Wochenrückblick

KW 10/11 – Allerlei Widersprüchliches zum Thema Islam und Integration

Die Themen der Woche sind: Ilja Trojanow unterstützt Patrick Bahners; Was will Necla Kelek eigentlich?; Der Rechtspopulist ist ein Modernisierungsverlierer; Seehofer macht der deutschen Wirtschaft keine Freude; Deutschpflicht und Herdprämie - ein Widerspruch; Der Islam gehört übrigens bald zur CSU

Von Leo Brux Montag, 14.03.2011, 8:22 Uhr|zuletzt aktualisiert: Sonntag, 13.03.2011, 23:38 Uhr Lesedauer: 5 Minuten  |  

Welches Deutschland ziehen Sie vor?
In der Frankfurter Allgemeinen springt Ilja Trojanow Patrick Bahners bei. Er mahnt an, dass es in Wirklichkeit um praktische Maßnahmen der Integration gehe, und nimmt dann die „Panikmacher“ aufs Korn:

An ruhigeren Tagen behaupten die Demagogen, ihr Angriff richte sich nur gegen jene Migranten, die sich der Integration verweigerten. Sie erhalten Rückenwind von Politikern, die behaupten, Multikulti sei tot. Von solchen markanten Sprüchen fühlen sich allerdings vor allem die bestens assimilierten Migranten, ihre Kinder und Kindeskinder angegriffen (wie die gerade erschienene Anthologie „Manifest der Vielen“ wortgewandt und vielstimmig dokumentiert). In den letzten Monaten habe ich eine Reihe von Zuschriften erhalten, in formvollendetem Deutsch, die dem düsteren Zweifel Ausdruck verliehen, ob dies überhaupt noch „unser Land“ sei.

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Zwei Vorstellungen von Deutschland konkurrieren miteinander:

Welche Darstellung von Islam und Migration wird sich auf dem Markt durchsetzen? In diesem Sinne sind die Panikmacher zwar höchst erfolgreiche, aber eher armselige Künstler – die Romane von Emine Sevgi Özdamar oder die Filme von Fatih Akin vermitteln ein erheblich profunderes Bild der hiesigen Realitäten als die Pamphlete einer Necla Kelek. …

Die Demagogie der Panikmacher richtet sich nicht nur gegen den Islam, sondern gegen die Vielfalt im Land; sie schreit ein engstirniges, provinzielles, kleingeistiges Deutschland herbei. Wahrlich, das Gegenteil von Vielfalt ist Einfalt.

Was will Necla Kelek eigentlich?
Alan Posener, dem Necla Kelek erklärtermaßen  sympathisch ist, wundert sich in einem Kommentar auf dem Blog starke-meinungen.de. Einerseits schreibe sie in ihrem Buch „Die fremde Braut“:

 „Die Integration der Mehrheit der in Deutschland lebenden Türken ist gescheitert. Eine der Ursachen hierfür ist zweifellos die nach wie vor vorhandene strukturelle Benachteiligung von ‚Ausländern’ und eine durchaus verbreitete … fremdenfeindliche Haltung. Aber das ist nicht das Hauptproblem. Verantwortlich für das Scheitern ist eine verfehlte Integrationspolitik, die von der Lebenslüge getragen wurde, Deutschland sei kein Einwanderungsland.“

Andererseits mache sie die Migranten aus der Türkei voll und ganz selbst veranwortlich und beklage ihre Flucht in die Religion und Tradition.

Kelek sieht also eigentlich beide Seiten in der Verantwortung, stellt Posener fest, und folgert daraus:

Im Gegensatz zu ihren falschen Freunden und ihren voreiligen Kritikern glaube ich, dass Necla Kelek trotz ihrer zuweilen starken Worte sich noch nicht entschieden hat, wo sie steht.

Der Rechtspopulist ist ein Modernisierungsverlierer
Eberhard Lauth sieht das im Standard aus der österreichischen Perspektive:

Er ist ein Modernisierungsverlierer. Er hat Angst vor Zuwanderern und fürchtet sie am meisten, wenn sie sich deutlich zu erkennen geben – also wenn sie Kopftuch oder langen Bart tragen. Er will nicht mehr mit der Vergangenheit belästigt werden. Er hält die Europäische Union für eine Zumutung, die ihn bloß Geld kostet. Und er ist der Meinung, dass die da oben es sich so bequem eingerichtet haben, dass die da unten (also er) die Einzigen bleiben, die Schicksalsschläge à la Wirtschaftskrise auszulöffeln haben.

Aus dieser Gefühlslage schöpft zumindest der Rechtspopulismus österreichischer Prägung mit seinem zentralen Darsteller Karl-Heinz Strache von der FPÖ. Strache wettert in Wahlkampf-Zeiten gegen den Islam, gegen die EU und die größeren Parteien, die ihm als willkommene Stellvertreter für „die da oben“ erscheinen. Er redet der Angst nach dem Mund, er benennt den willkommenen Feind, als der sich in den vergangenen Jahren vor allem der Islam an sich ergeben hat.

Daran, so Lauth, werden auch die Umstürze in den arabischen Ländern nichts ändern. Denn der Rechtspopulist schaut nicht über den Tellerrand.

Seehofer macht der deutschen Wirtschaft keine Freude
Das macht die Financial Times Deutschland klar.

Der CSU-Chef ist sich nicht zu schade, die tiefen Wunden in der Parteiseele mit einer ordentlichen Portion Ressentiment zu kurieren.

Niemand weiß nach seiner Rede, wie es genau aussehen soll, wenn die CSU die deutsche Sprache und die Integration von Menschen mit ausländischen Wurzeln in der bayerischen Verfassung festschreiben will. Soll rechtlich verfolgt werden, wer seine Kinder zuerst in der eigenen Muttersprache in den Schlaf singt, bevor er zum deutschen Wiegenliedgut greift?

Aber das Wie spielt ja eigentlich keine Rolle. Auch nicht, dass Seehofer leicht abgewandelt das aufsagte, was die CSU seit jeher fordert. Wichtig ist, was bei den begeisterten Zuhörern ankommt, wenn Seehofer ein Referendum über sein Vorhaben ankündigt: Damit wird dem Wähler suggeriert, dass man bald irgendwo seine Unterschrift gegen Einwanderer abgeben kann.

Deutschpflicht und Herdprämie – ein Widerspruch:
Darauf macht in einem Interview mit der Welt Sigmar Gabriel aufmerksam:

Es ist ja kabarettreif, wenn Seehofer nun fordert, die deutsche Sprache – er meint Hochdeutsch, vermute ich – in der bayerischen Verfassung zu verankern. Wie bitte passt das zusammen mit der Herdprämie von 150 Euro pro Monat? Die sollen die Eltern bekommen, die ihre Kinder nicht in die Kita schicken. Das hat er ja in die Koalitionsvereinbarung gedrückt. Welch ein Unsinn! Das wird dazu führen, dass gerade die Kinder nicht in die Kita kommen, die auf frühkindliche Bildung oder Sprachförderung besonders angewiesen sind.

Der Islam gehört übrigens bald zur CSU – in Landshut
Nicht ohne Vergnügen berichtet die Süddeutsche davon, dass in Landshut der Vorsitzende eines örtlichen Moscheevereins der CSU beitreten will und einen Aufnahmeantrag gestellt hat.

Hans Rampf, CSU-Bürgermeister von Landshut, freut sich darüber:

Die Gesellschaft ändere sich, sagt der Bürgermeister, und eine Volkspartei wie die CSU müsse da mitgehen. Wenn da „ein türkischer Landsmann“ Gefallen an der CSU finde, dann freue ihn das. „Wir müssen auch diesen Leuten eine Chance geben.“ Ein Stadtrat Karaüzüm wäre eine „Bereicherung“. … „der Mann kann uns sehr viel bringen, gerade für die Integration“, sagt Rampf. Wochenschau

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  1. Manfred O. sagt:

    @ Redaktion

    In ihrer zustimmenden Berichterstattung zum Buch Bahners‘
    fehlt natürlich auch die Kritik an seinem Buch, die z.B. der SPD Grande
    Klaus von Dohnanyi erhebt:

    Zitat

    Hier liegt die ganze Schwäche der „Panikmacher“. An keiner Stelle beschäftigt sich Bahners mit der Dynamik des politischen Islam. Dem Buch fehlt jede historische Dimension. Um die einen als „Panikmacher“ beschuldigen zu können, muss Bahners offenbar die anderen für eine problemlose Bagatelle ansehen.

    Hat Frau Kelek nicht auch recht, wenn sie schreibt: „Wer Gottes Wort über demokratische Gesetze stellt, wird immer im Widerspruch zu dieser Gesellschaft stehen“? Frau Keleks Gedanke ist doch glasklar: Man soll zwar Gott mehr gehorchen als den Menschen – aber niemand darf in einer demokratischen Gesellschaft Menschenrechte und Grundrechte verletzen und sich dafür mit Gottesgeboten rechtfertigen. Auch eine gottesfürchtige Umgehung von Steuergesetzen dürfte wohl so kaum zu begründen sein.
    Zitat Ende
    http://www.tagesspiegel.de/kultur/von-panik-keine-rede/3946164.html
    Lesens- und, bei MIGAZIN der Ausgewogenheit wegen ,zu erwähnender Artikel.

    • Leo Brux sagt:

      Was die Dynamik des politischen Islam betrifft, so ist sie abnehmend. Ein Randphänomen, das von uns größer gemacht worden ist, als es das verdient hat, ist im Schrumpfen. Der politische Islam ist keine Bagatelle, vor allem nicht in Pakistan, Afghanistan, Iran oder Saudi-Arabien, aber in Europa, in Deutschland ist er weder politisch bedeutsam noch politisch gefährlich. Gefährlich ist nicht der politische Islam, sondern die terroristische Perversion des Islam: durch Attentate.

      Zum Thema Glauben und Gesetz: Ich kann mich an die Gesetze halten und trotzdem Gottes Wort über die Gesetze stellen. Das tun zum Beispiel gläubige Katholiken. Das Gesetz erlaubt die Abtreibung, der katholische Glaube nicht. Woran halten sich nun die Katholiken? Sie halten die Abtreibung für eine schwere Sünde, gemäß ihres Verständnisses von Gottes Wort, und sie wünschen sich, dass dies auch gesetzlich verankert wird. Dafür haben sie keine Mehrheit. Sie respektieren das, aber sie werben weiter für ihre Sicht der Dinge. Gebt dem Kaiser, was des Kaisers ist, und Gott, was Gottes ist. Man könnte Dohnany und Kelek fragen, wo denn bei den gläubigen Muslimen ein Widerspruch zur Gesellschaft praktisch zu erkennen sei: Wo brechen Muslime aufgrund ihres Glaubens das Gesetz?

  2. Europa sagt:

    @Leo Brux
    „Wo brechen Muslime aufgrund ihres Glaubens das Gesetz?“

    Der Glaube der Muslime ist wie ein Chamäleon und passt sich immer dem an was die Mehrheit hören will. Ich finde das zu einfach, entweder man steht zu seiner Religion, mit ihren Fehlern oder man tritt aus, aber man soll mir nicht erzählen der Islam wäre ohne grössere uminterpretationen mit dem deutschen Gesetz in einklang zu setzen.
    Übrigens geht es weniger ums Gesetz, denn das ist eine nicht verhandelbare Selbstverständlichkeit, dass man sich daran hält. Es geht vielmehr um die Werte unserer Gesellschaft und da hat die Frau Nekla Kelec vollkommen recht. Wo ist bei denen in Deutschland wohnenden Muslimen die Selbstreflexion geblieben? Man merkt einfach dass überhaupt kein interesse besteht, die Wüstenreligion Islam an deutsche Werte zu anzupassen oder in Deutschland ankommen zu lassen.
    Nekla Kelec meint damit z.B.: Muslime, die sich weigern Alkohlika in einem Supermarkt in Regale einzuräumen und dann auch noch klagen. Oder die Frau die von einem Tag auf den anderen mit einer Burka zur arbeit kommt und dann auch noch nach Schadenersatz klagt, weil man ihr kündigt. Es gibt Muslime dich sich weigern aus einem Topf zu essen, in dem einmal Schweinefleisch gekocht wurde.
    Es geht einfach um diese hartnäckige Andersartigkeit und dem Defizit einer ganzen Religion andere Sitten und Gebräuche nicht akzeptieren und annehmen zu können. Der Islam kann nicht bei jedem Meinungsunterschied das letzte Wort haben und die Religionsfreiheit ist nur eine unter vielen Freiheiten die es in Deutschland gibt und die sind genauos zu RESPEKTIEREN und EINZUHALTEN.

    • Leo Brux sagt:

      Europa,
      Sie kennen doch kaum Muslime persönlich. Wie kommen Sie zu der Behauptung, die Muslime würden täuschen? Millionen Muslime also täuschen uns in Deutschland. Ihrer Meinung nach.
      Muslime haben also gar keine Chance. Solange sie Muslime bleiben wollen, werden sie immer verdächtigt. Von Leuten wie Sie es sind.
      Sie, Europa, sind also ein Integrationsverweigerer.

      Zu den Beispielen: Ständig pauschalisieren Sie. Was ein Muslim tut, repräsentiert, was alle Muslime tun. Würden Sie solche bösartige Verallgemeinerung auch dann akzeptieren, wenn man sie auf Sie selber anwenden würde? Zum Beispiel: Deutsche laufen Amok. Siehe Winnenden u. a.. Warum laufen Sie ständig Amok, Herr Europa?

      Wie viele Deutsche gibt es, die pedantische Vegetarier sind?
      Wie viele Deutsche gibt es, die hysterisch werden, wenn irgendwo mal etwas Zigarettenrauch zu spüren ist?
      Undsoweiter. Es gibt halt empfindliche und weniger empfindliche Deutsche. Und so auch bei den gläubigen Muslimen.

      Fast alle gläubigen Muslime haben sich in Deutschland gut angepasst, und zwar im Sinne der Integration, nicht der Assimilation. Auf diese Weise gibt es nur selten Konflikte, und die paar wenigen Konflikte werden häufig dadurch verursacht, dass Nicht-Muslime es noch nicht gelernt haben, die nötige Rücksicht zu nehmen darauf, wenn mal ein Muslim bestimmte Dinge aus religiösen Gründen problematisch findet. Das sind Randphänomene, mit denen ein normaler Mensch gut fertig wird.

      Was die hartnäckige Andersartigkeit anbelangt, Europa: Wir beide unterscheiden uns vielleicht mehr von einander, als Sie sich von einem gläubigen Muslim unterscheiden. Andersartigkeit ist das Normalste in der pluralistischen Welt. Es kennzeichnet den Pluralismus.

      Es wäre zu wünschen, Sie, Europa, könnten sich ein wenig besser in unser pluralistisches Deutschland integrieren.

  3. basil sagt:

    @ Leo Brux
    Die Heiratsregeln des Islam stehen im Widerspruch zu den im Grundgesetz festgelegten persönlichen Freiheiten.

  4. Thema Islam und Integration
    Als Muslim habe ich mich dem Gesetz des Landes unterzuordnen – dies verlangt der Islam. In Deutschland oder in der Schweiz kann ich problemlos meinen Glauben ausüben, ohne dass man mit dem Gesetz in Konflikt gerät. Dies belegt ja auch die Tatsache, dass kaum ein Muslim wegen seinem Glauben im Gefägnis sitzt…
    dr yahya hassan bajwa
    Einwohnerrat Baden /CH
    Grossrat Aargau
    Vorstand Grüne Schweiz
    Europadelegierter für die European Greens

  5. Manfred O. sagt:

    @Dr yahya hassan bajwa

    Vielen Dank für diese Feststellung, Herr Dr.

  6. Leo Brux sagt:

    Wo brechen Muslime aufgrund ihres Glaubens das Gesetz?

    Das habe ich gefragt, Europa,
    und darauf haben Sie mir keine Antwort gegeben.
    Denn was Sie daraufhin an Beispielen gegeben haben, sind keine Gesetzesbrüche.

    Ich wiederhole also meine Frage.

    Oder Sie geben zu: Ja, die gläubigen Muslime in Deutschland vergehen sich nicht aus religiösen Gründen gegen das Gesetz.
    (Es gibt natürlich verwahrloste Jugendliche in einigen Stadtvierteln Deutschlands. Die Kriminalität dort ist relativ hoch, hat aber kaum mit der Religion, sehr viel mehr mit den mangelnden Lebenschancen, mit der sozialen Lage zu tun.)

  7. Manfred O. sagt:

    @ Leo Brux

    Ich möchte Ihnen (auch unangesprochen) einen Artikel auf der sicherlich als unverfänglich einzuordnenen Webseite qantara.de ans Herz legen, und Sie bitten, diesen in Ruhe zu lesen. Hier analysiert der Beiruter Theologe Khalil Samir die Hintergründe des wachsenden Fundamentalismus in den muslimischen Ländern und beschreibt die Enttäuschung vieler Muslime angesichts des Verhaltens Europas, unter besonderem Aspekt des politischen Islams (aber auch der Integration in Europa und Deutschland).

    Hier der Link

    http://de.qantara.de/webcom/show_article.php/_c-468/_nr-150/i.html

  8. Leo Brux sagt:

    Das Interview stammt aus dem Jahr 2003. Anerkanntermaßen haben die radikalen Islamisten seither an Boden verloren, die Muslimbrüder in Ägypten sind heute eher moderat und demokratie-orientiert, die Zahl der Frauen, die Kopftuch trägt, nimmt nicht zu (das Kopftuch ist außerdem für viele Frauen eher ein Symbol der Emanzipation), Ägypten – in der Regel der Vorreiter aller kulturellen Entwicklungen in den arabischen Ländern -gibt ein schönes Beispiel für islamische Frauenemanzipation …

    Der Mann, der hier interviewt wird, ist ein libanesischer Christ, also auch nicht unbedingt ein neutraler, objektiver Gesprächspartner.

    Sie, Manfred O., interessieren sich wohl nicht sehr für neuere Entwicklungen. Aber selbst für die Zeit, in der der islamistische Fundamentalismus stärker geworden ist, gilt: Was zum Teufel hat das mit den 4 Millionen muslimischen Individuen in Deutschland zu tun? Können Sie da nicht ein bisschen differenzieren? Unter den Muslimen in Deutschland waren islamistische Fundis immer die Ausnahme, und sie sind es heute noch mehr als früher.

    Es ist halt nun mal so: Die Muslime in Deutschland tun Ihnen den Gefallen nicht, in Ihr Klischee zu passen.

    Es fällt schon auf, Manfred O., dass Sie auf (alte und veraltete) Beschreibungen von außerhalb Europas zurückgreifen müssen, um die deutschen Muslime und den deutschen Islam in ein negatives Licht setzen zu können.

  9. Manfred O. sagt:

    @ Aha. Herr Samir ist also „voreingenommen“ weil er Christ ist?

    Gut.

    Dann zu etwas aktuellem, der brandneuen Studie von Liljeberg Institut
    Thema: Representative Studie zum Integrationsverhalten von Türken in Deutschland“.

    Nachfolgend hier nur einige wenige Zitate aus der Zusammenfassung:

    Die Hälfte aller in Deutschland lebenden Türken ist berufstätig, im erwerbsfähigen Alter sind es sogar zwei
    Drittel. Die Erwerbsquote bei Frauen und neu Zugewanderten ist geringer, nicht aber die tatsächliche
    Arbeitslosigkeit.

    • Geprüft werden müsste in diesem Zusammenhang, in welchem Maße Sozialleistungen unter Umständen an
    eigentlich nicht Bedürftige gezahlt werden. Nach Datenlage kann eine massive „Zuwanderung in die
    Sozialsysteme“ gegenwärtig nicht belegt werden, auch wenn die deutschen Sozialleistungen für etwa ein Drittel
    der hier lebenden Türken einen massiven Anreiz darstellen, in Deutschland zu bleiben.

    • Türken in Deutschland sind offenbar in einer ganz anderen Situation als andere Zuwanderer: Während es sich
    bei diesen oft um Flüchtlinge ohne Rückkehrmöglichkeit handelt, können Türken in Deutschland quasi jederzeit
    zurückkehren – auch Dank „Mavi Kart“ – ein echter Integrationsdruck fehlt, oftmals hat man den Eindruck, dass
    viele nur „auf Abruf“ in Deutschland sind, bis sich die Lage in der Türkei verbessert. Dies führt zwangsläufig zu
    partiellen Segregationstendenzen.

    • Das Bestreben, die Defizite auszugleichen, zeigt die Tatsache, dass fast alle Befragten bestimmten
    Zwangsmaßnahmen (Kita-Pflicht, zusätzlicher Deutschunterricht, Integrationskurse usw.) zustimmen würden.

    • Hier würde der Gesetzgeber also offene Türen einrennen, wenn er neben dem Fördern auch verstärkt Fordern

    • Allerdings ist dennoch bei einem nicht geringen Anteil der Befragten eine religiöse Intoleranz zu verzeichnen,
    die für die Integration hinderlich ist. Dies betrifft zwar ganz überwiegend den familiären Bereich, hemmt aber
    gerade dadurch die Entwicklung der eigenen Kinder ebenso wie den Kontakt zur deutschen
    Mehrheitsgesellschaft.

    • In der Folge kommt es zu einer verstärkten Hinwendung zur eigenen Community, zu verbreitetem Desinteresse
    an der deutschen Umwelt bis hin zur Ablehnung von Anders- oder gar Ungläubigen. Gerade diese Toleranz
    macht jedoch einen großen Teil des Lebensgefühls der deutschen Mehrheitsbevölkerung aus.
    würde. Offenbar wäre dieser zwang vielen Befragten sogar willkommen.

    • Warum sollte bei den Türken in Deutschland weniger Bildungsdruck erzeugt werden als es die Türkei selbst seit
    vielen Jahren bei ihren Bürgern tut?

    Zitate Ende
    Die ges. Studie hier:

    http://www.infogmbh.de/aktuell/DTR-Bus-01-2011-Charts-PK.pdf

    Ich weiß, es folgt der Vorwurf, ich habe jetzt hier selektive Auswahlen genommen. Aber ich gehe davin aus, das Sie sich nun die sog.“positiven Rosinen“ selbst herauspicken werrden.

  10. Leo Brux sagt:

    Die Studie bestätigt meine Position in mehrerlei Hinsciht.

    Vor allem fordere ich seit Jahren die Kita-Pflicht, und ich würde auch für die Grundschule und Hauptschule die Ganztagsschulpflicht fordern, wenn es genug Schulen dafür gäbe.

    Eine Zuwanderung in die Sozialsysteme gibt es kaum. Die Zahlen für Familiennachzug sind gering, es handelt sich jährlich um einige Tausend aus der Türkei – bei etwa der gleichen Zahl der Rückwanderung. Da wird ein Problem aufgeblasen.

    Das Integrationsverhalten von Deutschtürken wird schlagartig besser, je besser das Angebot an Arbietsplätzen für sie ist, und je weniger man sie in bestimmte Quartiere abdrängt. Beispiel München.

    Außerdem hängt das Integrationsverhalten auch von der Reaktion der Umwelt ab. Es sind ja hauptsächlich die Urdeutschen, die integrationsunwillig sind und die Deutschtürken in ihre heimatliche Ecke drängen. Es ist eine natürliche Schutz- und Trotzreaktion, auf die Hetze, die seit den 70er Jahren gegen die türkischen Einwanderer in Deutschland läuft, mit Rückzug und Einigelung zu reagieren. Mich erstaunt eher, dass das eher die Ausnahme geblieben ist. Eine häufige Ausnahme, sicher, aber in den meisten Fällen gelingt die Integration trotz alledem.

    Auch die Neigung, sich in die traditionelle Religion zurückzuziehen, ist so eine Trotz- und Abwehrreaktion. Hätten wir eine Willkommenskultur, hätten wir nicht erst vor kurzem angefangen, wirklich Integrationspolitik zu betreiben, wären wir schon viel weiter. Aber bis zum Abtreten von Kohl war Integration ja noch ausdrücklich unerwünscht. Die Zuwanderer sollten sich nicht integrieren, sondern zurückkehren in ihre Herkunftsländer.

    Was man in letzter Zeit schön beobachten kann, ist das Wachsen des Bildungsbewusstseins unter unseren Deutschtürken. Jedenfalls in München. Wie wichtig das den Familien geworden ist! Sie verstehen oft noch nicht recht, wie sie ihren Kindern dabei helfen können – der Nachteil der Bildungsferne besteht nicht zuletzt darin, dass sie nicht wie die deutsche Mittelschicht ihren Kindern bei den Hausaufgaben und beim Lernen helfen können – aber immerhin ist jetzt der Ehrgeiz im Kommen.

    Es ist allerdings gerade in Bayern schwierig, aus der Unterschichtsfalle herauszukommen. Unglaublich, was hier die Eltern an Ersatzlehrerarbeit leisten müssen, damit ihre Kinder in der Schule nicht untergehen.