Maria Böhmer

„Wir wollen Integration verbindlicher gestalten“

Die alte und neue Staatsministerin für Integration, Maria Böhmer, spricht im Interview über Integrationsverträge, den Nationalen Integrationsplan und die Entscheidung, das Thema Integration im Kanzleramt zu belassen.

Von Montag, 09.11.2009, 8:19 Uhr|zuletzt aktualisiert: Samstag, 21.08.2010, 15:59 Uhr Lesedauer: 2 Minuten  |  

Frage: Vor wenigen Tagen haben Sie von Bundeskanzlerin Angela Merkel die Ernennungsurkunde für Ihre zweite Amtszeit als Staatsministerin erhalten. Ein bewegender Moment für Sie?

Maria Böhmer: Ganz sicherlich bewegend- in doppelter Hinsicht. Zum einen freut es mich sehr, dass mir die Bundeskanzlerin auch für die neue Wahlperiode das Vertrauen schenkt. Zum anderen ist es eine gute Entscheidung, das Thema Integration im Kanzleramt zu belassen. Gerade weil wir von hier aus sehr viel bewegen können- Integration ist eine Querschnittsaufgabe.

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Frage: Wie kann Integrationspolitik wirksam gestaltet werden?

Böhmer: Mit den Integrationsgipfeln, dem Nationalen Integrationsplan und der Deutschen Islamkonferenz haben wir bereits in der letzten Wahlperiode die Weichen richtig gestellt. An diese Erfolge wollen wir anknüpfen. Jetzt kommt es vor allem darauf an, Integration verbindlicher zu gestalten. Der Koalitionsvertrag setzt dazu einen sehr guten Rahmen.

Frage: Können Sie uns ein Beispiel nennen?

Böhmer: Der Nationale Integrationsplan mit den 400 Selbstverpfllichtungen hat sich bewährt. Jetzt gilt es, ihn zu einem Aktionsplan mit klar definierten und zu überprüfenden Zielen weiterzuentwickeln. Dadurch erreichen wir eine größere Verbindlichkeit. Ein weiteres Beispiel ist das Instrument der Integrationsverträge. Damit können wir künftig Fortschritte bei der Integration kontinuierlich überprüfen. Beide Seiten wissen, worauf sie sich einlassen. Für die Zuwanderer ist klar, welche Unterstützung sie erfahren und was von ihnen erwartet wird. Und für die Einheimischen wird deutlich, was sie selbst zum Gelingen von Integration beitragen können und was die Bemühungen der Migranten sein sollten.

Frage: Das sind die Instrumente. Was ist inhaltlich entscheidend für eine gelingende Integration?

Böhmer: Ganz wesentlich ist die Beherrschung der deutschen Sprache. Deutsch zu lernen muss für alle eine Selbstverständlichkeit sein. Wir müssen bei den Kindern beginnen: Mit den verbindlichen Sprachtests für Vierjährige setzen wir ein deutliches Signal. Entscheidend ist auch, dass die Eltern ihre Kinder beim Spracherwerb unterstützen. Dafür müssen sie selbst Deutsch sprechen können. Eine gute Möglichkeit, sich die deutsche Sprache anzueignen, ist die Teilnahme an einem Integrationskurs des Bundes. Die Kurse sind ein Erfolgsmodell.

Frage: Was sind neben der Sprache weitere Schwerpunkte?

Böhmer: Entscheidend ist eine qualifizierte Bildung und Ausbildung. Ein erfolgreicher Schulabschluss ist unverzichtbar für den sozialen Aufstieg in unserem Land. Hier werden wir in den nächsten Jahren unsere Anstengungen deutlich intensivieren. Ziel ist es, die Zahl der Schulabbrecher bis zum Schuljahr 2012/2013 zu halbieren. Nach der Schule ist eine gute Ausbildung wichtig für den weiteren Lebensweg- und für eine erfolgreiche Integration. Denn Integration verläuft vor allem über den Arbeitsmarkt. Beide Seiten sind gefordert: Die Migranten fordere ich auf, sich einzubringen und eine Ausbildung durchzuhalten. Denn eine abgeschlossene Ausbildung ist die Eintrittskarte ins Berufsleben. Und an die Wirtschaft appelliere ich, mehr Jugendlichen aus Zuwandererfamilien eine Chance zu geben und ihre Potenziale zu nutzen. Viele Unternehmen setzen bereits auf Vielfalt- und das mit großem Erfolg. Politik

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  1. Markus Hill sagt:

    Zitat:
    „Der Nationale Integrationsplan mit den 400 Selbstverpfllichtungen hat sich bewährt. Jetzt gilt es, ihn zu einem Aktionsplan mit klar definierten und zu überprüfenden Zielen weiterzuentwickeln. Dadurch erreichen wir eine größere Verbindlichkeit.“
    Die Aussage erscheint mir unklar. Man kann sie vielleicht auch so verstehen, dass die Selbstverpflichtungen nicht oder nur in Teilen eingehalten wurden und man nun doch zum bewährten „Pflichten-Plan“ abändert. Man fragt sich, warum man viel Zeit hat ins Land streichen lassen und nicht VORHER (!) klar definierte, überprüfbare Ziele vereinbart hat. Man kann nur hoffen, dass diese neuen Integrationspläne (oder wie man immer auch diese nennen mag) zumindest auch mit einem wirksamen Sanktionsgerüst versehen werden. Das könnte sehr zur Steigerung der Effizienz von solchen Massnahmen führen. Dadurch die Person und das Amt dieser Dame auch in der Öffentlichkeit aufgewertet und sie würde glaubwürdiger erscheinen. Integrationspolitik beinhaltet wohl nicht nur nette Worte sondert beinhaltet auch Konflikt- und Diskussionspotential. Zudem gibt es auch noch den Wählerauftrag, dem die Dame nachkommen möchte.

  2. Yasar sagt:

    Ich verstehe nicht diese Lust und das Verlangen nach „Konflikt- und Diskussionspotential“ wenn über Integration oder ähnliches gesprochen wird? Warum wird sofort nach Sanktionen und Forderungen gerufen?
    Der längste Weg zu einer Person ist der über die Herzen; dies gilt wohl auch in dieser Thematik. Frau Böhmer möchte, dass alle Deutsch lernen. Gut, allerdings habe ich keinen einzigen Nicht-Deutschen (ich mag den Begriff „mit Migrationshintergrund“ nicht), der jemals das Gegenteil behauptet hätte. Warum erwähnt die Professorin Böhmer auch nicht im gleichen Atemzug, dass für das Erlernen einer zweiten Sprache das Beherrschen der Muttersprache von entscheidender Bedeutung ist? Antwort: denn bei dieser Muttersprache handelt es sich oft um Türkisch und Arabisch, oder haben sie jemals davon gehört, dass man englisch-sprachige Ausländer auffordert auch zu Hause mit ihren Kindern Deutsch zu sprechen? Natürlich nicht!
    Also – wenn man Konflikte und Diskussionen möchte, dann bitte ohne Scheuklappen.

    • Markus Hill sagt:

      Da ist nichts gegen zu sagen. Natürlich wird so etwas keiner englischsprachigen Familie vorgeworfen. Wohl einfach deswegen, weil bei diesen wohl wenig Gruppierungen auftreten die soviel Probleme aufweisen wie bildungsferne türkische Migranten. Und um die geht es vorrangig bei dieser Diskussion. Wir würden hier doch ein Scheingefecht führen, wenn wir hier über doppelte Sprachkenntnisse bei Migranten reden. Jeder türkische Akademiker oder türkische Migrant mit Ausbildung etc. wird seine Kinder in der Regel verantwortlich erziehen – egal ob in einer oder zwei Sprachen. Darum geht es hier überhaupt nicht. Es geht bei Sanktionen um verantwortungslos handelnde Bürger, die nachweislich über Jahrzehnte Problemgeneration um Problemgeneration herangezogen haben. Da ist nichts Verwerfliches zu sehen an Sanktionsinstrumenten. Man sollte zumindest darüber diskutieren. Der „Vergangenheits-Schmuse-Kurs“ hat ungewünschte Ergebnisse gebracht, versuchen wir es einfach einmal auf eine neue Weise. Meinetwegen mit Testzeit.
      Die entsprechenden türkischen Problem-Migrantengruppierungen haben wenig dafür getan, die Herzen der deutschen Mehrheitsbevölkerung zu gewinnen. Das sollte keine Einbahnstrasse sein, diese Leute haben ihrer Chance über Jahrzehnte gehabt. Mit einer desaströsen Performance. Bitte haben Sie Verständnis dafür, dass das umgekehrt wohl gegenwärtig auf wenig Resonanz als Wunsch stösst. Ich glaube, wenn die in den Medien oft charakterisierten Problemgruppen-Türken (und um die handelt es sich, wenn Sanktionsinstrumente diskutiert werden) einmal kontinuierlich Leistung zeigen, wird die Presse besser und damit der Ruf ALLER Türken. Dazu gehören zunächst einmal gute Deutschkenntnisse. Ich weiss, der Weg über Leistung ist schwieriger als als der Weg über die Herzen. Lassen wir zu Beginn einfach die Herzen der Deutschen durch die Anstrengung der Problem-Migranten erobern. Wäre auf fair, da sich eine wesentliche kleinere Anzahl von Menschen einmal ernsthaft um diese Sprachkenntisse bemühen würde. Das wäre der beste Weg, um auch deren Kindern eine erfolgreich Zukunft in Deutschland zu gewährleisten!:-)

      • Markus Hill sagt:

        PS: Ich gebe Ihnen auch darin Recht (umgekehrt) – ich verstehe das Bedürfnis an künstlicher Harmonie, das Probleme- unter-den-Teppich-kehren und das reflexhafte Aufheulen auf Migrantenseite nicht, wenn es um die Bereiche Forderungen und Sanktionen geht.
        Zumal es, glaube ich, die zwei Formen von „Sprache“ sind, die diese Problemgruppen sehr gut verstehen. Man könnte integrationspolitisch sogar bei bildungsfernen Migranten in diesem Zusammenhang von zielgruppenadäquater Kommunikation sprechen. (Rolle von Autorität in diesem „Kulturkreis“). Ich glaube, dass die meisten Leute der „Gastgesellschaft“ nicht die Geduld haben, dass nochmals 30 Jahre türkische Problem-Migrationsgeschichte geschrieben werden muss, da man Einsicht bei den Bildungsfernen durch den Dialog der Herzen gewinnen möchte. Einfach einmal ein Beispiel: Die Deutschen haben die Gastarbeiter nach Ablauf der befristeten Arbeitsverträge nicht einfach aus dem Land geworfen. Im Gegenteil – es gab noch Familiennachzug, genehmigt. Das war ein Dialog der Herzen: Grosszügigkeit, Nettigkeit. Was hat es gebracht? Vorwürfe, die Forderung, dass man diesen Leuten von Anfang an auch noch Sprachkurse hätte schenken müssen etc.
        Sie sehen, es hat den Deutschen nichts gebracht, so nett gewesen zu sein. Es wäre eine Form von ausgleichender Gerechtigkeit, wenn die türkischen Problemmigrantengruppen (ich weiss nicht genau, wieviel es in den Problembezirken der deutschen Städte gibt) einmal „in die Pötte“ kommen würden. Die Deutschen würden das wahrscheinlich als eine Form von Dankbarkeit auslegen und dann eher mit offenen Herzen auf diese Leute zugehen. Bei der Migrationsdebatte gibt es tatsächlich noch auch eine Sichtweise der deutschen Mehrheitsbevölkerung, das geht vielleicht manchmal etwas unter im engagierten Dialog. Wie gesagt, Streiten ist nichts Schlimmes. Das Totschweigen in der Vergangenheit produziert letztendlich nur die nächsten Sarrazins, das muss eigentlich nicht sein.:-)