Studie
Heimatverbundenheit hemmt nicht die Integration
"In Deutschland galt es bislang eher als integrationshemmend, wenn Migranten noch Verbindungen zu ihrem Herkunftsland haben", sagt Dr. Zeynep Sezgin. Nun zeigt sich, dass transnationale Migrantenorganisationen der Integration durchaus dienen und beiden Seiten Vorteile bringen können.
Montag, 03.08.2009, 6:37 Uhr|zuletzt aktualisiert: Mittwoch, 08.01.2020, 15:45 Uhr Lesedauer: 2 Minuten |
Transnationale Migrantenorganisationen bieten neue Ansätze
Wir erinnern uns – Ende 2007 organisierten sich innerhalb weniger Tage 20.000 Aleviten aus ganz Europa auf der Kölner Domplatte zum Protest gegen einen ARD-Tatort. Wie konnte das einer ethnischen Gruppe mit eher schwachen dezentralen Organisationsstrukturen gelingen?
Die „Verbreitung und Kontextbedingungen transnationaler Migrantenorganisationen in Europa (TRAMO)“ erforscht ein internationales Projekt unter Leitung von Prof. Dr. Ludger Pries (Organisations- und Mitbestimmungsforschung) und stellt dabei fest, Integration und Bewahrung der eigenen kulturellen Identität müssen kein Widerspruch sein.
Spätes Interesse der Forschung an Migrantenorganisationen
Die Selbstorganisation der Migranten in Deutschland ist noch relativ unerforscht. Erst Jahrzehnte nach der Einwanderung der ersten Gastarbeiter wurde diese Fragestellung zum Forschungsthema. Dabei gab es längst Hinweise dafür, dass viele Gruppen nicht nur in Deutschland aktiv sind, sondern auch in den Heimatländern ihrer Mitglieder. Sie arbeiten transnational. Ihre Strukturen und ihr Vorkommen werden derzeit in dem internationalen Projekt (Laufzeit 2007 bis 2010) untersucht.
Gefördert von der VolkswagenStiftung nehmen unter Federführung des Bochumer Teams drei weitere Universitäten an dem Projekt teil, um einen internationalen Vergleich zu ermöglichen: die Universitäten Warschau, Oxford und Granada.
Heimatverbundenheit hemmt nicht die Integration
Dabei können die Migrationsforscher gleich mit einem Vorurteil aufräumen: „In Deutschland galt es bislang eher als integrationshemmend, wenn Migranten noch Verbindungen zu ihrem Herkunftsland haben“, sagt Dr. Zeynep Sezgin, Koordinatorin des Projekts in Bochum. Migranten sollen sich entscheiden – für das Land, in das sie einwandern, und damit gegen ihre türkischen, polnischen oder griechischen Wurzeln.
Dabei zeigt sich nun, dass transnationale Migrantenorganisationen der Integration durchaus dienen und beiden Seiten Vorteile bringen können. So können etwa deutsche Unternehmen mit Hilfe von Migrantenorganisationen gute Kontakte ins Ausland knüpfen. Und wie das Beispiel der Aleviten zeigt, können die Organisationen auch aus der Ferne etwas für ihre Heimat tun, zum Beispiel im Hinblick auf Demokratisierungsprozesse.
Über 3.000 Migrantenorganisationen in deutschen Großstädten
Das Team startete zunächst mit einer Bestandsaufnahme in Deutschland. Mit Hilfe verschiedener Vereinsregister, Nachfragen bei Ausländerbeiräten, Behörden und Integrationsbeauftragten erstellten die Forscher die derzeit umfangreichste Liste von Migrantenorganisationen in 75 kreisfreien Großstädten. Allein dort registrierten sie 3.480 Gruppen, rund ein Drittel von ihnen in Nordrhein-Westfalen. Mehr als ein Viertel (28%) der Gruppen sind türkisch, gefolgt von anderen europäischen Ländern wie Spanien oder Portugal (22%) und Afrika (11%).
Doch diese „Liste“ war für das Bochumer Team nur der erste Schritt; für eine genauere Analyse begrenzten die TRAMO-Forscher ihre Auswahl auf je vier polnische und türkische Migrantenorganisationen mit religiösen und/oder politischen Motiven. Die acht Organisationen werden derzeit hinsichtlich ihrer Transnationalität analysiert. Dafür untersuchen sie Schriften, Pressemitteilungen und Satzungen der Organisationen, interviewen Experten auf diesem Forschungsfeld, nehmen an offiziellen Veranstaltungen und Aktionen teil. Die Ergebnisse sollen Herbst dieses Jahres vorliegen. Gesellschaft Studien
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“In Deutschland galt es bislang eher als integrationshemmend, wenn Migranten noch Verbindungen zu ihrem Herkunftsland haben”.
–> Das ist die weitverbreitete Meinung, welche besonders die CDU vertritt (Integrationshindernisse, Loyalitätskonflikte, etc.). Bin echt gespannt ob jemand aus dieser Partei zu dieser Studie Stellung bezieht, oder wie sonst auch üblich die Meinungen der Migrationsforscher und anderer -spezialisten (Rechtswissenschaflter, gemeinnützige Vereine, Menschenrechtsorganisationen, etc.) ignoriert…
Solche Studien sind gut und versachlichen die Diskussion. Zudem geben Sie oft Anregungen und Ideen. Ich glaube, dass diese Studien deswegen oft nicht so ernst genommen werden, da ein Grundverdacht besteht. Oft fällt auf, dass vorrangig türkische Namen auftreten. Da kommt der Verdacht auf, dass da jemand wieder in eigener Sache agiert (wie man auch bei einer Arbeitgeberstudie am Ende nicht damit rechnet, dass dort nachher mehr Rechte für Arbeitnehmer eingefordert werden). Das Unglück – selbst bei grosser Objektivität und gutem Willen – besteht vielleicht oft nicht getrennt wird zwischen Migrations- und „Türkenpolitik“. Thema ist einfach die Glaubwürdigkeit. So ähnlich wie bei http://www.migazin.de. Der gute Will besteht hier, dass man glaubwürdig Integrationspolitik moderieren, begleiten und fördern möchte. Die Wahrnehmung (wenn andere Migrantengruppen sich nicht anschliessen, ein oder zwei Asiaten in den Leserzuschriften sind wenig repräsentativ) verengt sich dann immer auf das Label „Türkenstudie“ oder „Türkenseite“ – die Akzeptanz leidet hierbei. Und eine CDU kann dann notfalls immer sagen: Tendenziös, Lobby-Politik, interessegeleitet. Eine Lösung ist mir nicht bekannt – vielleicht müsste vielleicht einmal ein Institut mit einem Polen, Chinesen oder Inder solche Studien vorstellen. Vielleicht für man dann Gehör für diese Punkte finden.
In Bezug auf diese Studie gebe ich Ihnen Recht, ein türkischer Name ist ersichtlich, aber trauen Sie einem ausländischen Akademiker nicht genau so eine Neutralität zu, wie einem deutschen Akademiker?
Zudem muss man sagen, dass es eine Menge Studien von deutschen Akademikern und Spezialisten gab und gibt. Als Beispiele lassen sich die Expertenrunde Anfang 2008 nennen (http://www.jurblog.de/2008/01/03/doppelte-staatsbuergerschaft-experten-fordern-abschaffung-des-optionsmodells/) oder ein aktueller Aufruf (http://www.wider-den-optionszwang.de/stellungnahmen.html).
Natürlich habe ich nicht gemeint, dass ein Türke nicht bzgl. türkeibezogenener Fakten forschen kann. Es wurde in der vorangegangenen Mail gefragt, warum die CDU so etwas ggfs. ohnehin nicht berücksichtigen würde. Ich wollte lediglich aufzeigen, dass das Pro-domo-Sprechen von Türken in Türkeifragen mit dem Label „Integration / Migration“ schnell in die Ecke von Befangenheit und Lobby-Arbeit gedrängt wird. Zumindest besteht die grosse Gefahr. Zumal damit dann einhergeht, dass man den Autoren solcher Studien die „professionelle Redlichkeit“ abspricht, da der Generalverdacht der Parteilichkeit bewusst oder unbewusst im Raum steht. Zusätzlich entsteht wohl oft in der Öffentlichkeit der Eindruck, dass von türkischer Seite ständig „herumgenörgelt“ wird (Gefühle – muss nicht im Sachkontext berechtigt sein). Wieder ein Stigmatisierungs-Effekt, der so bei anderen Migrantengruppen weniger ins Gewicht fällt. Im Kontrast dazu würden Studien von als unabhängig empfundenen (!) Chinesen, Indern, Polen etc. wahrscheinlich zu Beginn unverkrampfter und unvoreingenommener aufgenommen. Die Botschaft könnte man berechtigterweise die gleiche sein.
Fairerweise: Ich weiss nicht, ob es so viele Studien-Organisatoren mit nicht-türkischem Hintergrund gibt. Ab und an gibt es jedoch Studien auf EU-Level, denen in der Öffentlichkeit eine grössere Glaubwürdigkeit unterstellt wird. Anmutungsqualität, muss nicht den Tatsachen entsprechen.
PS: Natürlich sollten solche Studien berücksichtigt werden. Vergessen wird dabei oft, dass eine Partei kein unabhängiges Schiedsgericht ist. Die CDU ist nun einmal die CDU. Bei guten Sachargumenten ist es bei jeder Partei „dumm“, wider besseren Wissens zu handeln. Dafür gibt es ja bald auch Wahlen.:-)
Zitat:
„Eine Lösung ist mir nicht bekannt – vielleicht müsste vielleicht einmal ein Institut mit einem Polen, Chinesen oder Inder solche Studien vorstellen. Vielleicht für man dann Gehör für diese Punkte finden.“
Das hatten Sie vielleicht überlesen. Ich hatte bewusst auf ANDERE ausländische Wissenschaftler verweisen wollen. Im Umkehrschluss: Natürlich können auch Deutsche da zielführende Studien erstellen.:-)