Referendum in Italien

Das Ende des „Berlusconismo“ naht

Konnte man die Flüchtlingskrise noch als ein an die italienische Regierung herangetragenes Problem deuten und die Kommunalwahlen wohlwollend als vorübergehende Flaute bezeichnen, spricht das Ergebnis des Referendums eine andere Sprache.

Von Freitag, 17.06.2011, 8:26 Uhr|zuletzt aktualisiert: Mittwoch, 22.06.2011, 1:48 Uhr Lesedauer: 3 Minuten  |  

Vor rund vier Wochen flatterten mit vier sympathisch farbigen Zetteln gefüllte Briefumschläge auch in einige deutsche Haushalte. Denn anders als noch bei der Kommunalwahl Ende Mai, die sich an rund 13 Millionen Italiener wandte, handelte es sich hierbei um die Aufforderung zur Wahlbeteiligung aller Italiener, auch jener im Ausland lebenden. Es galt über Referenden zur Teilprivatisierung der Wasserversorgung, für die Investierung in die Atomkraft und der strafrechtlichen Immunität von Regierungsmitgliedern am 12. und 13. Juni abzustimmen.

Keine Kernenergie
Die Mindestwahlbeteiligung von 50 Prozent der Wahlberechtigten wurde erzielt und für alle vier Fragen erfolgte eine mehr als deutliche Absage mit rund 95 Prozent. Sicherlich ist die Entscheidung gegen die finanzielle Unterstützung von Bauprojekten neuer Atomkraftwerke in Frankreich unter dem Einfluss der jüngsten Vergangenheit zu sehen. Gleichzeitig stellt sie auch eine neuerliche Unterstreichung der bereits 1987 mittels eines Referendums geäußerten Ablehnung der Kernenergie im eigenen Land dar. Kurz danach wurden die vorhandenen Reaktoren still gelegt und Italien bezog seitdem zu 75 Prozent kostenintensive Energie aus Frankreich.

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Da die Referenden von der Opposition initiiert wurden, namentlich von Antonio di Pietro von Italien der Werte, kündigte Berlusconi sein Fernbleiben bereits im Vorfeld an und rief seine Getreuen dazu auf, ihm das gleichzutun und die Volksabstimmung zu boykottieren.

Was sagt dies eigentlich über den Zustand einer Demokratie aus, wenn ihr eigener Regierungschef das Wahlvolk anhält, nicht Gebrauch einer fundamentalen Eigenschaft des demokratischen Gefüges zu machen?

Dieser Vorgabe erteilten jedoch sogar, oder sollte man vielleicht sagen, Gott sei gedankt, einige Regierungsmitglieder eine Absage und nahmen an der Abstimmung teil, wie 57 Prozent der Italiener.

Schlappe für die Regierung
In einigen Regionen betrug die Teilnahme sogar rund 70 Prozent, was ein deutliches Indiz dafür ist, dass auch Berlusconi-Getreue sich beteiligt haben. Zwar könnte man der Argumentationsweise Berlusconis folgen und dies als eine Abstimmung über konkrete Politikfragen betrachten und weniger als eine Abstrafung seiner Regierung. Dieser Logik widerspricht jedoch vor allem die zur Abstimmung gestellte Frage über das legitimierte Fernbleiben bei gerichtlichen Verhandlungen von Mitgliedern der Regierung, die ebenfalls mit mehr als 95 Prozent abgelehnt wurde.

Somit muss sich der Cavaliere innerhalb von zwei Wochen die zweite Fehleinschätzung und die daraus folgende Schlappe eingestehen. In diesem Ton erklang auch die Stellungnahme, die er über seinen Parteisprecher nach der Bekanntgabe der Ergebnisse verkünden ließ. Dabei rückte der Wählerwille deutlich in den Vordergrund, denn wenn dieser ertöne, könne man nur schweigen, zuhören, respektieren und dementsprechend handeln. Dies fasste er für sich als neuen Handlungsauftrag auf.

Das finale Ende für Berlusconi?
Doch diese Einsicht genügt selbst seinen Regierungsmitgliedern nicht. So fasste Roberto Calderoni, Minister für die Vereinfachung in der Gesetzgebung, den Unmut der Regierungspartner treffend mit dem Bild der zweiten Ohrfeige zusammen. Wie das Sprichwort der dreifachen guten Dinge besagt, könnte der finale Schlag gegen Berlusconi am 22. Juni ereilen. Denn an diesem Datum wird er sich der Vertrauensfrage im Parlament stellen müssen. Im Zuge dieses Prozesses fordert der Koalitionspartner Lega Nord, die Darlegung konkreter Regierungsvorhaben für die verbleibende Zeit der aktuellen Legislaturperiode.

Ganz zu schweigen von der Opposition, die das Ergebnis klar zu ihren eigenen Gunsten deutet und als eine Abkehr der Italiener von ihrem Ministerpräsidenten interpretiert und in der Konsequenz seinen Rücktritt sowie Neuwahlen fordert.

Dass sich Berlusconi langsam aber sicher dem heraufziehenden Unwetter nicht mehr entziehen kann, dafür spricht die allseits geteilte Wahrnehmung seiner Lage. Denn selbst die katholische Kirche verließ ihre gewohnte neutrale Position und titulierte die Abstimmungsergebnisse als Ohrfeigenmaschine. Die stets Stimmen einbringende rhetorische Seifenblase scheint zerplatzt zu sein. Folgenschwer hat er in kurzer Zeit die Wählerstimmung fehlinterpretiert. Die Anhänger der Linken sprechen gar von einem Erwachen des italienischen Volkes und fragen nur noch nach dem “wann“ und nicht mehr nach dem “ob“ seines Sturzes. Aktuell Ausland

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