Rückblick

Sarrazin schafft Deutschland ab

Wieso wurde Thilo Sarrazins Buch „Deutschland schafft sich ab“ zum Bestseller? Mit welchen Folgen? Ein „Rückblick auf eine fatale Debatte“ vom Vorsitzenden des Sachverständigenrats Deutscher Stiftungen für Integration und Migration, Klaus J. Bade.

Von Montag, 29.11.2010, 8:28 Uhr|zuletzt aktualisiert: Freitag, 03.12.2010, 0:42 Uhr Lesedauer: 11 Minuten  |  

Der soziale Frieden in einer Einwanderungsgesellschaft lebt vom Grundvertrauen zwischen Mehrheitsgesellschaft und Einwandererbevölkerung. Die ‚Sarrazin-Debatte‘ hat über diesem, seriösen Umfragen zufolge in Deutschland nach wie vor tragenden Grundvertrauen, mancherlei Oberflächenwirbel erzeugt. Sie greifen unterschiedlich tief. Sie sind nicht zu verwechseln mit den in Deutschland seit den 1980er Jahren immer wieder zu beobachtenden Konjunkturen der Ausländer- oder Fremdenfeindlichkeit. Die folgten oft fahrlässiger Instrumentalisierung der Themen Migration und Integration zu Wahlkampfzwecken.

Spiel mit dem Feuer
Schon damals war dieses Spiel mit dem Feuer buchstäblich brandgefährlich, wie man spätestens Anfang der 1990er Jahre beobachten konnte. Aber Integration wurde da noch immer als Randthema eingeschätzt. Heute ist dieses Spiel mit dem Feuer noch gefährlicher, weil Integration ein Mainstream-Thema geworden ist. Deshalb bewirken von der Politik populistisch aufgenommene integrationshysterische Strömungen heute tiefer reichende Brüche in der politischen Kommunikation, möglicherweise sogar in der politischen Struktur.

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Indirekt warben für das Buches von Thilo Sarrazin auch Kohorten von publizistischen Animateuren: […] selbsternannte profes- sionelle Islamkritiker; […] denunziative islamophobe bzw. islamophage Agitatoren, in deren Reihen sich neuerdings auch altfeministische Frauenretterinnen eingeschleust haben …

Ausgangspunkt in Deutschland war das im Spätsommer 2010 erschienene Buch des früheren Berliner Finanzsenators, späteren Frankfurter Bundesbankvorstandes und – seines Buches wegen – heutigen Frührentners und wohlsituierten Auflagenmillionärs Thilo Sarrazin ‚Deutschland schafft sich ab‘. Sein Buch verzeichnete mit schon im Oktober 2010 erreichten 1,1 Millionen gedruckten Exemplaren innerhalb eines Vierteljahres in Deutschland die höchste Auflage seit 1945 und ist auch zuvor nur mit absoluten Auflagenspitzen vergleichbar: Der nationalsozialistische Ideologiestifter Arthur Rosenberg hat mit seiner Propagandaschrift ‚Der Mythos des 20. Jahrhunderts‘ für die gleiche Auflagenhöhe rund 14 Jahre gebraucht, von 260.000 Exemplaren der ‚Dünndruck-Ausgabe‘ abgesehen.

Damit sollen hier ausdrücklich nur Besteller-Auflagenzahlen, nicht aber Inhalte verglichen werden; denn Thilo Sarrazin ist weder ein Rassentheoretiker reinsten Wassers noch ein dumpfer Neonazi. Wer das behauptet, macht sich dem Umgang mit ihm und seinen Anhängern zu leicht. Es sind vielmehr die fließenden Grenzen zwischen nüchternen Bestandsaufnahmen mit pointierter Polemik einerseits, anthropologischen, ethno-nationalen und sozialbiologistischen Interpretationen andererseits, die dieses Buch so gefährlich machten, das nicht wenigen Lesern den Eindruck vermittelt, als geborene Deutsche schon mal kulturell im Vorteil zu sein.

Publizistische Desintegrationsindustrie
Sarrazins Buch war eine argumentative Feuerleitstelle für die Einschläge der schon lange zuvor in Stellung gebrachten Geschütze der publizistischen Desintegrationsindustrie. Seine Wirkung wurde, über die aggressive mediale Vermarktungsstrategie des zum Bertelsmann-Konzern gehörenden Verlags hinaus, forciert durch methodisch hochproblematische, weil zwar richtig gerechnete aber unvertretbar überinterpretierte wissenschaftliche Untersuchungen (‚je muslimisch-frommer, desto gewaltbereiter, je christlich-frommer, desto mildtätiger‘), durch quasiwissenschaftliche Bierdeckel-Demographie (Deutsche als ‚Fremde im eigenen Land‘) und durch volkskundliche Mausklick-Demoskopie (‚Ist der Islam gefährlich – ja oder nein?‘).

Nicht minder animierend wirkten populistisch-politische Redensarten zum Zweck der Selbstfindung in der Boulevard-Presse, vor allem aber skandalisierende Mediendiskurse nach dem bekannten Motto ‚Nur eine schlechte Nachricht ist eine gute Nachricht‘. Deshalb auch verkaufte sich die falsche Information, die Integration sei schlechter als ihr Ruf in Deutschland viel besser als die zutreffende gegenteilige Botschaft.

Das zeigt ein Vergleich des im Frühsommer 2010 vorgelegten Jahresgutachtens des Sachverständigenrates deutscher Stiftungen für Integration und Migration (SVR) „Einwanderungsgesellschaft 2010“ mit dem im Spätsommer erschienenen Buch von Thilo Sarrazin „Deutschland schafft sich ab“. Heribert Prantl hat das in der Süddeutschen Zeitung vom 11.9.2010 eindringlich analysiert: „Gut zwei Monate vor dem Sarrazin-Buch ist das Buch erschienen, auf das seit dem Sarrazin-Buch alle warten […]. Es handelt sich um das Jahresgutachten ‚Einwanderungsgesellschaft 2010‘ samt einem ‚Integrationsbarometer‘. Dieses Werk […] ist in fast jeder Hinsicht ein Anti-Sarrazin.“

Indirekt warben für das Buches von Thilo Sarrazin auch Kohorten von publizistischen Animateuren: notorische Künder des kulturellen Untergangs der deutschen Nation; selbsternannte professionelle Islamkritiker, die heute in jeder Talkshow vertreten sein müssen, auch wenn es nur um Rasierschaum für muslimische Bartpflege geht; denunziative islamophobe bzw. islamophage Agitatoren, in deren Reihen sich neuerdings auch altfeministische Frauenretterinnen eingeschleust haben, die in appellativer Verzweiflung gegen die angeblich drohende ‚Schariarisierung‘ Europas ankämpfen.

Dabei geht es oft um publizistische Strömungen, die dahin tendieren, zum Teil auch expressis verbis dazu aufrufen, eine differenzierte, unaufgeregt-pragmatische Diskussion und das Bemühen um abgewogene Einschätzungen alarmistisch und agententheoretisch zu denunzieren – als intellektualistischen Relativismus, als ahnungslos-dümmliches Gutmenschentum oder gar als arglistige Teufelei im Dienste der islamistischen Weltverschwörung. Pöbelnde Unterstellungen machen heute auch nicht vor Präsidentenschelte Halt, z.B. im Blick auf die mutige und richtungweisende Bremer Rede des Bundespräsidenten Christian Wulff zum 20. Jahrestag der deutschen Vereinigung am 3. Oktober 2010.

Dabei trat in der islamophoben bis islamophagen Desintegrationspublizistik eine Botschaft des Bundespräsidenten ganz in den Hintergrund, die wichtiger war als das nicht mehr sonderlich originelle, weil schon 2006 zum Auftakt der Islam-Konferenz von dem seinerzeitigen Bundesinnenminister Schäuble geprägte Diktum, daß auch der Islam zu Deutschland gehöre. Die für die Einwanderungsgesellschaft in Deutschland viel wichtigere Botschaft lautete dem Sinne nach: Gesellschaftliche Vielfalt aushalten lernen ist eine Aufgabe für alle. Diese Vielfalt kann sich in Deutschland frei entfalten. Sie muß aber, wo nötig, entschieden, streitbar und abwehrbereit in den Grenzen unserer Verfassungsordnung gehalten werden. Deren wichtigster Grundgedanke aber ist es, daß der eigene Anspruch auf Recht und Freiheit sich nicht auf Unrecht und Unfreiheit für andere gründen darf. Aktuell Meinung

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  1. Hop Singh sagt:

    Au, Au, Au, da hat´s der Herr Bade dem Sarrazin aber gegeben. Allerdings, schwere Kost. Man muß wohl studiert haben, um sich in dem latainisierten Textkonglomerat zurechtzufinden.
    Aber eines habe selbst ich verstanden. Der Souverän soll nicht mehr mit „appellativen Ankündigungen und trostvollen Versprechungen“ aus dem Reiche des Islam und der Zwangsehe behelligt werden, sonst drohe ein Legitimationsproblem der herrschenden Klasse, das, wenn erst eingetreten, nur er, Bade, wie auch schon seit 83, auflösen könne.
    Ich hoffe, Nichts durcheinandergebracht zu haben.
    Es geht aber auch leichter. Lassen wir doch den Souverän selbst abstimmen, demokratisch, wie es weitergehen soll mit dem Thema.
    Jeder darf sich einbringen, auch Bade und Sarrazin…
    Oder lieber doch nicht, vielleicht wird dann das Kind mit dem Bade ausgeschüttet.

  2. Meiser sagt:

    Der Begriff „skandalisierende Desintegrationspolitik“ ist auf einer Ebene mit gerne von radikalen Linken verwendeten Begriffen wie „das Kapital“ und die „imperialistische Bestrebungen der USA“. Sie erzeugen eine Scheinplausibilität, die der Sache jedoch nicht gerecht werden.

    Mit dem Satz
    „….der Bürger, es entschieden satt hat, in Sachen Integration und Migration mit mäandernden Bestandsaufnahmen, wechselseitigen politischen Schuldzuweisungen, appellativen Ankündigungen und trostvollen Versprechungen bedient zu werden und stattdessen konzeptorientierte Richtungsentscheidungen mit klaren Zielvorgaben in politischer Führungsverantwortung erwartet.“

    wird erkennbar, was der Autor sich wünscht: Die Bürger sollen in ihrer korrekten Wahrnehmung von Problemen mit Bürgern mit muslimischen Migrationshintergrund übergangen und zur Toleranz gegenüber diesen Problemen befohlen und geführt werden. Der Autor erkennt hier nicht, dass der Bürger nicht mäandernde Stellungnahmen satt hat, sondern nur verharmlosende und schönredende Stellungnahmen mögen sie auch noch so eloquent und wissenschaftlich daherkommen.

    Der Autor hat entweder das Buch nicht gelesen oder ist aufgrund von ideologisch geprägter Verblendung bzw. Ignoranz nicht in der Lage Inhalt und Aussage des Buches mit quasi juristischer Präzision und Rationalität zu erfassen.

    Denn eines ist Sarrazins Buch im Gegensatz zur Behauptung des Autors dieses Artikels und vielen Anderen mit Sicherheit: Nüchtern und sachlich.

  3. NDS sagt:

    Ich habe „den Autor“ (Anm. einer der führenden Migrationsexperten der Gegenwart) so verstanden, dass die Bürger es satt haben dürften, einer „Zwei-Gruppen-Diskussion“ gegenüber zustehen: die Gruppe, die MigrantInnen undifferenziert, populistisch und aktionistisch begegnen und die Gruppe, die aus dem „verteidigen“ nicht heraus kommt (übrigens beide Gruppen vom Migrationshintergrund her und von der politischen Färbung her sehr gemischt). Die Diskussion bewegt sich zwischen Dichotomien und schafft es nicht, sich auf einem Kontinuum zu positionieren. Es fehlen die nüchternen, besonnen und konsequenten Handlungsstrategien, die auch tatsächlich umgesetzt werden und nicht nur versprochen.
    Und ich möchte an dieser Stelle -wenn ich das mit meiner bisherigen bescheidenen Berufserfahrung so formulieren darf- meinem verdienstvollen Fachkollegen an dieser Stelle meinen Dank für diese pointierten Ausführungen aussprechen, dem -mal wieder- eine eindrucksvolle Metaanalyse gelungen ist.

  4. bogo70 sagt:

    @NDS
    Sie merken garnicht wie Sie grade selbst, von „dort Oben“ nach „da Unten“ nachtreten. Entschuldigen sie, sie befürworten etwas was sich anhört, als wolle man irgendwelche Roboter dirigieren. Emotionen beiderseits ausschließen und den Menschlichkeitsfaktor weglassen funktioniert bei Menschen halt nicht. Das ist nunmal Fakt, selbst wenn uns jemand eine wissenschaftliche These vorlegen könnte, die solche Faktoren eliminieren kann, wäre auch die nicht umsetzbar, wir sind nun mal nicht alle Einstein oder frei von Emotionen, obwohl Einstein keineswegs frei von Emotionen war und genau deswegen so Genial. ;-)

    Nicht das ich Ihnen oder dem Autor zu Nahe treten möchte, ich schätze es auch sehr, wenn Sie ihre wissenschaftlichen Beiträge einbringen, schließlich ist es eine Seite der Medallie, aber dann bitte nicht unter dem Motto: „Das müsst ihr doch eigentlich verstehen.“

    Wenn Eliten sich nicht zu viel auf ihre Bildung einbilden, könnte man durchaus zu dem Schluß kommen, dass jedes Fach seine eigenen Experten hervorbringt, auch wenn es etwas ist, was man nicht als Wissenschaft bezeichnet. Grade die Bildungselite aber tut sich besonders schwer Wissen anzuerkennen, welches nicht der Hochschule entspringt. Das sich da das „ungebildete“ Groß der Gesellschaft aneinander austobt verwundert kaum, denn deren Meinung ist nicht gefragt und damit meine ich sowohl Deutsche, wie auch Migranten. Schade das man diesen Unterschied zum besseren Verständnis noch machen muss.

    Perfekte oder einfache Lösungen gibt es nicht, es wurde getan was getan werden musste. Die viele Veränderungen im Bildungswesen müssen jetzt erst einmal greifen und das braucht Zeit. Die noch kommenden Einwanderer brauchen auch Zeit für ihren neuen Alltag, sie müssen vieles abwerfen, was ihnen bisher lieb und teuer war um in dieser Gesellschaft anerkannt zu werden und das geht nicht mit Gesetzen oder Vorschriften, sondern nur wenn wir gemeinsam mit ihnen unseren Alltag leben. Davon sind aber Eliten und die meisten Deutschen nicht angetan, mit der Unterschicht will man weder verglichen werden, noch mit dieser an einem Tisch sitzen.

    @Meiser,
    Sie sind ein Paradebeispiel, für die Gruppe die Sarrazin unter Deutschen erreichen wollte. Sie fühlen sich genauso unverstanden wie die Muslime, haben aber ein natürliches Recht nun ihre Meinung frei zu äußern, während Muslime hilflos zusehen müssen, was für eine Mauer sich da aufbaut, die kaum noch zu durchbrechen ist, sei es mit Wort oder Tat. Menschen wie sie sind es die den Dialog unmöglich machen, sie fordern konkret was? Schnelle Assimilation oder weg mit dem Gesocks, welches auszubilden, zu fördern, zu integrieren viel zu teuer ist und im schlimmsten Fall eine Überfremdung herbeiführt. Dabei übersehen sie gern das der demographische Wandel längst auch die Mehrheit der Muslime erreicht hat und sich die Geburtenraten angepasst haben und auch Sie lassen den Neuankömmlingen nicht annährend soviel Zeit, wie die erste Generation zur Assimilation oder vollkommenen Integration hatte.

    Statt konkret mit anzupacken wo es was anzupacken gilt, übt man sich lieber in großspuriger Überlegenheit und kritisiert am laufenden Band gewisse Umstände, die sich durch die Sozialisierung der ersten Generation bisher mit der Zeit und ganz selbstverständlich relativierten. Stigmatisiert und ausgelaugt bleibt ein Gefühl zurück, dass egal was man tut, die Gruppe derer immer größer wird, der das alles nicht schnell genug geht. Wäre ich gemein, müsste ich mich jetzt diebisch freuen keine Muslima zu sein. ;-)

  5. NDS sagt:

    @bogo70
    Ich bin sehr überrascht, dass Sie meinen Kommentar als „von oben herab“ verstehen: Wissenschaft ist eine Kategorie von Denken und die ist nunmal sehr abstrakt, sie ist aber eben auch nur eine Kategorie und nicht mehr. Ich habe auf eine wissenschaftliche Ausführung wissenschaftlich geantwortet. Außerdem muss die Politik praktische Lösungsansätze bereit stellen – meistens auf lokaler Ebene. Sie kann sich an den Erkenntnissen der Wissenschaft orientieren – muss sie aber nicht. Und genau das wird ja auch in diesem Artikel beklagt, dass das viel zu selten der Fall ist.
    Die Richtigkeit und Nicht-Richtigkeit der anderen Kommentare bewerte ich auch nicht, sondern schildere nur meine Sicht. Außerdem haben Sie die „Zweihaftigkeit“ der Diskussion in Ihren eigenen Ausführungen beschrieben, nur mit anderen Worten.
    Nur auf zwei Details bin ich indirekt eingegangen: 1. dass „der Autor“ nicht „irgendein Autor“ ist und 2. dass für seine Ausführungen die konkreten Inhalte des Sarrazin-Buches unwichtig sind, weil Herr Bade die Diskussion hierrüber bewertet – eine Metaanalyse eben aus der Vogelperspektive.

  6. bogo70 sagt:

    Ich muss mich entschuldigen wenn ich etwas falsch verstanden habe, ihr Kommentar folgte auf die beiden oberen und ließ alles in einem Licht erscheinen, als würde die Auseinandersetzung der beiden Kommentatoren dem Thema populistisch begegnen, wogegen wir, auch hier im Forum aktionistisch bzw. verteidigend reagieren, was ja stimmt und ziemlich Menschlich ist. Bei Wissenschaftlern hört es sich halt an, als könnten sie es besser, was ich aber im realen Leben zu bezweifeln wage. Von Oben herab gilt auch, wenn behauptet wird das man etwas besser analysiert hätte als jemand anders, damit meinte ich in diesem Fall Hr.Sarrazin, wie auch Hr.Bade bzw. Sie, die diese Metaanalyse als eindrucksvoll gelungen auslobte. Sarrazin der wie wild Statistiken und Zahlen verbreitet, die er selbst nicht verstanden hat und Hr. Bade der uns Normalbürger nicht an seinen Erkenntnissen teilhaben lässt, weil man jedes zweite Wort aus seinem Text googeln muss. Naja, ein paar Wörter waren es schon. ;-)

    Kurze Erklärungen und Anrisse verschiedener Studien, lassen sich weder in 400 Seiten verpacken, noch in drei Seiten. Besonders dann, wenn Menschen Gegenstand der Untersuchungen sind. Als Wissenschaftlerin haben sie den natürlichen Wunsch eine wissenschaftliche Erklärung zu finden, was ich gut nachvollziehen kann. Als Migrantin leben sie etwas, was indirekt eine Erklärung liefert, dass Problem ist aber diese ganze Wissenschaftlichkeit trotzdem verständlich an den Mann zu bringen. Wenn ich die Zweihaftigkeit mit anderen Worten beschrieben haben soll, ist dann die Mehrhaftigkeit der Metaanalyse (bedingt durch verschiedene Ergebnisse, mehrerer Studien) nicht doch nur eine aufpolierte Wahrheit vieler Erkenntnisse, mit denen wir Sarrazin erneut eine Bühne bieten, was Hr. Bade ja auch gleichzeitig beklagt.

    Ich muss gestehen, dass ich nach ihrem Erstaunen über mein „von oben herab“ noch einmal den Text gelesen habe, vor dem ich vor zwei Tagen ziemlich ratlos stand (mangels Verstehen) und einen Kommentar doch lieber unterließ. Diesmal gefiel er mir besser, da ich mir deutlich mehr Zeit genommen habe ihn zu verstehen. Verständlicherweise gefällt er Anderen aber nicht, siehe obige Kommentare. Abtun sollte man diese Reaktionen jedoch nicht und wie ich schon geschrieben habe, ging mein Unverständnis für ihren Kommentar davon aus, dass Wir die eigentlich angesprochenen sind und nun diese Angriffs/ Verteidigungshaltung aufgeben sollten. Im Grunde hätten sie ja damit recht, da kommt aber wieder der menschliche Faktor durch, was man an meiner Reaktion sehr gut erkennen kann. Das es aber auch die Tücke des geschriebenen Wortes ist, werden sie mir sicher zugestehen, trotzdem Sorry, nächstes Mal weniger Angriffslustig, versprochen. :-)

  7. NDS sagt:

    Kein Problem, so schlimm fand ich es jetzt auch nicht.
    Ich möchte auf einen Punkte eingehen, die Sie -scheinbar unbewusst- angesprochen haben und der auch in der Wissenschaft heiß diskutiert wird.
    Welchen nutzen haben solche Ausführungen, Analysen, Studien etc. für das praktische Zusammenleben. Auf gut Deutsch: „Was bringt uns das?“
    Beispiel: Ein junges türkisches Mädchen sagen wir 17jährig darf von ihren Eltern aus nicht nachts in die Disco, um auszugehen wie ihre „deutschen“ Altersgenossinnen. Würde man diesen Eltern damit begegnen, dass aufgrund einer gesteigerten Individualisierung in dieser Industriegesellschaft und aufgrund dessen, dass durch die Erlangung individueller Berufe und damit individueller Gehälter ein familiärer Kollektivanspruch nicht angebracht ist, würde man sich eher zur Lachnummer machen. Es ist aber eigentlich die korrekte Erklärung dafür, dass diese Eltern mit dem Erfahrungshintergrund, dass eine Familie gemeinsam den Lebensunterhalt durch Feldarbeit bestreitet und daher über den jeweils anderen ein Stück weit mitbestimmt, vorallem darüber, wieviel und wofür Geld ausgegeben wird. Vielleicht hat man allen Beteiligten aber mehr geholfen, wenn man diesen Eltern erklärt, dass eine Nicht-teilnahme ihrer Tochter dazu führt, dass sie mit der Zeit aus dem Freundeskreis ausgeschlossen wird und ihre Bedenken (Drogen, Alkohol) durch Wachsamkeit auch der Freunde ein Stück weit aufgefangen werden können.
    Ich sehe das so: Natürlich klafft Theorie und Praxis auseinander. Dennoch verleiht die Wissenschaft (in diesem Fall: die Sozialwissenschaften) sozialen Herausforderungen eine nüchterne Sicht und räumt auf mit oberflächlichen „er ist ein Macho-Vater, deswegen darf die Tochter nicht in die Disko“. Letztenendes sind die Bedenken des Vaters und der Mutter aus ihrer eigenen Perspektive verständlich. Die Lösung besteht aber nicht aus der Erklärung, sondern aus gesundem Menschenverstand.
    Außerdem freue ich mich, dass wir die „Zweihaftigkeit“ der Diskussion an dieser Stelle durchbrechen konnten :-)

  8. bogo70 sagt:

    Hallo NDS,
    Da bin ich aber beruhigt. :-)

    Also Studien haben schon ihren Nutzen, aber in bestimmten Angelegenheiten und falsch angewendet oder ausgelegt können sie auch Kontraproduktiv wirken. Ich gehe später mal auf ihr Beispiel von der Jugendlichen ein, da kann ich mitreden, hab schließlich eine 18 Jährige, die zwischen 3 Kulturen aufgewachsen ist. ;-)

    Zuerst möchte ich aber auf die Studie von Christian Pfeiffer eingehen, nach der es heißt, gläubige, jugendliche Muslime seien Gewaltbereiter als Nichtgläubige.Das kann ich aus meiner Erfahrung absolut nicht nachvollziehen, was hat dieser Mann da untersucht? Ich nehme mal vier Beispiele aus meinem Bekanntenkreis.

    Da wäre einmal die gläubige Familie, die ihre Kinder gleich wertvoll erzieht, heißt was die Tochter nicht darf, darf auch der Sohn nicht. Umgesetzt wird das aber nicht mit Zwang, sondern einmal über Gewohnheiten, aber auch über Gespräche. Diese Gespräche beinhalten auch, dass sich die ganze Familie Gedanken macht, wieviel Religion der zukünftige Beruf der Kinder in Deutschland verträgt oder ob es sinnvoll ist vor einer abgeschlossenen Ausbildung zu heiraten, es werden Freizeitaktivitäten erörtert und wie man umsetzen kann, dass beide Kinder, Junge und Mädchen gleichberechtigten Interessen nachgehen können. Heißt beide können Tagsüber allein und mit Freunden unterwegs sein, aber Abends geht es nur Gemeinsam, Bruder und Schwester sollen gegenseitig auf sich aufpassen. Ich finde das ist ein Kompromiss in alle Richtungen. Eltern sind beruhigt, Kinder können auch mal ausgehen und Freundschaften gepflegt werden. Was aber besonders wichtig ist, die Familie sitzt oft gemeinsam am Tisch und hat sich viel zu erzählen. Von Gewaltfantasien, kann bei dem Jungen keine Rede sein, er ist verantwortungsvoll und engagiert sich in einem Hospiz, natürlich ohne die Religion in den Vordergrund zu stellen, denn meist sind es ja Christen die in Hospizen einsam sterben.

    Kommen wir zur zweiten Familie, diese hat 5 Kinder, 3 Mädchen und zwei Jungen. Hier fällt auf das Mutter und Vater nicht miteinander reden können, es also auch keine gemeinsamen Familiengespräche gibt. Beide sind tiefgläubig, er findet Ruhe und Erfüllung in der Moschee, sie ist allein mit den 5 Kindern, die ihr auch sehr bald über den Kopf wachsen. Auffällig ist hier, dass die Mädchen zwar Kopftuch tragen, sich aber sehr Grenzwertig bis Heuchlerisch und Respektlos ihrer Religion und Familie gegenüber verhalten, die Jungen sind beide ADHS diagnostiziert und neigen tatsächlich zu Gewalt, doch liegt das nicht an der Moschee, da gehen sie ja garnicht hin, weil der Vater ja seine Ruhe haben will. Es liegt also an der Unfähigkeit der Eltern, ihre Kinder in den Vordergrund zu stellen.

    Beispiel drei, ist eine moderne Familie die sich den Traditionen verbunden fühlt, sporadisch in die Moschee geht und Bildung als Grundwert sieht, der man mit allen Mitteln gerecht werden muss. Diese Eltern verlangen ihren Kindern alles ab, mit strengen erzieherischen Maßnahmen wird der eigene Traum vom Erfolg verfolgt. Diese Kinder Junge und Mädchen, sind eingeschüchtert und oft überfordert, hinzu kommt das die Mutter noch spät angefangen hat Medizin zu studieren, die Erziehungsarbeit leistet also der Vater und der ist nicht besonders zimperlich wenn es um die Durchsetzung seiner Interessen geht. Hier müssen die Kinder vieles erfüllen, was man von ihren Altersgenossen nicht erwartet. Sie müssen in die Moschee, aber auch Chinesisch lernen, Sie müssen sich sportlich ertüchtigen und auf Cousins und Cousinen aufpassen. Sie müssen die Schule schmeissen und den Haushalt, sie müssen sich gegenseitig unterstützen und zusehen, wo sie sich Streicheleinheiten holen, dass ist dann meist bei uns. Hier liegt der klassische Fall von Überforderung vor, bei dem Jungen ist aber keine Gewaltneigung festzustellen, eher eine Überängstlichkeit vor dem eigenen Versagen, dass Mädchen aber lässt ihren Frust schon mal am Bruder aus und schlägt ihn.

    Beispiel vier, ist ähnlich dem Beispiel drei, nur das in dieser Familie kein Wert auf Religion oder Moscheegänge gelegt wird, der Glaube spielt also nicht die erste Geige, ist aber vorhanden und kann evtl zu Hause ausgelebt werden. Erfolgsansprüche der Eltern an die Kinder sind auch sehr hochgeschraubt und hier zeigt sich das gleiche Muster, die Angst der Kinder zu versagen, aber keine Gewalt gegen andere.

    Eigentlich hätte ich noch einige Beispiele, aber das sprengt den Rahmen. Mein Fazit wäre in Bezug auf diese vier Familien und einige Beispiele die ich jetzt einfachmal mit einbeziehe. Gewalt kommt zwar bei religiösen Familien vor, doch resultiert die nicht aus der Gläubigkeit der Kinder, noch der Eltern. Sie resultiert aus Desintresse und sozialen Nachteilen der Familien. Oft sind es dann 5 oder mehr Kinder, die man nicht mehr unter Kontrolle hat. Bei Uns sind es hier nicht selten libanesische Familien, in denen sich diese Muster widerspiegeln.
    Wovon mein Sohn ein Lied singen kann, denn er trägt neuerdings eine Narbe im Gesicht, die ihm ein libanesischer Junge verpasst hat, aufgestachelt durch seinen älteren Bruder. Diese Familie hat 12 Kinder und der Vater sieht bis heute nicht ein warum sein Sohn bestraft gehört. Sein Interesse an den Kindern beginnt vor Gericht, wo er alles gibt sie vor Strafe zu schützen, aber ansonsten nie mit seinen Kindern z.B. auf der Straße anzutreffen ist.

    Kurz zu den Discogängen unserer Tochter, mein Mann mag Moslem sein und etwas streng, aber unsere Tochter darf mindestens 1 Mal im Monat in die Disco, wenn er weiß mit wem sie geht und wenn sie sich an verabredete Zeiten hält. Was mich angeht, dürfte sie nicht, denn sobald sie weg ist, habe ich Angst um sie. Bei mir ist diese Angst sehr ausgeprägt, nicht zuletzt aus eigener Erfahrung mit Nachtschattengewächsen. ;-)

    Da mir meine Tochter auch vieles erzählt, was ich lieber nicht wissen will, ist es ein Drahtseilakt für mich sie ziehen zu lassen. Ich kann aber behaupten, dass es für meinen Mann nur eine Frage des Vertrauens ist, wobei es weniger um die Jungfräulichkeit unserer Tochter geht, denn um ihre körperliche und seelische Unversehrtheit. Ich finde da machen es sich viele Eltern zu leicht und interessieren sich nicht für die Aktivitäten rund um so einen Dicobesuch, der mitunter fatale Folgen nach sich zieht, von Alkoholvergiftungen angefangen bis zu versuchen mit der spanischen Fliege, junge Mädchen gefügig zu machen.

    Meine Ansichten sind in dieser Hinsicht sehr Konservativ, aber ich habe nicht ein Viertel meines Lebens damit verbracht, meine Kinder mehr oder weniger behütet großzuziehen, damit jemand innerhalb von Minuten Alles zerstört. Mir werden also solche Studien nicht weißmachen, dass es das Beste ist, die Menschheit auf meine Kinder loszulassen. Denn wenn mein Sohn in dieses Alter kommt, gelten für ihn die gleichen Regeln wie für unsere Tochter, auch Seitens meines Mannes, Moslem hin oder her. ;-)

    Ich hoffe ihre Studienwelt nicht zu sehr durcheinander gebracht zu haben, aber ich finde man sollte als Wissenschaftler mehr auf Fakten, denn auf Zahlen setzen. Ich glaube zu oft sitzen die Betroffenen nicht mit am Schreibtisch und es werden die falschen Fragen gestellt. Ihren Studien können sie Leben einhauchen, wenn sie anders und vor Ort nachfragen. Wobei ich auf das „Anders“ grade keine rechte Antwort weiß, muss ich noch drüber nachdenken. Gibt es dazu eine Studie? ;-)

    .

  9. NDS sagt:

    Liebe Bogo70,
    aus Ihren Ausführungen entnehme ich, dass Sie -falls Sie Soziologie oder Pädagogik studiert haben, hätten oder es noch vor haben- Fan der so genannten qualitativen Sozialforschung sind. Die vier Beispiele, die Sie anführen, werden auch als „Fallstudien“ bezeichnet. Dabei setzen Sie ein bestimmtes Niveau an „Religiösität“ oder „Gläubigkeit“ fest und analysieren drum herum die Aspekte „soziale und ökonomische Verfassung der Familien“, „Erziehungsziele und -werte“, „Familiengröße“, „schulische und berufliche Situation der einzelnen Familienmitglider“. In Wechselwirkung mit den Beobachtungen, die Sie machen, diskutieren Sie die kriminelle Energie bzw. Gewaltbereitschaft der (männlichen und weiblichen) Kinder der Familien. Dabei entdecken Sie, dass „Religiösität“ -sagen wir mal- weniger Einfluss auf Gewaltbereitschaft hat als die anderen Faktoren, die Sie erörtern. Damit sind wir bei der Studie von Herrn Pfeiffer: Er hat nämlich genau das gleiche herausgefunden. Der einzige Unterschied bei ihm ist, dass er nicht Familien, sondern Jugendliche allein ins Visier genommen hat. Dabei ist „Religiösität“ in Zusammenhang mit „Gewalt“ eine abhängige Komponente, und zwar abhängig von „schlechte finanzielle Situation“, „schlechte Berufsaussichten“, „Gewalterfahrung in der Familie“, „wenig Bildung“, „Diskriminierungserfahrungen durch „Deutsche““. Das bedeutet aber auch, dass „Religiösität“, wenn die oben beschriebenen sozialen Umstände eben positiv sind, nicht mit Gewalt in Verbindung steht. So wie in ihrem Fallbeispiel 1. Mathematisch zu Ende gedacht bedeutet das, dass „Gewalt“ etwas mit sozialen Umständen zu tun hat und nicht mit Religiösität, Religiösität kann aber natürlich dennoch für eine Gewaltanwendung als Legitimation verwendet werden, genau wie eine andere nationalistische, spirituelle/ religiöse oder sonstige Gesinnung auch.
    Nun zu Ihrem persönlichen Beispiel: Was Sie empfinden, wenn Ihre Tochter abends durch die Tür ist, ist nur allzu natürlich. Es steht leider im Gegensatz zur Natur des erwachsen werdenden Kindes. Für Lösungen braucht es auch hier (wie eigentlich immer ;-) ) den gesunden Menschenverstand. Vorsichtsmaßnahmen durchgehen, Verhaltensweisen besprechen, das direkte Umfeld mit in die Pflicht nehmen. Ich zB habe als Teenagerin einen Selbtverteidigungskurs besucht, zu dem meine Mutter mich mit Nachdruck gedrängt hatte. War eine gute Entscheidung :-)

  10. bogo70 sagt:

    Ne, studiert bin ich nicht und jetzt fühl ich mich zu alt und bin zu faul. Ist zwar ein anderes Thema, aber bei mir griff in der Zeit als ich noch gewollt hätte BAFÖG nicht. Damals gab es eine Klausel, die da besagte: „Die Eltern der zu fördernden Person müssen mindestens sechs Jahre hier gelebt haben und drei davon gearbeitet.“ Was bei mir nicht mehr der Fall war, weil meine Eltern das Land schon verlassen hatten und zum Sozialamt wollte ich Damals nicht, dass hätte sowieso nicht lang gegriffen, weil ich noch nicht die Deutsche Staatsangehörigkeit hatte, also musste gleich gearbeitet werden. Ich hoffe für diese Generation, dass diese Klausel mit der Reform von BAFÖG weggefallen ist.

    Ok, zum Thema Studien, wenn Christian Pfeiffer die Familie außen vor gelassen hat, gibt es denn eine Studie, in der Familien mit einbezogen wurden? Grade bei männlichen Jugendlichen ist doch Aufschneiderei an der Tagesordnung, ich kann mir nicht vorstellen, dass diese immer ehrlich und sachlich antworten, es gibt immer ein warum und wieso und wieder die Frage, welche Fragen wurden gestellt. Haben sie einen Link zu der vollständigen Studie? Dann könnte man ja mal eine „Metaanalyse“ von Hr. Pfeiffers Studie angehen. ;-)

    Nun zu der Religiösität der Jugendlichen aus meiner Sicht, mein Sohn hat sehr viele muslimische Freunde, die uns täglich besuchen und die mir Einblick in ihre Religiösität verschaffen. Da gibt es natürlich ganz unterschiedliche Charaktere und damit einhergehend unterschiedliche Grade der Gläubigkeit und Auslegung bestimmter Koranverse. Manchmal bin ich wirklich erschrocken, wie naiv 15 Jährige sein können und was sie einfach von Eltern oder Imam übernehmen. Oft kommt es nun auf mich an, deren Weltbild grade zu rücken. Das mein Eingreifen als „die Fremde“ Wirkung zeigt ist unzweifelhaft. Es ist so, als würden die Jugendlichen erst dann erkennen, dass wir „Fremden oder Andersgläubigen“ auch nur Menschen sind. Das Weltbild der Jugendlichen und was ihnen über „Uns“ vermittelt wird, relativiert sich wenn sie „Uns“ kennen. Integration von beiden Seiten ist also mehr als wichtig, es ist das A und O um auf einen Nenner zu kommen und natürlich die Arbeit der modernen Muslime, wie Lamya Kaddor, um nur ein Beispiel zu nennen.

    Studien aus Großstädten wie Berlin, sind nur für Großstädte repräsentativ, in kleineren Städten, wo ein Miteinander ganz Selbstverständlich gelebt wird, kommt es seltener zu Ghettoisierung und wer den Anderen kennt, wird seltener gängige Vorurteile übernehmen. Der grad der Gewaltbereitschaft gegen Andere sinkt, wenn man Jugendliche ernst nimmt, mit ihnen redet und signalisiert das sie auch Uns wichtig sind. Ach ja, besonders im Bezug auf Religiösität, meinen manche Jugendlichen, es reiche sich Moslem zu nennen, wenn man als Muslim geboren wurde, das war schon in meiner Jugend ein Streitpunkt mit den Kumpels meines Mannes. Muslim oder Christ zu sein, heißt für mich in erster Linie, auch die Regeln dieser Religion zu befolgen und da hapert es schon bei einem Großteil der Gläubigen. Ich kann nicht rauchen, saufen, Drogen nehmen und mit Frauen verkehren, wenn ich mich auf die Gesetze und Regeln meines Gottes berufen will.

    Egal wie ich es drehe oder wende, ich komme jedenfalls mit meinem Eindruck nicht auf die gleichen Erkenntnisse wie Hr. Pfeiffer, um das zu verdeutlichen, würde ich gern noch die Deutschenfeindlichkeit auf die sich Fr. Schröder bezieht, in „meine Studie“ einbeziehen. Was jedes Mädchen schon erlebt hat, wenn es begehrt wird und sich dem Werbenden nicht hingibt, sobald dieser erkennt das er keine Chance hat, bei Ihr zu landen, wird sie laut Abgewiesenem entweder zur Schlampe, weil sie es angeblich mit jedem treibt oder sie wird zur Schlampe, weil sie es angeblich mit Ihm getrieben hat, nun aber nicht mehr will. Für mich ist das ein Teil der Aufschneiderei, die es dem Jugendlichen erleichtert sich auf Kosten anderer aufzuwerten und ich denke da machen deutsche Jungs keinen Unterschied, denn auch für sie ist es wichtig vor den Kumpels als potenter Hecht dazustehen. Mädchen, ob christlich oder muslimisch sind solchen, meist frei erfundenen Lügenmärchen der Jungen die sich profilieren wollen, hilflos ausgeliefert. Da weiß ich aus eigener Erfahrung im Freundeskreis, es hilft auch kein Kopftuch vor dem Rufmord.

    Eine einfache Erklärung wie Deutschenfeindlichkeit an deutschen Schulen zu propagieren, finde ich grade in Fällen von pubertierenden Jugendlichen Brandgefährlich. Das setzt nämlich voraus, dass die Jugendlichen genau wissen was sie da tun, davon kann in der Pubertät aber keine Rede sein, es sei denn hier hat jemand seine Pubertät anders erlebt als ich.