereits im Vorhinein sehr wahrscheinlich. Sein geplantes Expertenkabinett – bestehend aus renommierten Universitätsprofessoren und Finanzexperten – wird von einer großen parlamentarischen Mehrheit getragen. Selbst Angelino Alfano, Generalsekretär des PDL, die weiterhin die am zahlreichsten vertretene Parlamentspartei darstellt, erklärt seine Unterstützung der neuen Regierungsbildung, allerdings unter der Voraussetzung bestimmter Bedingungen. Als Prämissen nannte er die zeitliche Begrenztheit der Regierung, die inhaltliche Festlegung ihres Agierens auf die von der EU geforderten und verabschiedeten Reformen.

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Kurze Zeit nach dem Bekanntwerden der Ernennung Mario Montis, ließ es sich der aus dem Amt entlassene Silvio Berlusconi nicht nehmen, ganz seinem Stil getreu, wie zum Auftakt seiner politischen Karriere, auch an dem vorersten Ende seiner Regierungstätigkeit sich mit einer Fernsehbotschaft in den Abendnachrichten an seine italienischen Mitbürger zu wenden.

Berlusconi lobt sich selbst
Lobend hob er zu allererst die Regierungsleistung seiner Koalition hervor, die stets lediglich das Wohl Italiens verfolgt habe. In Rekordzeit sei das für das Zurückerlangen der Finanzstabilität notwendige Reformpacket aufgestellt und verabschiedet worden. Dass er augenblicklich die Bedeutung und die Notwendigkeit der Reformen akzentuiert, ändert nichts an der Tatsache, dass er als Unternehmer eines Wirtschaftsimperiums, der Holding Fininvest, versucht sein wird, die sicherlich einschneidenden Maßnahmen von seinen Unternehmungen möglichst fern zu halten. Mehr als 50 Prozent der erwarteten Reformen der EU finden ihre Berücksichtigung in dem Reformpacket, zu dessen Verabschiedung entscheidend seine Parlamentsmehrheit beigetragen hat. Die letzte positive Erinnerung möchte er sich damit gesichert haben.

Wie versprochen, tritt der ehrenhafte Cavaliere nun seinen Rücktritt an, der nur aus Verantwortungs-bewusstsein und zum Schutze Italiens vor weiteren Attacken der Finanzmärkte geschieht. Auch wenn für ihn im Land keine politische Alternative ersichtlich ist, so erkenne er doch die Entscheidung des Staatspräsidenten an. Beinahe polemisch fügte er an, dass er schließlich nie ohne Vertrauen der Parlamentsmehrheit regiert habe. Italien habe erst dank seiner Koalitionen Regierungsstabilität und Alternanz kennengelernt, eine Aussage, die trauriger Weise der Wahrheit entspricht. Schließlich rezipierte er aus seiner 1994 an die Italiener gerichteten emotionsreichen Videobotschaft zu seiner Parlamentswahl-kandidatur, um abschließend ausdrücklich die beabsichtigte Verdopplung seiner Tatkraft im Parlament und in den Institutionen für die Modernisierung Italiens zu betonen. Damit werden jegliche Hoffnungen derjenigen begraben, die mit einem vollständigen Rückzug Berlusconis von der politischen Bühne rechneten, denn seine Position als Parteivorsitzender des PDL und seine Rolle als Abgeordneter behält er bis auf Weiteres bei.

Kein politisches Ende
Auch die letzten Momente der Bühnenpräsenz als Ministerpräsident schieden wie gewohnt die Nation. Während gestern Abend Roms Straßen und Plätze vornehmlich von jungen Leuten gefüllt waren, die seinen Rücktrittserklärung so frenetisch wie den Sieg der Fußballnationalmannschaft feierten, versammelten sich heute zu Hunderten seine Anhänger für eine Pro-Berlusconi-Demonstration vor den Fenstern seiner römischen Privatadresse. Sie skandierten Slogans gegen die ihrer Meinung nach illegitime Einsetzung der Übergangsregierung.

Auch wenn er nun die Hauptrolle abgeben musste, so wird die Figur Silvio Berlusconi nicht nur die Italiener weiterhin aus dem vermeidlichen Hintergrund beschäftigen. Seine weitere politische Einflussnahme wird neben seinen Medienkonzern entscheidend von seiner Fähigkeit geprägt sein, inwieweit er seine innerparteiliche Position und die parlamentarische Mehrheit aufrechterhalten kann. Aktuell Ausland

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