EU-Marathon Der Türkei

Frühlingserwachen

Der türkische Ministerpräsident Erdogan führt die hyperaktive Außenpolitik der Türkei fort. Er besuchte am Dienstag den Irak, kokettierte mit der kurdischen Autonomieregierung im Nordirak und traf den Schiitenführer Ayatollah Ali Sistani in Najaf. Unterdessen wird das Wirtschaftswachstum der Türkei auf 9.2% beziffert.

Von Freitag, 01.04.2011, 8:28 Uhr|zuletzt aktualisiert: Freitag, 25.11.2011, 23:04 Uhr Lesedauer: 3 Minuten  |  

Der Besuch des türkischen Ministerpräsidenten Erdogan am Mittwoch im Irak beinhaltete drei einzigartige politische Gesten: Er sprach als erster Staatschef vor dem irakischen Parlament, besuchte als erster türkischer Ministerpräsident die kurdische Autonomieregierung im Nordirak und besichtigte als erster sunnitischer Staatschef das Heiligtum der Schiiten, woselbst er auf Ayatollah Sistani traf. Gleichzeitig ebnete er in Libyen den Weg für das Kommando der Nato. Dies alles ist als eine logische Ableitung der „zero-problem policy“ der Türkei zu verstehen und ein vitales Zeichen für das Frühlingserwachen ihrer Außenpolitik.

Mit wirtschaftlich wackligen EU-Staaten, wie Portugal, Spanien und Irland, fällt es allerdings schwer, die EU als wirtschaftlichen Riesen zu bezeichnen. Dass sie wohl als politischer Zwerg gelten darf, unterstreicht sie inzwischen im Nahen und Mittleren Osten.

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Die Türkei spiegelt die EU wider
Die außenpolitische Leitlinie der Türkei tritt einmal mehr hervor, die auf wirtschaftliche Kooperation zur Konfliktprävention beruht, welche besser unter der „zero-problem policy“ bekannt ist. Die Türkei wirft daher ihren außenpolitischen Anker nach Syrien, Iran, Irak, auf den Balkan und nach Russland aus und unterhält darüber hinaus mit 61 Staaten Abkommen für die visafreie Einreise.

Wie wichtig dabei die wirtschaftliche Annäherung ist, machte Erdogan in Erbil deutlich:“Unser größtes Anliegen besteht darin, dass Wirtschaftswachstum, rechtliche Freiheiten und Brüderlichkeit Hand in Hand gehen.“ Während Israel einst eine starke Stütze für die türkische Wirtschaft darstellte, überstieg bereits 2007 das Handelsvolumen mit Syrien jenes mit Israel. Zwar gilt die EU – mit rund der Hälfte der türkischen Exporte – als größter Absatzmarkt, jedoch stellt sich der europäische Markt als ein sehr statischer dar. Deshalb zieht es die Türkei in dynamischere Märkte, die nun im Mittleren Osten liegen. Das ist umso wichtiger für die Türkei, als sie ein Bilanzdefizit von 5% des Bruttoinlandsproduktes (BIP) verzeichnet, was ihrer Importabhängigkeit unter anderem von fossilen Ressourcen geschuldet ist.

Unterdessen veröffentlichte gestern das statistische Amt (Türkiye İstatistik Kurumu) Wirtschaftsdaten zum letzten Quartal des Jahres 2010. Dabei lag das Wirtschaftswachstum der Türkei bei 9,2% und nimmt somit den ersten Rang in Europa ein. Die Prognosen für das Jahr 2011 bestätigen ebenfalls diese Vorreiterrolle.

Das Wirtschaftswachstum der Türkei lag bei 9,2% und nimmt den ersten Rang in Europa ein. Überdies prognostiziert die OECD der Türkei für das Jahr 2050 den Aufstieg zur zweit stärksten Volkswirtschaft in Europa.

Überdies prognostiziert die OECD der Türkei für das Jahr 2050 den Aufstieg zur zweit stärksten Volkswirtschaft in Europa. Wenn man das alles zusammenzählt, kann man feststellen, dass sich die Türkei dasjenige zu Eigen gemacht hat, was einst zu den Kernmerkmalen der EU gehörte: Wachstum und Frieden. Mit wirtschaftlich wackligen EU-Staaten, wie Portugal, Spanien und Irland fällt es allerdings schwer, die EU als wirtschaftlichen Riesen zu bezeichnen. Dass sie wohl als politischer Zwerg gelten darf, unterstreicht sie inzwischen im Nahen und Mittleren Osten.

Ein Ende der konservativen Phase in Europa
Die Wahlen in Rheinland-Pfalz und Baden-Württemberg kündigen mit leisen Taubenfüßen einen Regierungswechsel in Deutschland an. Dieser könnte eine rot-grüne Koalition hervorbringen, welche die Blockadehaltung der jetzigen schwarz-gelben Koalition aufheben würde. Mit dem direkten konservativen Nachbarn in Frankreich sieht es unterdessen nicht besser aus. Denn die Regionalwahlen lassen ebenfalls nichts Positives für die Präsidentschaftswahl für Sarkozy im kommenden Jahr hoffen. Indes werden wohl die Sozialisten (PS) das politische Ruder übernehmen.

Dieser politische Farbwechsel in der EU könnte die trotzigsten Gegner eines EU-Beitritts der Türkei – Deutschland und Frankreich – dazu verleiten, alsbald ihre Haltung zu überdenken, nein, sogar zu revidieren. Angesichts der wirtschaftlichen Lage der Türkei wäre diese Revision allerdings mehr als angebracht. Aktuell Meinung

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  1. Bleier sagt:

    Herr Demir, Sie kommen mir vor, als wären Sie der deutsche Pressesprecher von Herrn Erdogan. Irgendeine wie auch immer geartete kritische Distanz – oder überhaupt eine Distanz, die muss ja nichtmal kritisch sein – ist nicht wirklich feststellbar.

    Zu Frankreich: Wie Sie da eine linke Renaissance erkennen können, kann ich nicht wirklich nachvollziehen. Nicht, wenn eine Marine Le Pen (leider) in den Umfragen führt.

    Und auch die Tatsache, dass sich schwarz-gelb allergrößte Mühe gegeben haben, sich selber zu diskreditieren und nun (hoffentlich) rot-grün demnächst tonangebend die Politik gestaltet, sagt noch nichts über einen Beitritt der Türkei aus. Nicht, wenn eine so große Mehrheit der Bevölkerung dagegen ist.

  2. MKA sagt:

    An Frau/ Herr Bleier:
    Ich kann Sie verstehen. In allen Belangen, was die Türken und Türkei angeht, wird in Deutschland, ausschließlich der schlechten, negativen, hasserfüllten, Feindseligkeit zerstreuende Nachrichtenerstattung, das gewünschte und vermarktungsfähige Ideologie ist. Es ist eine Staatspolitik in Deutschland, gegen den Islam und Türkei zu wettern, alles aber auch alles negativ darzustellen.
    Frau/ Herr Bleier:
    Die gleiche kritische Betrachtungsweise können Sie und ihre lieben genuin deutschen Mitbürger, gegen die Angie-Regierung leider nicht darstellen.
    Allen voran, das Versagen im Bildungspolitik. Die peinliche Ausrichtung in der Atomfrage. Wenn wir schon dabei sind: Vielleicht sollten Sie sich mal Gedanken darüber machen, warum der deutsche Atom-Müll, der nach Frankreich verfrachtet wird, dort nicht in Frankreich gelagert wird, sondern gegen Bezahlung über dubiose Kanäle z. B. in Afrika abhandenkommen und keiner weiß, wo der deutsche Müll landet. Darüber hinaus: Der Umgang mit Minderheiten in Deutschland und anderen Konfessionen, erfüllt in keinster Weise, die UN Richtlinien. Die deutsche Demokratie ist das nächste Feld, was sehr fragwürdig ist. Wahlbeteiligung von max. 60% ist eine peinliche Beteiligungszahl.
    Die deutschen Medien: Ein polarisierter Haufen, der insbesondere den Migranten kein Platz der Mitsprache einräumt. Und zu weiter, und so weiter.
    Wer im Glashaus sitzt, sollte nicht wild mit Steinen um sich schmeißen, sondern sollte zunächst die eigene verdreckte Nase anfassen.
    Abschließend: Die Türkei hat seit 8 Jahren, eine beachtliche wirtschaftliche, politische und gesellschaftliche Entwicklung vollzogen. Das hat die Türkei aus eigenen Kräften heraus geschafft. Die Türkei hat das eigenen Bestrebungen schafft!!! Wir brauchen die EU nicht. Schon gar nicht hasserfüllte möchte gerne Partner. Die Türkei ist auf dem richtigen Wege. Die EU ist wirtschaftlich rapide auf dem absteigenden Ast. Politisch war die EU nie eine Größe. Die Korruption im EU Parlament stinkt zum Himmel heraus. Kritisieren Sie doch mal diese Themen. Und haben Sie eine Ahnung, wo Deutschland wirtschaftlich in 10 Jahren steht? 2009 konnten 60.000 Ingenieurstellen NICHT besetzt werden. Mangelwahre gibt es auch bei Ärzten, IT-Leuten und vor allem Lahrern. Sehr tolle Aussichten oder?

  3. Jos. Blatter sagt:

    Herr Demir schreibt wieder einen, für Migazinverhältnisse, wohltuend begründeten Kommentar. Niemand sachlichen Verstandes kann die wirtschaftliche Entwicklung der Türkei negieren. Die etwas pubertäre türkische Außenpolitik mag für einen Europäer teils befremdlich sein, aber gut. Letztendlich kommt diese Politik auch den Interessen des deutschen Volkes entgegen. Garantiert sie doch die zukünftige Ablehnung einer Annäherung der moslemisch-türkischen Kultur an unsere Gesellschaft. Das passt nämlich nicht zusammen. Diese Gegensätzlichkeit, hier in den Mitteilungen türkischer Hobbyanalysten immer wieder bestätigt, ist im Grunde ja auch überhaupt nicht zu bekritteln, ist sie doch kulturell begründet. Aber Demir hat Recht, es gibt in Deutschland Kotaupolitiker, die eher ihre Oma verkaufen würden, als die Interessen des deutschen Volkes zu vertreten. So ist es Fakt, dass 86%(Fourotan) der deutschen Bevölkerung türkisch islamische Auswüchse in ihrem Land ablehnen. Ich hielte es für zielführender demokratische Volksabstimmungen durchzuführen, um zu zukünftigen Lösungen zu kommen. Dafür sollte sich Herr Demir auch im Migazin einsetzen.

  4. Boli sagt:

    Also so lange nicht klar ist in welche Richtung der türkische Hase läuft (siehe Presse- und Religionsfreiheit) und auch nicht klar ist ob dies in Zukunft nicht sogar in eine agressive Aussenpolitik münden wird (z.B. im Verbund mit arabischen Ländern gegen Israel) sollten Sie Herr Demir vorsichtig sein mit Analysen und Zukunftsdeutungen bezüglich der Entwicklung der Türkei. Wissen Sie. China ist auch eine Wirtschaftsmacht aber alles andere als eine Demokratie. Auch wenn die Demokratie ihre Schwächen hat ist sie doch immer noch die annehmbarste Form einer Staatsführung.
    Das sie aber den „Aufbruch“ der Türkei als Frühlingserwachen bezeichnen sagt noch gar nichts aus. Wie schon gesagt. Solch ein Erwachen kann positiv oder auch negativ enden. Hitler hat die letzte Offensive an der Ostfront auch „Unternehmen Frühlingserwachen“ genannt. Der Beweis zum Positiven fehlt mir in Ihren Prognosen noch gänzlich. Aber gut, vielleicht muss die Türkei ja genau die gleichen Fehler machen wie Deutschland bevor letztenendes wieder Vernunft einkehrt. Weil eines sollten Sie wissen angesichts der immer härter werdenden Verteilungskämpfe in Punkto Ressourcen. Je mehr Teilnehmer aus dem vorhandenen Topf rausnehmen wollen desto agressiver wird die Stimmung!! Und das bedeutet letztlich genau das Gegenteil von Wachstum, nämlich die Notwendigkeit von Bescheidenheit, Zukunftsfähigkeit im Umgang mit dem was wir haben. Sie können noch so schöne Zahlen auf den Tisch legen. Es kann alles ganz schnell wieder vorbei sein! Aber wahrscheinlich wird es bis zum bitteren Ende getrieben bis keiner mehr etwas hat.

  5. Europa sagt:

    @MKA
    Sie scheinen sehr viel Hass gegenüber den Deutschen zu empfinden. Sie tun mir leid, dass Sie in einem Land leben, das Sie nicht verstehen, aber Sie sollten ihr Glück in der Türkei versuchen, wenn Sie hier unzufrieden sind. In der Türkei scheinen die Strassen ja laut Autor aus Gold gepflastert zu sein, warum sind denn alle hier?
    Ein Land dessen wirtschaftliches Wachstum 9,2% beträgt, musste vorher, aber auch extrem tief gefallen sein. Bevor die Türkei auf einen europäischen Wohlstand ankommt sind mindestens noch 2 Jahrzehnte Wachstum im zweistelligen Bereich nötig und die sind mit allem Respekt vor unseren optimistischen Türken, nicht vorstellbar.
    Die Türkei liegt immer noch grösstenteils brach und besteht hauptsächlich aus Bauern, also bitte keine übertriebenen Selbstüberschätzungen, denn sowas kann man in einer EU aus 27 Mitgliedstaaten nicht brauchen.
    Und was die Korruption angeht, da muss ich zugeben sind die EU-Parlamentarier echt mal ziemlich amateurhaft vorgegangen, aber was glauben Sie welche Zustände da herrschen werden, wenn die Türkei da einzieht. Oder ist die Türkei bekannt für ihre Transparenz und ihre Antikorruptionsgesetze? Nein!

  6. Orhan sagt:

    Sorry, aber die Türkei liegt nicht in Europa und die Türken sind – auch aus historischer Sicht – keine Europäer.