Bundestag-Gutachten

Deutschland missachtet Visafreiheit und zahlreiche weitere Rechte türkischer Staatsbürger

Ein Gutachten des Wissenschaftlichen Dienstes des Bundestages kommt zu dem Ergebnis, dass die Visumspflicht für Türken rechtswidrig ist. Das Gleiche gilt auch für die Verpflichtungen zu Integrationskursen oder die Beschränkungen des Ehegattennachzugs.

Freitag, 08.07.2011, 8:30 Uhr|zuletzt aktualisiert: Montag, 24.10.2011, 14:02 Uhr Lesedauer: 4 Minuten  |  

„Es ist pure Heuchelei, wenn die Bundesregierung von Migranten ständig die Beachtung der Rechtsordnung einfordert, selbst aber europäisches Recht aus politischem Kalkül bewusst missachtet“, kommentiert Sevim Dagdelen, migrationspolitische Sprecherin der Linksfraktion, ein von ihr in Auftrag gegebenes Gutachten des Wissenschaftlichen Dienstes des Deutschen Bundestages zu den Rechten türkischer Staatsangehöriger.

Die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestags sind parteiübergreifend und Teil der Abteilung Wissenschaft und Außenbeziehungen. Zu ihnen gehören 11 Fachbereiche, die die Abgeordneten bei ihrer politischen Arbeit in Parlament und Wahlkreis durch Fachinformationen sowie Analysen und gutachterliche Stellungnahmen unterstützen.

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Auch für Deutschland verbindliches Abkommen
Das bisher nicht veröffentlichte und dem MiGAZIN vorliegende Gutachten befasst sich mit zahlreichen Rechtsfragen und kommt zu Ergebnissen, die der Bundesregierung nicht gefallen dürften: Türkische Staatsbürger unterliegen keiner Visumspflicht. Außerdem verstoßen zahlreiche Vorschriften des Aufenthaltsgesetzes und insbesondere Gesetzesverschärfungen, die unter der Federführung von Schwarz-Gelb entstanden sind, gegen höherrangiges Recht und sind auf türkische Staatsbürger nicht anwendbar.

Diese Rechte ergeben sich aus dem Assoziierungsabkommen zwischen der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft mit der Türkei, die bereits im Jahre 1963 geschlossen wurde. „Ein Assoziierungsabkommen ist die umfassendste und intensivste Form einer Zusammenarbeit der Europäischen Union (EU) mit Drittstaaten“, heißt es dazu im Gutachten. Die Regelungen des Assoziationsrechts haben „Vorrang und entfalten in den Mitgliedsstaaten eine unmittelbare Wirkung. Der nationale Gesetzgeber ist zur Umsetzung der Regelungen des Assoziationsrechts verpflichtet.“

Stillhalteklausel
Die Ziele des Assoziierungsabkommens sind die Verstärkung der Handels- und Wirtschaftsbeziehungen, unter anderem durch die schrittweise Errichtung einer Zollunion, und letztlich der Beitritt der Türkei zur Gemeinschaft. Dieses Abkommen wurde in den Folgejahren durch mehrere Zusatzprotokolle und Beschlüsse untermauert und konkretisiert.

Von besonderer Bedeutung sind dabei die Stillhalteklauseln, die 1980 Gegenstand des Vertrages wurden. Danach dürfen die Vertragsparteien untereinander keine neuen Beschränkungen der Niederlassungsfreiheit und des freien Dienstleistungsverkehrs einführen. Ebenso darf der Zugang zum Arbeitsmarkt für Arbeitnehmer und ihre Familienangehörigen nicht eingeschränkt werden. Damit konservieren die Stillhalteklauseln den Rechtszustand, der zum Zeitpunkt des Abschlusses des Vertrags gültig war. Dabei gilt das Günstigkeitsprinzip: Veränderungen der Rechtslage zugunsten eines Betroffenen sind möglich, nachteilige Veränderungen nicht.

Visumpflicht
So auch bei der Visumpflicht für türkische Staatsbürger. Laut Gutachten des Wissenschaftlichen Dienstes des Bundestages erfasst die Stillhalteklausel sowohl die aktive als auch die passive Dienstleistungsfreiheit und erfasst somit „vor allem Touristen“.

MiG-Dossier: Rechtsprechung, Einzelheiten, Hintergründe und die Politik der Bundesregierung zur Thematik im MiG-Dossier „Visumsfreiheit für Türken„.

„Durch die Entscheidungen [des Europäischen Gerichtshofs (EuGH)] … dürfte daher endgültig geklärt sein, dass türkische Staatsangehörige visumsfrei in das Bundesgebiet einreisen und sich ohne Aufenthaltstitel dort aufhalten dürfen“, so das eindeutige Fazit der Gutachter.

Laut Dagdelen bestätigt das Gutachten „eine in der Fachwelt mehrheitlich verbreitete Rechtsauffassung, wonach zahlreiche Gesetzesverschärfungen im Aufenthaltsrecht der vergangenen Jahre auf die Hauptbetroffenengruppe der türkischen Staatsangehörigen nicht anwendbar sind“.

Integrationskurse, Ehegattennachzug, Aufenthaltsbeendigung
Denn auch der jüngst mit den Stimmen von Schwarz-Gelb beschlossenen „Gesetzentwurf zur Bekämpfung der Zwangsheirat“ ist laut Gutachten „wohl nicht mit der Stillhalteklausel des Art. 13 ARB Nr. 1/80 vereinbar.“ Das Gesetz sieht vor, dass eine Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis jeweils auf höchstens ein Jahr befristet werden soll, wenn der Ausländer zur Teilnahme an einem Integrationskurs verpflichtet ist, diesen aber noch nicht erfolgreich abgeschlossen hat.

Einen weiteren Vertragsbruch begeht Deutschland laut Gutachten auch mit den Beschränkungen zum Familiennachzug. Seit 2007 müssen nachzugswillige Ehegatten vor der Einreise nachweisen, dass sie sich auf einfache Art in deutscher Sprache verständigen können. „In Fortführung der Argumentation des EuGH ist diese Regelung wohl nicht mit der Stillhalteklausel vereinbar. …. Gleiches gilt wohl für die Festlegung eines Mindestalters (18 Jahre)“, so der Wissenschaftliche Dienst.

In diesem Zusammenhang verkommt auch die Erhöhung der Mindestehebestandszeit für ein eigenständiges Aufenthaltsrecht des Ehepartners von zwei auf drei Jahre für türkische Staatsbürger zur Makulatur. Auch diese Neuregelung ist „wohl nicht mit dem Assoziationsrecht vereinbar und als neue Beschränkung im Sinne des Art. 13 ARB 1/80 zu werten“, so das Fazit des Wissenschaftlichen Dienstes.

Schließlich, so die Gutachter, ergeben sich aus dem Stillhalteklausel auch Auswirkungen auf aufenthaltsbeendigende Maßnahmen durch Ausweisungen. Hier gelte § 10 des Ausländergesetzes aus dem Jahre 1965. Damals war eine Ausweisung in keinem Fall zwingend und erforderte stets eine umfassende Prüfung des konkreten Einzelfalls. Insbesondere die 1990 eingeführte Ist- bzw. Regelausweisung sei jedoch eine Verschlechterung der Rechtslage.

Europarecht umsetzen
Dagdelen fordert die Bundesregierung auf, ihre „jahrzehntelange Hinhalte- und Verweigerungstaktik“ zu beenden und im Umgang mit türkischen Migranten EU-Recht uneingeschränkt umsetzen. „Das wäre auch eine gute Nachricht zum 50. Jahrestag der Unterzeichnung des deutsch-türkischen Anwerbeabkommens“, so die Linkspolitikerin.

Nach dem, was die Bundesregierung aber bisher zum Thema veröffentlicht hat, ist das eher unwahrscheinlich. In zahlreichen parlamentarischen Anfragen wich sie Fragen aus, beantwortete sie unzureichend oder gar nicht.

Hoffnung macht da allenfalls eine Vorlage des Oberverwaltungsgerichts Berlin vom April 2011 beim EuGH. Das Gericht möchte wissen, ob türkische Staatsbürger zu touristischen bzw. Besuchszwecken ohne Visum in die Bundesrepublik einreisen dürfen. Sollte die Antwort des EuGH der bisherigen Rechtsprechung entsprechend ausfallen, dürfte die Bundesregierung in schwere Erklärungsnot geraten. (bk)
Leitartikel Recht

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  1. Europa sagt:

    Vielleicht sollte man weniger darauf achten ob es rechtmässig ist was die Bundesreigerung gemacht hat, sondern warum es gemacht wurde! Höchstwahrscheinlich geht die Regierung von einem massiven Missbrauch aus, ähnlich wie es auch mit verschiedenen Ländern aufm Balkan passiert ist. Da hat man die Visafreiheit auch wieder aufgehoben, nachdem sie in kraft getreten ist und ich glaube nicht dass der Grossteil der Türken ehrlicher ist als einer vom Balkan.

    Es gibt sehr gute Gründe dafür, warum es keine Visafreiheit für die Türkei oder Russland gibt. Die werden aber bei Migazin ganz einfach unter den Teppich gekehrt und man verkrampft sich total auf irgendwelche Rechtssprechungen. Man muss die Probleme an der Wurzel packen und das ist nunmal ganz klar die Tatsache, dass man als Deutscher allen Grund dazu hat, den Menschen aus dieser Region nicht zu vertrauen, da man in den letzten Jahren nicht viele gute Erfahrungen mit solchen Ländern gemacht hat.
    Soweit ich weiss sind die Türken und die Türkei nicht unbedingt Europafreundlich (laut den letzten Umfragen) und deshalb glaube ich dass Europa gut auf die Visafreiheit für die Türkei verzichten kann. Vorallem wäre es nur für die Türken eine Verbesserung. Die Deutschen gewinnen mal wieder gar nichts!

    • Leo Brux sagt:

      Europa,
      diese Antwort hat „klassische“ Qualität.

      1. Wir Bürger sollten Ihrer Meinung nach nicht so sehr darauf achten, dass sich der Staat bei seinem Handeln ans Recht hält – nein, vorrangig ist, dass seine Handlungsgründe stimmen – wenn die stimmen, dann darf der Staat auch rechtswidrig vorgehen.

      2. Es soll massiven Missbrauch geben – darum braucht sich der Staat nicht an den Vertrag zu halten, den er geschlossen hat. (Andere müssen sich an Verträge halten, WIR nicht.)

      3. Europa glaubt nicht, dass der Großteil der Türken ehrlicher ist als einer vom Balkan … (Anders ausgedrückt: „Ihr Türken, ihr seid doch fast alle Lügner, genauso wie die Leute vom Balkan auch alle!“)

      4. Als Deutscher hat man – sagt Europa – Grund, den Menschen aus der Türkei oder Russland zu misstrauen. – Warum? Warum so ein pauschales Urteil?

      5. „Europa“ findet die Türken nicht unbedingt europafreundlich. DESHALB könne man gut auf die Visafreiheit für die Türkei verzichten. Einmal abgesehen davon, dass die Menschen in der Türkei die Art nicht besonders schätzen, wie man in Deutschland und einigen anderen Ländern ihren Wunsch nach EU-Mitgliedschaft behandelt hat und dass sie deshalb in dieser Sache zurückhaltender geworden sind – was hat die Meinung der Leute mit der Frage der Visumsfreiheit zu tun? Sollten die Griechen das Gefühl haben, die Deutschen würden schlecht von ihnen denken – wäre das ein Grund für die Griechen, von Deutschen wieder ein Visum zu verlangen?

      6. Die Deutschen gewinnen dadurch nichts, sagt Europa. Wirklich nicht? Das Wiederherstellen der Rechtsstaatlichkeit in einem Punkt, an dem sie verfehlt wird, wär schon ein Gewinn. Zunehmende Kontakte zwischen Menschen, Institutionen und Betrieben zwischen der Türkei und Deutschland lassen einige in Deutschland gewinnen. Und warum sollte ich mich als Deutscher nicht freuen, wenn es für türkische Geschäftsleute und Touristen und Verwandtenbesucher leichter wird, nach Deutschland zu kommen?

      Resümee: Stellen wir uns vor, Deutschland würde Innen- und Außenpolitik auf der „argumentativen“ Grundlage des Textes von „Europa“ machen … Der Rechtsstaat würde ersetzt durch das „gesunde Rechtsempfinden“ des Volkes, das Land würde sich gegen die Außenwelt immer mehr abschotten, denn auch Außenpolitik würde sich ganz am „gesunden Volksempfinden“ gegenüber anderen Nationen orientieren.

      Etwas ähnliches hatten wir schon mal.

  2. Werner sagt:

    > Deutschland missachtet Visafreiheit und zahlreiche weitere
    > Rechte türkischer Staatsbürger

    Ein echter Migazin-Artikel. Eine Hetzüberschrift. Meinung als Information verpackt. Das Gutachten ist noch garnicht veröffentlicht, aber man kann schonmal Stimmung machen.

    Und es gelingt – wie einige Reaktionen hier zeigen.

    Das Assoziationsabkommen, ich lach mich schlapp. Daß die Türkei nicht näher an Europa herangerückt ist, liegt einzig an der Türkei! So wie Griechenland hätte auch die Türkei lange vor dem Fall der Berliner Mauer der EU beitreten können. Aber man wollte nicht von Europa „vereinnahmt“ werden. Wie übrigens auch heute.

    Tja, und jetzt sieht man, wie zuerst Deutschland und dann auch Europa wieder zusammenwächst. Der Zug ist in Bewegung und die Türkei weiß eigentlich noch immer nicht, ob sie aufspringen soll.

    Sollte das Gutachten wirklich zu dem Ergebnis kommen, dass die heutige Visa-Praxis mit dem Assoziationsabkommen nicht vereinbar ist, dann müßte als Konsequenz die Türkei ihre zugesagten Bemühungen verstärken und nicht über U-Boote wie Frau Dagdelen in Migazin Stimmung machen.

    Die Türkei benötigt biometrische Pässe, wir brauchen ein Rücknahmeabkommen und die türkische Regierung muß endlich die alleinige Hoheit über ihre Grenzen bekommen!

    Beim Assoziationsabkommen geht es um wirtschaftlichen Austausch – und nicht um Menschenhandel, wie die Türkei ihn betreibt.

    • Leo Brux sagt:

      Werner,
      der Titel gibt präzise wieder, was das Gutachten feststellt. Haben Sie den Artikel nicht gelesen?

      Zu anderen Punkten Ihrer Polemik:
      – Die Türkei hätte vor 1990 nicht in die EU aufgenommen werden können, auch wenn sie es gewollt hätte.
      – Ob im Moment Europa „wieder zusammen wächst“, da hab ich so meine Zweifel. Die momentane europäische Finanzkrise wirkt außerdem nicht gerade EU-motivierend auf die seit 10 Jahren boomende Türkei.
      – Inwiefern ist Dagdelen ein U-Boot der AKP-Regierung? Ich schätze, sie würde eher zur Opposition gehören, falls sie sich in der Türkei politisch positionieren wollte.
      – Ist nicht das Rücknaheabkommen schon geschlossen worden?
      – Zum wirtschaftlichen Austausch gehören freie Reisebeziehungen, sowohl für Geschäftsleute als auch für Touristen.
      – Inwiefern betreibt die Türkei Ihrer Meinung nach Menschenhandel?

  3. hannibal sagt:

    Das Rücknahmeabkommen wurde bisher von der Türkei NICHT unterzeichnet. Warum ? Weil man es als Erpressungsmittel nutzt.

  4. gedanke sagt:

    Was die Türken auch immer tun, es ist erpressung, dabei spielt es keine Rolle ob geltendes Recht mißachtet wird.Es sei den der Mißachtende ist die Türkei,somit sieht die Sache anders aus.
    Es werden Staatsverträge geschlossen um sie wieder zu Kündigen,warum sollten vertzräge dann überhaupt erst gechlossen werden.
    Es geht hier nicht um das Bleiberecht sondern um 3 monate Visafreies Bummeln durch Europa,ein Recht das die Deustchen mehrmals im Jahr in Anspruch nehmen.
    Wer sein Image als Demokratisches Land so in den vordergrund stellt,hat sicher etwas zu verbergen.

  5. Europa sagt:

    @Leo Brux
    Ich weiss eigentlich gar nicht wo ich anfangen soll, da ihr Kommentar wie ein unkontrollierter Wutausbruch rüber kommt.

    1. Ich bin nicht der deutsche Staat und ich vertrete ihn auch nicht und mein Meinungen repräsentieren nur mich und nicht das deutsche Volk.

    2.“Als Deutscher hat man – sagt Europa – Grund, den Menschen aus der Türkei oder Russland zu misstrauen. – Warum? Warum so ein pauschales Urteil? “
    Vielleicht sollte man sich überhaupt mal die Frage stellen, warum die Menschen auf diesem Planeten nicht alle dort hingehen können, wo sie hinwollen!???
    Ich kanns ihnen sagen, das hat was mit Sicherheit und Steuergeld zu tun und auch wenn sie Herr Brux, das finanzielle immer wieder unter den Teppich kehren wollen, so ist es doch der Hauptgrund, warum man in Deutschland ein grosses Interesse daran hat, den Menschen aus der Türkei jedes mögliche Schlupfloch unmöglich zu machen bzw. zu erschweren.
    Stellen sie sich doch mal selbst die Frage warum die Türken vor den Russen Visafreiheit erhalten sollten. Ich seh da überhaupt kein Unterschied.

  6. Werner sagt:

    > der Titel gibt präzise wieder, was das Gutachten feststellt

    Ach Herr Brux,

    jede Woche steht hier ein neuer Artikel, der den Leuten einhämmert, dass „Visafreiheit“ für Türken besteht. In propagandistischer Weise gaukeln Sie den Leuten etwas vor, was so eben nicht stimmt. Das ist fast schon ein Fall für den Staatsanwalt.

    Warten wir doch mal die Veröffentlichung des Gutachtens ab!

    Das Gutachten ist doch kein Gerichtsurteil. Abkommen hin oder her, die Visabestimmungen legt Deutschland (und die EU) fest. Änderungen können nur in Abstimmung mit den anderen Schengen-Ländern erfolgen. Die Verhandlungen laufen doch – was soll denn diese Hetze gegen den deutschen Staat?

    Ist das der Auftrag von Migazin? Wo bleiben die Berichte über das Lächelnde Deutschland – das Deutschland, das die Hand austreckt und die Berichte über Leute, die diese Hand dann ergriffen haben?

    Warum kein Bericht über türkisch-stämmige Migranten in deutschen Clubs, die über ihre Intregration über den Sport berichten? Als Beispiel.

    Warum keine Ausflugstipps fürs Wochenende – in der neuen Heimat der Migranten? Magazin nur für (nörgelnde!) Parallelgesellschaft?

    Hier steht immer nur, Deutschland verletzt unsere Rechte. Wir kriegen keine Visfreiheit, keinen Doppelpass, die Menschen hassen den Islam, wir werden diskriminiert, etc. etc.

    Aber was schreibe ich. Hat ja eh keinen Zweck. Ich hoffe trotzdem, dass Migazin sich noch ändert.

    • Leo Brux sagt:

      Werner,
      ist das jetzt der Versuch einer Antwort auf meine Fragen?

      Im übrigen dürfen Sie ja anderer Meinung sein – das macht die Diskussion lebendig, mal vorausgesetzt, die beiden, die diskutieren, gehen aufeinander ein. Aber dass das MiGAZIN, das pro Integration ist, sich plötzlich contra Integration und unkritisch gegenüber dem deutschen Staat verhalten soll, ist schon ein bisschen viel verlangt, Werner. Deutschland lächelt den Migranten leider so wenig wie Sie, Werner.

      Falls Sie positive Nachrichten haben, können Sie sie ja als user hier jederzeit bringen. Wer hindert Sie dran?

  7. Europa sagt:

    „Aber dass das MiGAZIN, das pro Integration ist, sich plötzlich contra Integration und unkritisch gegenüber dem deutschen Staat verhalten soll, ist schon ein bisschen viel verlangt, Werner.“

    Ich weiss nicht ob sie es schon bemerkt haben Herr Brux, aber es gibt in Deutschland keinen einzigen Menschen, der gegen Integration ist. Sogar der Sarrazin ist für Integration, es gibt halt nur unterschiedliche Auffassungen davon wo und wie man am besten damit anfängt.

    Sie, Herr Brux, glauben halt, alle Probleme durch mehr Toleranz lösen zu können und Herr Sarrazin und der Grossteil der deutschen Bevölkerung glauben, dass es der Integration zugute kommen würde, wenn man mit mehr strenge vorgehn würde und Forderungen an die Migranten stellen würde.
    Keins der beiden Alternativen ist rassistisch oder diskriminierend, aber beide Alternativen sind aufjedenfall populistisch, soviel gebe ich zu!

    Keiner verlangt von ihnen mit der Regierung immer einer Meinung zu sein, aber man kann auch nicht einfach, wie sie es tun, komplett ignorieren, dass ein Grossteil der Menschen genau diese Regierung gewählt hat und zufrieden ist.
    Wenn man ihre Artikel liest, dann geht es selten um Konsens oder Kompromisslösungen, sondern es wird lediglich über die Regierung abgelästert ohne Versuch die Schlüsse der Regierung nachvollziehen zu wollen.
    Wenn sie ernst genommen werden wollen, Herr Brux, dann müssen sie auch etwas dafür tun und nicht nur ihre Grün-Linke Propaganda verbreiten, denn sonst werden sie als Ströberle enden und irgendwann vor einem McDonalds protestieren!

    • Leo Brux sagt:

      Europa,
      jetzt auf einmal befürworten Sie die Integrationspolitik der Regierung?
      Das ist durchaus erfreulich. Ich befürworte sie nämlich auch. Ich hätte nur gern noch ein bisschen mehr.
      Wer sie nicht befürwortet, sondern wütend gegen sie anrennt, sind doch bisher eher Sie gewesen – und ihre rechtspopulistischen Kameraden.

      Aber für den Fall, dass Sie hier Ihre Position geändert haben sollten, möchte ich Ihnen gratulieren. Ich habe nichts gegen CDU-Wähler und kann mir schwarz-grüne Koalitionen durchaus vorstellen, auch wenn rot-grüne zurzeit noch näher liegen.

  8. Hannibal sagt:

    @ Leo Brux

    Sie bezeichnen hier das MIGAZIN als „pro-Integration“ zu sehen ist. Dem ist natürlich nicht so. MIGAZIN versucht, für Migranten (und hier auf Grund der Macher dieser Seite für spez. türkische oder/und muslimische) die (vermeintlichen) gesetzlichen Rechte einzufordern. Zwischen dem, was Deutscher Staat/Gesellschaft unter Integration verstehten, und dem Standpunkt dazu von MIGAZIN liegen Welten. Hier fordert man Partizipation OHNE Wandel, anstatt Intergration.

    Nach welcher Maßgabe ?

    Nun, schon 1999 hat der Imam von Izmir anlässlich eines interreligiösen Treffens die Richtung klar vorgegeben:

    “Dank eurer demokratischen Gesetze werden wir euch überwältigen, dank eurer religiösen Gesetze werden wir euch beherrschen.”

    Der demokratische Staat und seine Gesetze werden dazu „benutzt“.

    • Leo Brux sagt:

      Hannibal,
      lesen Sie, was ich an Europa geschrieben habe.
      Ich lese alle Artikel im MiGAZIN. Der Tenor ist: Die Bundesregierung bemüht sich um gute Integrationspolitik, könnte aber mehr tun, sollte mehr tun. Das MiGAZIN liegt mit seinen Beiträgen immer im Spektrum der Bundestagsparteien, die alle pro Integration Politik machen, nur mit unterschiedlichen Intensitäten und Nuancen.
      Davon unterschieden sich viele der user-Kommentare, die generell allen Maßnahmen der Integration gern eine Absage erteilen würden, ähnlich wie Geert Wilders in Holland.
      Das MiGAZIN sieht Migranten positiv. Als ein Element der Stärke, des kulturellen Reichtums Deutschlands. Deutschland ist weltoffen und soll es bleiben. Soll sich nicht abschotten. – Das ist auch im großen und ganzen die Position aller fünf Bundestagsparteien.

      Das MiGAZIN mit seinen vielen Autoren, die Migrationserfahrung haben, zeigt auch durch sich selbst, wie sehr Migranten zum Teil dieser deutschen Gesellschaft geworden sind. Vermutlich ist es genau das, was Menschen wie Sie ärgert und zu besonderen Ausgrenzungsanstrengungen motiviert.

      Was das angebliche Zitat eines Imams aus dem Jahre 1999 anbelangt: Sie geben keine Quelle an. Möglicherweise haben Sie oder irgend jemand das Zitat erfunden oder geschickt genug falsch übersetzt oder aus einem Zusammenhang gerissen, in dem der Satz eher verneint war.

      Und wenn doch mal ein Spinner so einen Satz sagt — was hat das schon zu bedeuten? Nichts.
      Wo sehen Sie denn irgend eine religiöse Machtübernahme in Deutschland, Hannibal? Erzählen Sie doch mal!
      (Und kommen Sie uns dabei nicht mit so Geschichten wie: Im Münchner Westpark haben letztes Wochenende die Südländer die meisten der von der Stadt dort ausgewiesenen 20 Grillplätze erobert.)

  9. Hannibal sagt:

    @ Leo Brux

    Es geht (noch nicht) um religiöse „Machtübernahme, es geht explizit um
    das fordern von Partizipation OHNE Wandel, anstatt Intergration, den Gang durch die Instanzen mit der Premisse, das parallele Strukturen,archaische Gebräuche, im 21.Jahrhundert unsinnige,religiöse „Vorschriften“ letztendlich so hingenommen werden sollen. Dies ist der einzige Zweck des immer so beschworenenm „Dialogs“: Man gibt nichts auch nur einen zentimeterbreit auf, sondern versucht nach der Methode, steter Tropfen höhlt den Stein,Staat und Mehrheitsgesellschaft dies abzuringen. Die türkisch und/oder islamischen Verbände wirken dabei nicht integrativ sondern konservierend, und versuchen, möglichst viele ihrer „Schäfchen“ als Macht- und Demonstrationsmasse unter ihre Fittiche zu bekommen. Die Verbände vertreten keine DEUTSCHEN Interessen, sondern nur ihre eigenen, und, je nach Verband, die des Türkischen Staates (und das wußte und bestätigte schon der frühere Innenminister Schäuble). Und unsere freiheitliche-demokratische Grundordnung und Gesetze werden dazu geradezu mißbraucht, denn sie sind für eine solche „Aushöhlung“ nicht konzipiert worden.

    Geert Wilders Ziel ist gerade eben die Forderung nach Integration, aber nach einer Integration, deren Regeln die vorhandene Mehrheitsgesellschaft bestimmt. Oder dürfen die Bürger eines Landes nicht mehr souverän darüber entscheiden, wer in ihr Land kommt, und wie ihr Land auszusehen hat ? Dieses Recht steht allen Gesellschaften/Ländern zu .

    • Leo Brux sagt:

      Hannibal,
      Ihre Beschreibung hat wenig mit der Wirklichkeit zu tun. Die Anpassungsleistungen der Muslime und ihrer Vereine und Verbände sind beträchtlich; der Wandel ist für jemanden wie mich, der seit Jahrzehnten die Szene beobachtet und auch in ihr mitmischt, enorm.

      Die katholische Kirche vertritt, wenn sie mit dem Staat verhandelt, die Interessen der katholischen Kirche, und so ist es mit jeder Insititution und jedem Verein in Deutschland. Es ist nicht ihre Aufgabe, DEUTSCHE Interessen, sondern ihre jeweils eigenen zu vertreten – und dabei zu berücksichtigen, dass die öffentlich-rechtlichen Organe, der Staat die deutschen Gesamtinteressen mit einbringt.

      Irgend eine Aushöhlung unserer Grundordnung ist da nicht zu entdecken – es sei denn auf Ihrer Seite, Hannibal. IHNEN passt unsere freiheitlich-demokratische Grundordnung vielleicht nicht so ganz, weil sie der Religionsfreiheit reicht großzügigen Raum gewährt.

      Die islamischen Religionsverbände bemühen sich seit langer Zeit, den anderen Religionsgemeinschaften gleichgestellt zu werden – unter Wahrung ihrer Besonderheiten. Das ist nichts anderes als was die Israelitische Kultusgemeinde und andere auch gemacht haben und immer noch machen.

      Geert Wilders hat öffentlich und unmissverständlich dem Islam insgesamt, dem Islam als Religion, den Krieg erklärt. Er hat das ausdrücklich so formuliert. Der will den Islam bzw. die gläubigen Muslime nicht integrieren, sondern eliminieren, aus den Niederlanden vertreiben.

      Dass die Mehrheitsgesellschaft die Regeln bestimmt, versteht sich von selbst. Deutschland tut das auch. Aber die Mehrheitsgesellschaft muss sich dabei auch an die Verfassung halten, die sie sich selber gegeben hat. Und zu der gehört nun mal bei uns die Religionsfreiheit auch. Und das Verbot, sich als Staat in die privaten Angelegenheiten der Menschen und ihrer Vereine einzumischen, solange keine strafrechtlich und schutzrechtlich definierten Tatbestände vorfallen.

  10. Hannibal sagt:

    @ Leo Brux

    Die DITIB vertritt die Interessen der DIYANET, und damit die des türkischen Staates . In den Führungspositionen der DITIB sitzen türkische Konusaltsbeamte. Finden Sie das richtig ? Oder bestreiten Sie das sogar ?

    • Leo Brux sagt:

      Warum sollte ich das bestreiten? Ich hab schon lange Artikel auf meinem Blog über das Thema geschrieben; zum Beispiel diese zwei:
      http://initiativgruppe.wordpress.com/2010/02/24/sendlinger-moschee-1-ditib-hat-den-schwarzen-peter/
      http://initiativgruppe.wordpress.com/2010/10/02/die-sendlinger-moschee-ist-gestorben-aber-nicht-an-ihren-gegnern/

      Gehen Sie in der linken Spalte bei Kategorien auf Religion/Moschee, und Sie finden zahlreichen weitere Artikel.

      Aber man kann DITIB auch verteidigen: Hunderttausende von religiösen Deutsch-Türken fühlen sich von DITIB vertreten. DITIB macht auch vieles gut; so ist es kein Zufall, dass besonders die Unionsparteien gern mit DITIB zusammenarbeiten – einem konstruktiven und integrationsorientierten Partner auf der muslimischen Seite.
      Interessant finde ich auch, wie sich DIYANET theologisch relativ reformerisch entwickelt hat.
      Und ich kenne einen Imam in einer DITIB-Moschee, der ist einfach großartig.

      Die Gesamtkonstruktion ist ungünstig: Politik und Religion gehen da zu sehr Hand in Hand, und Imame aus der Türkei, die nicht oder nicht richtig Deutsch können und Deutschland auch nicht so gut verstehen, sind ein Problem.

      Es wird noch etwas dauern, bis sich das ändert. Die Türkei hat da viel zu ändern – und wird es ändern, denn die ältere Generation, die bisher die DITIB-Moscheen trägt, wird allmählich abgelöst von jüngeren, in Deutschland sozialisierten Gläubigen, und die lassen sich auf Dauer nicht so leicht halten, wenn sich da nicht bald was tut. Dass Deutschland jetzt auf eine Imam-Ausbildung in Deutschland setzt, ist ein richtiger Schritt, und der nächste wird sein, dass man mit der Türkei vertraglich vereinbart, dass DITIB-Moscheen solche in Deutschland ausgebildeten Imame akzeptieren müssen.

      Also, es geht schon voran.