Ali konkret
Der islamische Religionsunterricht kommt, endlich!
Ich war 8 Jahre alt, als ich mit meiner Klasse zum ersten Mal eine Kirche besichtigen durfte. Es roch streng nach Weihrauch und alles war auf Hochglanz poliert.
Von Ali Baş Montag, 21.03.2011, 8:28 Uhr|zuletzt aktualisiert: Sonntag, 17.04.2016, 23:01 Uhr Lesedauer: 4 Minuten |
Neugierig schaute ich mir alles in Ruhe an, nachdem uns der dortige Pfarrer und die Lehrerin alles zur Entstehung der Kirche in der Ahlener Innenstadt erklärt haben. Auffällig waren für mich die teils grausigen Darstellungen von der Kreuzigung und den Dämonen in den Bildern und Figuren der Kirche. Nicht gerade ein Ort zum Wohlfühlen für Kinder.
Als ob das nicht schon reichen sollte, meldete sich irgendwann eine ältere Dame mit Hut und Krückstock. Zuerst schien sie ganz freundlich, was sich aber schnell ändern sollte. „Warst du schon bei der Kommunion?“ fragte sie fordernd. „Kommunion?“ dachte ich mir, was war denn das? Ich antwortete ihr, dass ich das nicht wüsste. Gar nicht zufrieden folgte sogleich die nächste Frage, ob ich denn auch getauft sei. „Nein, bin ich nicht!“ gab ich ihr trotzig zurück. Das Gesicht der Frau versteinerte sich zusehends. „Wusstest du, dass nicht getaufte Kinder in die Hölle kommen?“ schob sie mir gleich fragend hinterher. „Hölle?“ sagte ich erstaunt und musste dabei unweigerlich an die drastischen Bilder denken, die ich zuvor gesehen hatte.
Ich lief schnell zu meiner Klasse, die gerade dabei war aufzubrechen. Mein erstes Erlebnis in einer Kirche war somit kein positives. Dennoch ist mir so etwas in den folgenden Jahren nie wieder passiert. Viele Dinge, die ich im katholischen Religionsunterricht gesehen habe, ließen sich auch für Nicht-Katholiken interessant mitverfolgen. Fragen nach dem Leben an sich, an den Wert des Menschen oder auch zu gesellschaftlichen Themen habe ich sehr gerne mit erörtert und auch mal dazu eine islamische Sicht eingebracht, soweit ich das mit meinem Wissen von „zuhause“ kommentieren konnte.
Am katholischen Religionsunterricht habe ich bis zum Abitur freiwillig als Gast teilgenommen, ohne dass mein muslimischer Glaube dabei ein Problem für die Lehrer war, im Gegenteil. Irgendwie fehlte mir persönlich trotzdem etwas. Sehr gerne hätte ich auch einen islamischen Religionsunterricht besucht, auf Deutsch und mit ganz vielen Diskussionen zum Sinn des Lebens. Denn gab es aber damals noch nicht und das kleine bisschen Islamkunde, das im Türkischunterricht vermittelt wurde, war nicht wirklich das, was man sich darunter vorstellt.
Dazu mussten über 20 Jahre ins Land vergehen, bis die Chance, so einen Unterricht tatsächlich einzuführen, gegeben war. Schließlich hatten sich schon einige Landesregierungen, rot-grün wie auch schwarz-gelb mal mehr oder weniger erfolgreich darum bemüht, ein derartiges Angebot für muslimische Schülerinnen und Schüler zu schaffen. Auch waren sich die islamischen Organisationen nicht immer einig, im jüngsten Fall dauerte es auch hier etwas länger.
Umso mehr freut es mich, dass wir bald in NRW einen richtigen islamischen Religionsunterricht bekommen sollen. Über 300 000 Kinder und Jugendliche muslimischen Glaubens könnten bald von der richtungsweisenden Entscheidung der Landesregierung und der islamischen Organisationen profitieren. Ich selbst bin nun seit einigen Jahren Lehrer und unterrichte auch viele muslimische Schülerinnen und Schüler in Englisch und Sozialwissenschaften.
Viele Schüler, die mich auch zu religiösen Themen ansprechen, fänden so ein Angebot in der Schule sehr wichtig und würden ihn auch besuchen wollen, um endlich mitreden zu können, wenn mal wieder über den Islam in der Öffentlichkeit diskutiert wird. Mit anderen Muslimen und Nicht-Muslimen. Auf Deutsch und vor allem vermittelt von Profis, die darin auch ausgebildet worden sind.
Derzeit unterrichten noch viele Lehrkräfte die noch bestehende „Islamkunde“, wozu man allerdings nicht mal Lehramt studiert haben muss oder ein Referendariat gemacht haben muss. Diese Lehrkräfte leisten zweifelsohne wichtige Arbeit, die meisten müssen aber über kurz oder lang trotzdem pädagogische und teilweise auch fachliche Kompetenzen, die voll ausgebildete Lehrer nun mal haben, nachholen, wenn sie diesen neuen bekenntnisorientierten Islamunterricht erteilen wollen.
Kriterien müssen auch für den aufzubauenden so genannten „Beirat“ gelten, in dem die islamischen Organisationen, welche auch nach der Anerkennung als Religionsgemeinschaft streben, ihre Vertreterinnen und Vertreter entsenden sollen.
Hier müssen diese Beiratsmitglieder über entsprechenden Rückhalt in der muslimischen Community verfügen, sprich auch Gemeinden hinter sich haben, in denen religiöses Leben stattfindet. Neben den großen Organisationen wäre es auch gut, Organisationen ohne Bindung an eine große Dachorganisation drin zu haben, die die notwendigen Kriterien erfüllen.
Auf akademischer Ebene tut sich bereits eine Menge in der Ausbildung von angehenden islamischen Religionslehrerinnen und -lehrern.
Mit Prof. Dr. Mouhanad Korchide hat erstmals ein voll ausgebildeter Religionspädagoge die Verantwortung für die Islamlehrerausbildung übernommen, der die Uni Münster auch zu einem anerkannten Zentrum für diese Ausbildung in Deutschland machen könnte. Zuvor hatte es der mittlerweile in der Philosophie tätige Professor Sven Kalisch versucht, mit den bekannten Folgen.
Der Ausbau der islamischen Theologie an der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster in Kooperation mit der Uni Osnabrück sieht derzeit auf jeden Fall wieder vielversprechend aus.
Die Erwartungen seitens der Muslime, aber auch der verantwortlichen Landesregierung, dass es diesmal auch gelingt mit dem islamischen Religionsunterricht, sind auf jeden Fall groß. Fortsetzung folgt. Aktuell Meinung
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Wann kommt der Bahai und Buddhismus Unterricht endlich??
Dürfen Buddhisten und Bahai Anhänger eigentlich eine Klage einreichen wegen Diskriminierung nur weil die Vertreter dieser Religion sich nicht so benehmen wie der ZIM und TGD (die ja als Stellvertreter des ZIM gelten obwohl Aleviten nicht so agressiv sind)?
Demnächst wird in Schulen gelehrt daß der kleine Emre ,später mal und wenn sich’s fügt, Torben’s Schwester heiraten darf weil er Moslem ist. Von derlei Absichten in Bezug auf Emre’s Schwester sollte Torben allerdings Abstand nehmen, weil ihm dies als Nichtmoslem natürlich verboten ist.
Tolle bunte Republik!
Sehr geehrter Kollege Bas,
Ihr Beitrag ist sehr interessant und verbreitet eine motivierte Aufbruchstimmung. Ich freue mich auf weitere Informationen zu diesem Thema, wenn der Unterricht in den Schulen wirklich startet. Vielleicht kann man etliche Themen und Projekte in der Schule künftig auch religionsübergreifend durchführen. Ich mache Sie auf meine Rezension zum Islamkundebuch „Saphir“ aufmerksam. Siehe meine Website.
Mit freundlichen Grüßen
M. Spieß (Bremen)
@basil
So wirds wohl kommen…
Sehr geehrter Herr Bas˛
das wurde aber auch Zeit, dass nun endlich auch muslimische Schüler die Chance haben, zu ihren Wurzeln zu gehen. Meine muslimischen Schüler konnten es vor 30 Jahren nicht verstehen, dass sie ausgeklammert waren.
Inzwischen hat sich sehr viel getan und auch die Vertreter der unterschiedlichen muslimischen Gemeinschaften sind aufeinander zugegangen, denn eigentlich widerspricht es der islamischen Auffassung als Repräsentanten einen Glaubensrichtung aufzutreten. Als Prof. Dr. Havva Engin 2001 ihre Bestandsaufnahme über den Islamunterricht an deutschen Schulen machte, gab es einzig in Berlin an öffentlichen Schulen Religionsunterricht, da nur die islamische Föderation Berlin das Erfordernis
der Religionsgemeinchaft erfüllte. (Engin, H.,) 2001:Islamischer Religionsuntericht an deutschen Schulen. Bestandsaufnahme, In: Islam in Deutschland 4/2001. Zwischenzeitlich gab es vielerlei Projekte, um Mulimen Ihren Glauben nahe zu bringen, aber noch kein verbrieftes Recht auf religiöse Unterweisung.
Die Einführung des Islamischen Religionsbuchs für erste Klassen von Gönen Cibikci (2007) orientiert sich an dem Lehrplan des Bayerischen Staatsministeriums für Unterricht und Kultus für die islamische Unterweisung in deutscher Sprache, Bei seiner Einführung gab es einige Kontroversen. Nun, es gibt im Islam, wie in vielen Religionen, unterschiedliche Strömungen, ich hoffe aber, dass sie nicht dazu führen, die Einführung das islamischen Religionsunterricht zu vereiteln, sondern dass sie zu einer vielgestaltigen Einheit führen.
Rita Zellerhoff
Ich finde diesen ganzen konfessionsbezogenen Unterricht eh völligen Blödsinn. Ein Ethikunterricht würde viel mehr bringen weil man jeweils auch etwas über andere Religionen lernt. Dieses reine Fischen im eigenen Teich baut Mauern nur noch höher auf als sie schon sind. Außerdem bin ich gespannt wie das mit dem Islamunterricht hinhauen soll bei den vielen Konfessionen. Und Aleviten wollen sich denke ich auch kaum in einen Islamunterricht Sunnitischer oder schiitischer Ausrichtung setzen oder?
@ Herr Spieß: Danke für Ihren Kommentar. Ich kann mir sehr gut vorstellen, dass man zwischen dem christlichen RU und dem muslimischen RU Phasen von gemeinsamen Inhalten bzw. Projekten durchführen könnte. Verbindungen zu Philosophie oder Ethik könnte man auch ziehen. Fände ich spannend. Ich hoffe, dass man das bei der Erstellung des Curriculums berücksichtigt.
@Frau Zellerhof: Soweit ich informiert bin, sind bei den muslimischen Kooperationspartnern im KRM (Koordinationsrat der Muslime mit den vier großen Dachverbänden) sowohl sunnitische, als auch schiitische Gruppen dabei. Die Arbeit soll konsensorientiert laufen. Anders würde das auch nicht gehen.
@ Ali Bas
So sehr ich jungen Muslime einen bekenntnisorientierten Islamunterricht auch wünsche, so sehr beweifle ich, dass der KRM hier der richtige Ansprechpartner ist. Allein der Wikipediaartikel beinhaltet einen Haufen Argumente gegen diese Organisation:
1. Aleviten werden im KRM nicht vertreten, die tendenziell antisemitische und antidemokratische Organisation Millî Görüş schon.
2. Wie kann ein bekenntnisorientierter Islamorientiert, der den Anspruch hat, Schiiten wie Sunniten zu unterrichten konsensorientiert sein?
3. Von mehreren Millionen Muslimen sind gerade einmal 280.000 in den die KRM konstituierenden Organisationen vertreten.
4. Mit der DITIB sitzt auch der türkische Ministerpräsident mit am Verhandlungstisch und beeinflusst die deutsche Bildunspolitik mttelbar.
Dies ist nur eine Auswahl von Argumenten, die gegen das von den verschiedenen Landesregierungen gewählte Prozedere zur Einführung eines islamischen Religionsunterrichts sprechen.
Knackpunkt ist für mich, dass von den in Deutschland lebenden Muslimen nur ein Bruchteil organisiert ist. Dies anerkennend muss der Staat den eingeschlagenen Pfad verlassen, der bei den beiden christlichen Konfessionen erfolgreich eingeschlagen wurde und einen islamischen Religionsunterricht einführen, der unabhängig von Verbandsfunktionären ein- und durchgeführt wird.
Grüße
Bierbaron
@ Bierbaron: ich sehe nicht, wie man einen bekenntnisorientierten Unterricht mit Sunniten und Aleviten hinkriegen soll, wenn viele Aleviten glauben, dass Ali eine Inkarnation Gottes sei. Das wäre so, als ob Juden und Orthodoxe Christen gemeinsamen bekenntnisorientierten Unterricht hätten.
Aleviten sind nicht „Muslime light“ sondern eine eigenständige Religion, die islamische Theologie (vor allem aus dem Sufismus) und traditionelle anatolische Stammesreligion vermischt. Das ist keine Wertung, soll aber klarmachen, dass Aleviten und Muslime schwerlich einen gemeinsamen Religionsunterricht haben können, nur weil sie vielleicht beide Türken sind.
@Mobo
Ich würde nicht die fast einzige Islamauslegung die Akzeptanz innerhalb der deutschen Bevölkerung hätte und die übrigens auch Teil der Islamkonferenz ist, für das Werk von Ungläubigen erklären.
Islam ist doch so unglaublich vielfälltig, oder wollen sie jetzt entscheiden wer die „richtigen“ Muslime sind?