Patrick Bahners

Mit der Islamkritik können „sehr stark Emotionen mobilisiert werden“

"Die ganze Gutmenschen-Propaganda geht einfach nicht mehr auf, dass man sagt, das sind Dummköpfe, das sind Illusionisten. Das reden sie sich natürlich weiter ein bei PI, und Broder verbreitet das natürlich mit Kalkül weiter."

Von Mittwoch, 09.03.2011, 8:28 Uhr|zuletzt aktualisiert: Freitag, 11.03.2011, 5:57 Uhr Lesedauer: 16 Minuten  |  

Mit seinem Buch „Die Panikmacher“ hat der Feuilletonchef der Frankfurter Allgemeinen Zeitung (FAZ), Patrick Bahners, nicht nur ein Buch zur real existierenden Islamkritik geschrieben. Er vertritt damit auch ein Segment der deutschen Intelligenz, die sich bisher nur kaum hörbar kritisch mit einer von Panik getriebenen Kritik am Islam und an den Muslimen zu Wort meldete.

Bahners bleibt nicht bei der Kritik des beteiligten Personals, sondern setzt sich auch mit den ideologischen Grundlagen von Islamkritik auseinander. Dabei zieht er auch Parallelen zur Kommunistenhatz unter US-Senator Joseph McCarthy und zum deutschen Anti-Katholizismus des 19. Jahrhunderts.

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Eren Güvercin: In Ihrem neuen Buch „Die Panikmacher“ setzen Sie sich intensiv mit der Berufssparte der Islamkritiker auseinander. Wieso ist der Islam für bestimmte Kreise das bestimmende Thema unserer Zeit? Ist das Verhältnis zum Islam die wichtigste „Überlebensfrage“ unserer Demokratie?

Patrick Bahners: Mir erscheint es, dass mit der Islamkritik sehr stark Emotionen mobilisiert werden können. Die große Beliebtheit der Islamkritik scheint mit einem großen Misstrauen gegenüber dem politischen System im Allgemeinen und insbesondere gegen den Eliten zu tun zu haben. Dann gibt es auch eine Vorstellung, dass es fast eine Verschwörung oder ein Zusammenwirken von Politikern und den Medien gibt. Manchmal werden auch Wirtschaftsspitzen dazu genommen, wenn es etwa um den Beitritt der Türkei in die EU geht, wo es ein ablehnendes Grundgefühl bei den Leuten gibt.

Bei diesen Themen besteht der Verdacht, dass man übers Ohr gehauen wird. Ohne dass ich jetzt leugnen würde, dass der Islamismus eine politische Gefahr und der Terror selbstverständlich eine Sicherheitsgefährdung ist, und dass es auch ernste Fragen gibt, wie man jetzt dauerhaft den hier präsenten Islam in unser System des Religionsrechts einfügt. Trotzdem sehe ich für diese große Intensität dieser Diskussion – eine richtige Passion, mit der diese Themen aufgenommen werden – doch nicht die Gründe im Islam in Deutschland selbst, sondern ich muss mir irgendwie helfen, es anders zu erklären.

Ich meine, dass das Misstrauen über Eliten, wie wir das etwa aus Amerika als ein Grundmoment der Politik dort kennen, dass Leidenschaft mobilisieren kann mit der Parole „Ihr werdet über das Ohr gehauen!“ Das scheint mir aber sehr stark, wenn man sich etwa die Sarrazin-Diskussion ansieht. Ich glaube, dass es im Falle Sarrazins für viele Leute leicht war, sich für ihn zu engagieren und sich zu ihm zu bekennen, wenn explizit gesagt wird: „Ich teile die Thesen nicht unbedingt, aber wie dem Mann mitgespielt seitens der Spitzenpolitiker und der Bundesregierung wurde, ist nicht in Ordnung.“

Güvercin: Welche Gesinnung steckt hinter dieser Bewegung? Ist es eine neue Art der Ausländerfeindlichkeit, oder eine Abneigung gegenüber Religion allgemein?

Bahners: Ich glaube nicht, dass es eine einheitliche Gesinnung gibt. Auch bei den Autoren, mit denen ich mich beschäftigt habe, gibt es ideologische Motive oder auch zum Teil persönliche Beweggründe, die man gar nicht auf einen Nenner bringen kann. Was mir nur wichtig scheint, ist, dass die größere Öffentlichkeit manchmal die Intensität dieser jeweiligen Beweggründe eben unterschätzt. Bei Necla Kelek sehe ich eine Mischung aus allgemein religionskritischen Motiven und einer Sehnsucht nach einem starken republikanischen Staat, der sich auch gegen die Religion definiert. Hier scheinen mir dann Motive einfach wieder zu kehren, die sie aus ihrer Kindheitswelt der säkularen, kemalistischen Türkei kennt.

Da vermute ich, dass viele Leute, die ihre Bücher lesen und auf ihren Veranstaltungen begeistert sind, unterschätzen, dass bei ihren sehr sympathisch klingenden und auch mir selbst durchaus sympathischen republikanischen Plädoyers, was da für Ideologie – eben nicht als versteckte Agenda – bei ihr eher naiv in einer mitgetragenen Agenda dahinter steht. Wenn man die Leute fragen würde, ob sie denn auch so weit gehen würden, dass wie in der Türkei ein Kopftuchverbot für Studentinnen geben sollte, viele Leute dies in Deutschland ablehnen.

So gibt es auch bei anderen Islamkritikern spezifische ideologische Motive. Ich habe im Buch auch etwas polemisch und im eher religions-soziologischen Sinne von sektiererischen Motiven gesprochen. Es gibt starke ideologische Interessen. Ein sehr gutes Beispiel dafür ist die linke Fraktion von Marxisten und radikalen Säkularisten, die auch immer schon gegen das Christentum in Deutschland gewandt haben. Das sind ja auch sehr diskutierenswerte Argumente, aber das sind auch im emotionalem Sinne starke Argumente eines im Grunde geschlossenen religionskritischen Milieus.

Da gehört jemand wie Hartmut Kraus dazu, der das Buch „Feindbild Islamkritik“ herausgebracht hat. Auch da gilt wieder: Die Figuren und Formeln sind allgemeiner Natur, und formulieren eine allgemeine Kritik am Islam, die im Prinzip sehr diskutierenswert sind. Nur wenn man dann erklären will, warum die Leute mit einer solchen Leidenschaft Vortrag über Vortrag halten, Buch über Buch schreiben, so haben sie eben ihre eigene Agenda, die man auch in einem ganz neutralen Sinne, weltanschaulich typologischem Sinne auch als Ideologie bezeichnen kann, ohne das abwertend zu meinen. Genauso gibt es einen rechten Flügel der Islamkritik, die dann mit einem eher altmodischen deutschen Nationalismus und eine eher starke, wehrhafte Integrität des deutschen Staates aus sind, die dann eben so dieses Thema angehen.

Güvercin: Es ist erschreckend, wie hysterisch diese Debatte geführt wird, was zur Folge hat, dass ein Bin Laden in dieselbe Schublade getan wird wie der türkische Gemüsehändler um die Ecke, der regelmäßig in die Moschee geht. Das ähnelt schwer an eine paranoide Grundhaltung …

Bahners: Ich fand, dass man mit diesem paranoiden Stils sehr weit kommt, wie das der Historiker Richard Hofstadter in den Vereinigten Staaten in den 60er Jahren definiert unter dem Eindruck der McCarthy-Verschwörungstheorie hat. Hier wurde der kommunistische Agent, den es wirklich gegeben hat, gleichgesetzt mit Linksliberalen, die ganz normal als Journalisten gearbeitet haben oder die in einem ganz anderen bürgerlichen Beruf tätig gewesen sind, und überhaupt keine Meinung produzierten. Hofstadter beschreibt den Typus einer Weltanschauung, die sich bedroht glaubt, und die die eigenen Gewissheiten durch Modernisierung bedroht sieht – also einem radikal beschleunigten Wandel.

Diese Gefahr wird gespürt, geahnt oder sogar gefürchtet, und dann werden dafür Sündenböcke und einfache Erklärungen gesucht – also Agenten dieser beunruhigenden Veränderung identifiziert. Da hat er verschiedene Beispiele über den Antikommunismus hinaus.

Er geht in der amerikanischen Geschichte zurück, und beschreibt auch andere Phänomene aus der Kulturgeschichte, wo auch schon eine Religion eine solche Art von Verdacht auf sich gezogen hat. Im amerikanischen Kontext ist das klassische Beispiel der Antikatholizismus im Vergleich zu dem hier in Deutschland heiklen Antisemitismus. Da würde ich auch sagen: Man muss sich da gar nicht auf den Antisemitismus als Beispiel fixieren, weil eben auch der Antikatholizismus ebenfalls durch diese Struktur des Verdachts ausgeprägt war. Hier hat man auch eine global agierende Religion und ist auch als polemische und hauptberufliche Antikatholik von der Geschlossenheit dieser Religion überzeugt. Dem einfachen, volksfrommen irischen Katholiken, der einfach nur sehr fromm ist und regelmäßig in die Messe geht, wird unterstellt, er möchte ja eigentlich genauso dogmatisch (hier die ganze amerikanische Welt oder im deutschen Kulturkampf im 19. Jahrhundert) die ganze liberale deutsche Welt umkrämpeln. Beim deutschen Kulturkampf sagt man im Rückblick, dass sehr viel an diesen Verdächtigungen an den einfachen katholischen Gläubigen übertrieben war. Das war wirklich paranoid, sie als innere Feinde zu betrachten. Aber immerhin war es ja damals der Papst, der selber gesagt hat, wir dulden das zwar, aber eigentlich wollen wir die Religionsfreiheit abschaffen.

Da muss man dann zumindest in Deutschland bei aller Kritik an den muslimischen Verbänden sagen, dass es so etwas nicht gibt.

Güvercin: Um auf Necla Kelek zurückzukommen; wenn man sich die Doktorarbeit von Necla Kelek anschaut, sieht man einen gewaltigen Unterschied zu ihren späteren Büchern. Damals war für sie der Islam kein Integrationshindernis, ganz im Gegenteil. Als sie kurze Zeit später mit ihren Büchern aber auf die öffentliche Bühne trat, hat sich ihre Position sehr gewandelt. War das einfach besser zu vermarkten, oder steckt da eine persönliche Abrechnung dahinter, aufgrund der Erlebnisse mit ihrer Familie?

Bahners: Ich habe in dem Buch versucht, der biographischen Spur nachzugehen. Es wäre mir zu billig, ihr einfach nur vorzuwerfen, das sei purer Opportunismus. Frau Kelek ist ja auch Autorin bei uns im Feuilleton der FAZ, und wenn ich jetzt Anhaltspunkte hätte, dass es nur ein zynisches Kalkül wäre, dann würde ich auch nicht Texte von ihr annehmen. Sie verkauft natürlich ihre Bücher, aber sie macht auf mich selbstverständlich den Eindruck, dass sie auch sehr überzeugt ist von ihrer Sache. Deswegen ist es eher für mich eine Konversionsbiographie als eine Geschichte des Opportunismus. Da waren auch die Migrationsforscher, die einmal in einer Petition gegen sie formiert hatten. Sie haben es sich – so glaube ich – auch zu leicht mit diesem Opportunismusvorwurf gemacht.

Ich wiederum meine es mir nicht leicht zu machen, wenn ich da gewisse Indizien aus ihren Büchern zusammentrage, was da in einen biographischen Hintergrund mit hineinspielen könnte. Sie hat mir nun vorgeworfen, dass ich sie verletzen würde und mich mit ihr nicht auf der Sachebene auseinandersetzen würde. Da möchte ich aber umgekehrt sagen, dass ich da wirklich frappiert bin, denn für mich ist es eben rätselhaft, wie man so eine interessante und intelligente Dissertation zu diesem Thema schreiben kann, und so genau und unfanatisch diese Mechanismen der Öffentlichkeit, dieser Verbreitung von Klischees analysieren kann.

Drei Jahre später beteiligt man sich dann selber an der Verbreitung der Klischees. Ich möchte da nicht sagen, sie hat dann gemerkt, dass sie ihre Bücher besser verkaufen kann. Das ist mir einfach zu banal. Da muss etwas anderes passiert sein, aber nicht im Sinne einer Traumatisierung oder so. Bei allem Respekt, sie hat nicht so eine schreckliche Kindheit gehabt wie Ayaan Hirsi Ali. Sie hat eine unglückliche Kindheit gehabt. Ihr Vater ist dann in die Türkei zurückgegangen, da er es hier nicht mehr ausgehalten hat. Sie nimmt ihre Biographie und macht es zu einem Muster für das, was Einwanderer hier erlebt haben.

Und an diesem Punkt erlaube ich es mir zu fragen, wie eine so intelligente Wissenschaftlerin dann den Schalter so plötzlich umgelegt hat. Ich habe das Wort von der intellektuellen Regression gebraucht, wobei ich da von der Autorin spreche. Also es ist keine Aussage über die Person Necla Kelek. Das maße mich mir selbstverständlich nicht an. Das ist eine Aussage, die ich als Journalist, als Kritiker und als jemand, der sich beruflich mit Büchern beschäftigt, treffe. Wenn ich die Doktorarbeit und die populären Bücher nebeneinander lege, muss ich sagen, dass es ein Niveau- und Registerwechsel ist. Es ist ein Rückschritt im Niveau. Das muss ich erklären, aber nicht in dem Sinne, dass etwas über sie gekommen ist, oder dass sie dümmer geworden wäre. Aber da ist anscheinend ein anderes Interesse als das wissenschaftliche Interesse der Doktorarbeit bei ihr durchgebrochen.

An diesem Punkt habe ich mir das Spekulative erlaubt, und eine Psychologin zitiert, die in einem vorsichtig aber auch genau argumentierendem Aufsatz die Vermutung geäußert hat, dass diese Geschichte mit dem Vater als Muster der Erfahrungsbewältigung im Hintergrund steht. Es wird ja Frau Kelek vorgehalten, wenn sie eine radikale Abkehr aller Muslime von den überlieferten Formen einer muslimischen Frömmigkeit fordert, wie man denn so etwas erwarten könne, dass es so einen kompletten Wandel gibt. Die Brücke, die ich da versuche zu bauen, ist die Frage, wie denn so ein Haushalt von Gedanken aussehen muss, wo so etwas plausibel ist. Vielleicht, weil man das in der eigenen Lebenswelt so erlebt hat, wo von heute auf morgen sich alles ändern kann, wenn sozusagen so ein Druck abgezogen wird, wenn eine Macht, die die ganze Kindheit da war, dann à la Gorbatschow verzichtet, diese Macht auszuüben. So erzählt Kelek ja die Geschichte von ihrem Vater. Deswegen habe ich es mir erlaubt, in meinem Buch auf diesen Gedanken zulaufen zu lassen, nicht um sie bloß zu stellen, sondern es ist eine Erklärung, die ich anbiete. Kann das sein, dass sie sich unbewusst vorstellt, so müsste es eigentlich sein? Dass sie sich denkt, genauso wie ich glücklich geworden bin, als mein Vater aus dem Leben meiner Familie verschwand, könnten auch die Muslime glücklich werden, wenn sie einmal mit offenen Augen den Koran lesen würden und einsehen, dass sie den Übervater Allah nicht mehr brauchen.

Zur Verteidigung dieser biographischen Erklärung: Sie ist es ja, die diese psychologische Lesart des Islam anbietet, und die sie auch als Hauptlinie ihrer pathologischen Deutung macht. Wenn ich dann die – ich betone – Autorenbiographie mit diesem psychologisch-pathologischem Muster lese, dann übernehme ich nur das, was sie selber ja gegenüber einer Milliarde von Muslimen, die die Welt nicht so sehen wie sie, auch als pathologisches Muster anbietet, weil sie eben sagt: Islam heißt Unterwerfung. Islam heißt, man kann nicht aufrecht gehen und unterwirft sich unter dem Übervater. Da ist es nicht abwegig und übergriffig, die Frage umzukehren, und zu sagen: Könnte es bei Ihnen auch nicht so sein, dass eben ihre konkrete Geschichte mit ihrem Vater das beeinflusst, was sie allen anderen Muslimen als verkorkste Psychogeschichte vorhalten?

Güvercin: Sie haben vorhin von der naiven Staatsgläubigkeit von Kelek gesprochen. Eberhard Straub, von dem das interessante Buch „Zur Tyrannei der Werte“ stammt, schreibt: „Der Türke oder der dämonisierte Islamist kann den Deutschen, die in ihrer Privatheit nicht reglementiert werden wollen, dabei helfen, sich vor Gleichschaltung in jeder Beziehung zu schützen.“ Braucht der Deutsche, wenn er seine eigene Freiheit verteidigen will, auch die Verteidigung der Freiheit der Muslime?

Bahners: Ja, das ist ein mir sehr sympathischer Gedanke von Straub, der ja im Grunde genommen so ein Art anarchistischer Konservativer ist. Ein Staat, der als moralische Lehranstalt auftritt, ist ihm suspekt. Er knüpft an einen alteuropäischen Konservatismus an, der sagt, dass es in einer Gesellschaft eine Vielfalt von Lebensordnungen gibt und auch die einzelnen Berufe ihren eigenen Ethos haben. Das sind Dinge, die in unserer total individualisierten egalitären Gesellschaft als Sozialmodell gar nicht mehr realistisch sind. Aber es sind schon Gedanken, die man für das liberale politische Denken doch auch wieder aktualisieren kann.

Mich beunruhigt in der Tat genau wie Eberhard Straub, dass die Leute bei uns in Deutschland vor lauter Stolz auf den Rechtsstaat unterschätzen, was es da auch an Hybris gibt. Ich kenne Straub mittlerweile seit vielen Jahren, er war ja auch einmal bei uns Redakteur. Er ironisiert immer diese Formulierung von dem „freiheitlichsten Staat, den es je auf deutschem Boden gegeben hat“. Er ironisiert das nicht, weil er es auch nicht so sehen würde. Wenn wir ihn fragen würden, dann würde er natürlich auch sagen, dass das Grundgesetz als elaborierte Grundrechtsschutzordnung de facto viel freier ist, als was wir vorher hatten. Aber in diesem Eigenlob steckt eine Blindheit drin, eine Selbstzufriedenheit und Überhebung, die dann die Sache wieder gefährdet.

Güvercin: Die Islamkritiker sind ja erstaunlich gut untereinander vernetzt. Sie verfügen über erheblichen Einfluss nicht nur in den Medien, sondern auch in staatlichen Einrichtungen und politischen Stiftungen. Wie groß ist wirklich der Einfluss der Islamkritiker, also Autoren wie Kelek, Broder und Raddatz, aber auch etwa von Johannes Kandel bei der Friedrich Ebert Stiftungen, der ironischerweise Leiter des „interkulturellen Dialogs“ ist?

Bahners: Es ist sehr schwer, das einzuschätzen. Was diese Publizisten angeht, ist etwa Broder ein großer Stratege. Er überlegt sich genau, welche Themen er jetzt in einem der diversen Medien aufgreift. Er führt auch teilweise die Vernetzung der Leute herbei, allerdings in dem er mit ganz offenem Visier kämpft. Trotz unterschiedlicher Hintergründe gibt es bei diesen Leuten eine sachliche Übereinstimmung. Das finde ich völlig legitim und genauso interessant finde ich, dass auf der religionsfreundlichen Seite zwischen Leuten wie Carolin Emcke als Linkslibertäre und eher konservativen Leuten auf der kirchlichen Seite Übereinstimmungen gibt.

Insofern sehe ich das relativ gelassen und habe mir in dem Buch auch den Spaß gemacht, Herr Kandel ist ja ein fleißiger Autor, mal zu schauen, ob er mir die Ehre erweist, vielleicht auch eine Rezension dazu zu schreiben. Denn ich habe mir den Spaß gemacht, ihn als so eine Art „graue Eminenz“ zu bezeichnen, der aus dieser Art Halböffentlichkeit heraus agiert. Dass er nicht so eine öffentliche Figur ist, wie Broder, liegt auch in der Natur seiner Tätigkeit. Er veröffentlicht ja auch Artikel, er ist jetzt keine graue Eminenz in dem Sinne, dass er sich jetzt absichtlich im Hintergrund hält, um irgendwelche Intrigen zu spinnen. Überhaupt nicht.

Aber ich glaube schon, dass man einfach darauf hinweisen kann, dass Leute, die an bestimmten Stellen über eine Position verfügen – das gilt ja für mich als einen Redakteur in einer großen Zeitung auch – und damit über einen Einfluss eigener Art. Wie stark der Einfluss der Leute ist, das ist natürlich schwer einzuschätzen. Aber auch da würde ich es jetzt eher gelassen bewerten. Ich habe jetzt gelesen, dass der Imam Idriz aus Pensberg in seinem Buch, was er jetzt veröffentlicht hat, doch leider sehr verbittert schreibt, dass er den Eindruck habe, die Islamkritik sei in den Staatsapparat eingedrungen.

Im Staatsapparat gibt es Kräfte, die unterwandernd, wie er schreibt, gegen Leute wie ihn und gegen den Islam arbeiten. Dass er das nun so nach seinen Erfahrungen mit dem Verfassungsschutz in Bayern sieht, kann ich wiederum gut verstehen. Aber ich hoffe doch, dass es doch zu düster gesehen ist. Denn wenn man sich die Islamkonferenz ansieht, würde ich vorsichtig optimistisch die Prämisse wagen, auch der neue Innenminister wird es sich nicht leisten können, das abzublasen. Trotz seiner Äußerungen mit seiner Kritik an Wulff, weiß man von ihm, dass er kein zum Scharfmachen neigender Politiker ist.

Man hat in der Islamkonferenz und in den Bundesländern beim islamischem Religionsunterricht gesehen, dass überall, wenn es um pragmatische Fragen geht, die Politiker sich gegen die Parolen durchsetzen. Das ist natürlich frustrierend für Leute wie Kelek. Der politische, pragmatische Verstand von Beamten und Berufspolitikern setzt sich dann auch gegen diese Parolen durch, weil aus den Parolen wiederum ja wenig folgt. Dass Leute wie Broder versuchen, diese Dinge ins Zwielicht zu ziehen, hat bisher nicht funktioniert.

Güvercin: Wird es eine Art Gegenbewegung dazu gegen, oder gibt es diese schon?

Bahners: So wie ich mich in das Thema hineingedacht habe, dann neige ich natürlich dazu, das so zu beschreiben, dass auf der Seite der Islamkritik die Unvernunft und eine so starke Passion steht, sodass sie jedenfalls sehr unvernünftig wirkt. Die Unvernunft und das Extreme engagiert und formiert sich, und die Vernunft tut sich damit schwerer.

Insofern rechne ich jetzt nicht damit, dass sich eine Organisation oder Gegennetzwerk gibt. Aber jedenfalls gibt es schon eine verbreitete Stimmung. Ich erlebe es ja jetzt mit meinem Buch, dass ich auch Leute treffe, die mir zurufen, dass es Zeit wurde, so etwas endlich zu machen. Und zwar auch von Leuten, die nicht durch eigenes Engagement festgelegt sind. Diese Leute finden es gut, dass in der Öffentlichkeit jetzt auch mal ein etwas anderer Ton kommt. Das finde ich sehr erfreulich.

Die ganze Gutmenschen-Propaganda geht einfach nicht mehr auf, dass man sagt, das sind Dummköpfe, das sind Illusionisten. Das reden sie sich natürlich weiter ein bei PI, und Broder verbreitet das natürlich mit Kalkül weiter.

Güvercin: Lieber Herr Bahners, vielen Dank für das Interview. Aktuell Interview

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  1. Miro sagt:

    Der Kommunismusvergleich den Herr Bahners da anführt ist doch recht zutreffend, nur scheint ihm die Erkenntnis zu fehlen das Kommusimus das Problem ist, oder war und dieser auf ein Minimum zurückgedrängt wurde. Genauso wie im Kommuismus gibt es auch im Islam eine realexistierende Variante, der gerne abgesprochen wird mit dem wahren Kern der Ideologie etwas zu tun zu haben.
    Nur diese Denkweise ist in beiden Fällen falsch. Die Konsequenzen die Kommunismus auf die Gesellschaft hatte, egal ob in China, Rußland oder anderen osteuropäischen Ländern, hat mehr mit dem wahren Kommunismus zu tun als viele Linke zugeben wollen. Genauso sind die gesellschaftlichen Zustände in Ländern wie Saudi Arabien, Iran, Libanon oder Pakistan die Konseqeunz von Islam.
    Ich glaube nicht das Deutschland gut beraten wäre, vorallem vor dem Hintergrund unserer Geschichte, einer weiteren Ideologie ungehinderten Zugang zu gewähren. Haben wir den nichts gelernt?
    Ich bin gespannt ob die realen Entwicklungen die wir nun in Ländern wie Agypten oder Tunesien sehn werden Herrn Bahners Meinung ändern können, oder ob er weiter an seiner Agenda festhällt, selbst wenn dort zb. Muslimbrüder an die Macht kommen und von Menschenrechten und Demokratie folglich nicht viel übrig bleibt.

  2. NDM sagt:

    „Die ganze Gutmenschen-Propaganda geht einfach nicht mehr auf, dass man sagt, das sind Dummköpfe, das sind Illusionisten.“

    Das ist das eigentlich erfreuliche an der ganzen Sache. Es werden aber wohl noch ein paar Monate ins Land ziehen, bis Basismäßig klar ist, welcher Teil kritischer Äußerungen auf Scharfmacherei zurückgeht, und welcher Teil tatsächlich als erwägenswert zum Lesen empfohlen werden kann. Bisher hatte ich beispielsweise Bücher von Ates, Broder und Ulfkotte gelesen, und während man beispielsweise letzteres als „AgitProp“ bezeichnen kann, halte ich ersteres für lesenswert und zweiteres enthält streckenweise ganz interessante Passagen. Interessant ist hierbei, dass die besten Bücher von den „engagiertesten“ Kritikern nicht empfohlen werden, sondern eher Schriften, die apokalyptische Zukunftsszenarios in die Luft zeichnen und gar ein „Wehrt euch!“ suggerieren.
    Z.Zt. ist es noch so, dass zu viele das Kind mit dem Bade ausschütten, ob nun aus Dummheit, aus Versehen oder aus Kalkül – und so ergeben sich Punktweise auch sehr eigenartige Konstellationen, von denen manche bezüglich anderen Themengebieten schlicht als „Querfrontversuch“ bezeichnet würden. Das liegt dann jedoch daran, dass Motivation und Zielsetzung mancher Akteure überhaupt nicht deutlich sind – oder verklärt werden, so wie beispielsweise, als Ralph Giordano von ein paar Kölner Politkarnevalisten selektiv zitiert wurde.

  3. Thomas sagt:

    *schmunzel, die nächste verbale klatsche für diesen ignoranten der die integrationsprobleme schönredet

    http://www.abendblatt.de/kultur-live/article1808671/Ist-Die-Panikmacher-ein-furchtbares-Buch.html

    sehr lesenswert

  4. Karl Willemsen sagt:

    Sie verkauft natürlich ihre Bücher, aber sie macht auf mich selbstverständlich den Eindruck, dass sie auch sehr überzeugt ist von ihrer Sache.

    Ist für […] Bahners eigentlich die Tatsache, dass die Dame unter permanenten Polizeischutz steht, evt. auch ein Indiz dafür, dass sie „sehr überzeugt ist von ihrer Sache“? oder ist das auch nur ein PR-Gag, damit „sie ihre Bücher besser verkaufen kann“…?

    Wie überhaupt alle, die ihre Bücher „besser verkaufen“ als Bahners (Sarrazin, Kelek, Hirsi Ali, Ulfkotte, Giordano, etc.), natürlich selber schuld sind, vermutlich lebenslänglich, unter Personenschutz stehen zu müssen – hätten diese, sich ausnahmslos Irrenden, doch einfach bloss die „Gutmenschen-Propaganda“ incl. Selbstzensur beherzigen und die Klappe halten können… potentiell von H4 bedroht wäre ja sicherlich keiner von denen.

  5. Realist sagt:

    Hier mal ein Auszug aus dem Artikel von Thomas:

    „Das Buch ist eine Bedrohung der wenigen vernehmlichen Kritiker des Islam in Deutschland. Es ist eine Hetzschrift. Und es ist der Versuch einer Entmündigung und Entrechtung der neuerdings auch schon mal „Mob“ genannten bürgerlichen Gesellschaft. Indem das Buch jede Kritik der sogenannten aufnehmenden deutschen Gesellschaft an den Zuwanderern muslimischer Provenienz für in der Sache falsch und in der Tendenz für rassistisch erklärt, handelt es sich um ein gleichermaßen primitives wie gefährliches Maulkorb-Pamphlet. Bahners surft auf der bekannten antideutschen Welle, die von meist linken Kreisen, die sich selber für die besseren Deutschen erklären, immer wieder angeschoben wird.“

    Das hätte ich auch eins zu eins, zu so manchem Kommentator hier schreiben können.

  6. MoBo sagt:

    Frau Foroutan steht übrigens auch unter Polizeischutz. Weil irgendwelche Leute es nicht ertragen, dass man Sarrazins Buch kritisiert. Der Verleger des „Manifests der Vielen“ hat auch schon Drohanrufe bekommen. Heute hat der CDU Chef in Hannover sich gemeldet, er hat nämlich Drohanrufe bekommen, weil er gesagt hat, dass Moscheebesuche beim interkulturellen Dialog helfen.

    Da kann man unser gutes Deutschland ja nur lieben.

    PS: Naja, Bettina Röhl ist laut Wikipedia ja auch nicht die allerneutralste Kommentatorin. Es als Hetzschrift zu bezeichnen finde ich doch sehr komisch. Nach Sarrazins Buch hat es mehrere anti-muslimische Angriffe in Deutschland gegeben. Von anti-Islamkritiker Angriffen aufgrund von solchen Büchern habe ich in Deutschland noch nie was gehört (nicht das ich es begrüßen würde, aber ich finde es einfach albern, solch ein Buch als Hetzschrift zu bezeichnen)

  7. Bettina Röhl sagt:

    1,5 Milliarden Muslime auf dieser Welt und ein Dutzend sogenannter Islamkritiker in Deutschland, von denen die meisten die Pensionsgrenze lange überschritten haben oder kurz davor stehen es zu tun! Ist da das Bahners-Buch nicht etwas, sagen wir mal scherzhaft, übertrieben?
    Im Übrigen verbitte ich mir mich mit erkennbar unzutreffenden Behauptungen über meine Person bei wikipedia zu belästigen. …Ist „nicht die allerneutralste Kommentatorin“? Wie bitte? Etwa wegen Herkunft? Wäre das in diesem Zusammenhang nicht eine kontraproduktive Einlassung?

  8. Loewe sagt:

    „Das Buch ist eine Bedrohung der wenigen vernehmlichen Kritiker des Islam in Deutschland.“

    „der wenigen vernehmlichen Kritiker des Islam in Deutschland“ —
    Diese Einschätzung muss man sich auf der Zunge zergehen lassen. Sie ist ungefähr so gut und richtig wie die von Sarrazin, der zu Weihnachten in der FAZ meinte feststellen zu dürfen, die von ihm in seinem Buch gebrachten Fakten und Daten seien von seinen Kritikern nicht bestritten worden.

    Miro schreibt:
    Ich glaube nicht das Deutschland gut beraten wäre, vorallem vor dem Hintergrund unserer Geschichte, einer weiteren Ideologie ungehinderten Zugang zu gewähren.

    Meine Antwort:
    Na denn mal los, Miro! An die Arbeit! Wo bleibt Ihr Schreiben ans Bundesverfassungsgericht? Der Islam ist eine Ideologie, keine Religion, und die ca. 3 Millionen gläubigen Muslime in Deutschland sind Vertreter einer Ideologie, die nicht vom Gebot der Religionsfreiheit geschützt werden. Das muss doch endlich politisch realisiert werden! Sonst geht Deutschland unter! Retten Sie Deutschland und gehen Sie nach Karlsruhe!

    Oder was wollen Sie sonst?
    Was folgt sonst aus Ihrer Einlassung, der Islam sei keine vom GG zu schützende Religion, sondern eine totalitäre, Deutschland gefährdende Religion?

    Eins lässt sich aber sicher feststellen: Sobald Sie eine entsprechende öffentliche Maßnahme aus Ihrer Diagnose folgern, ist sie grundgesetzwidrig.

    Könnte es also sein, dass IHRE Ideologie, Miro, eine Gefahr für Deutschland darstellt?