Diskriminierung
Europäische Parlament beschließt eine neue Antidiskriminierungsrichtlinie
Das Europäische Parlament beschließt die neue Antidiskriminierungsrichtlinie, die auf die Gleichbehandlung ungeachtet der Religion oder der Weltanschauung, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Ausrichtung außerhalb des Arbeitsmarktes zielt, also etwa in den Bereichen Sozialschutz, Bildung, Transport oder Zugang zu Dienstsleistungen.
Mittwoch, 08.04.2009, 8:48 Uhr|zuletzt aktualisiert: Sonntag, 05.09.2010, 3:07 Uhr Lesedauer: 3 Minuten |
Die neue Richtlinie ergänzt die bereits bestehenden Diskriminierungsverbote aufgrund der Religion oder der Weltanschauung, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Ausrichtung, die allerdings lediglich in Beschäftigung, Beruf und Berufsausbildung Anwendung finden. Dabei handelt es sich um einen Rahmen von Mindestnormen, der Schutz vor Diskriminierung bietet. Die Mitgliedstaaten können stets ein höheres Maß an Schutz bieten, dürfen ihr derzeitiges Schutzniveau jedoch nicht infolge dieser Richtlinie verringern.
Diskriminierungsverbot in Bereichen außerhalb des Arbeitsmarktes
Die Richtlinie verbietet Diskriminierung in einer Reihe von Bereichen außerhalb des Arbeitsmarktes, unter anderem in den Bereichen Sozialschutz, Bildung sowie Zugang zu und Versorgung mit Gütern und Dienstleistungen, wie z. B. Wohnraum, Transport sowie Gesundheit.
Allerdings sollen nach dem Willen des Europäischen Parlaments „Transaktionen zwischen Privatpersonen, für die die Transaktionen keine berufliche oder gewerbliche Tätigkeit darstellen“, ausgenommen werden. Auch „Mehrfachdiskriminierung“, einer Kombination aus zwei oder mehreren Gründen, sollen unter die Richtlinie fallen.
Kein Eingriff in Zuständigkeiten der Mitgliedstaaten, etwa im Bildungsbereich
Allerdings findet die neue Richtlinie keine Anwendung auf das einzelstaatliche Recht zur Gewährleistung des säkularen Charakters des Staates. Gleiches gelte für die Lehrinhalte, die Aktivitäten und die Gestaltung der einzelstaatlichen Bildungssysteme. Die Ausübung der Zuständigkeiten der Mitgliedstaaten in den Bereichen Bildung und Sozialschutz, einschließlich der sozialen Sicherheit und des Gesundheitswesens, wird nicht berührt.
Ebenso wenig werde die Trennung der Zuständigkeiten zwischen der Europäischen Union und den Mitgliedstaaten, einschließlich des Bereichs des Ehe- und Familienrechts sowie des Gesundheitsrechts, geändert. Die Richtlinie betrifft zudem nicht die unterschiedliche Behandlung aus Gründen der Staatsangehörigkeit. Auch in den Bereichen Werbung und Medien findet die Richtlinie keine Anwendung.
Gewisse Ungleichbehandlungen können vertretbar sein
Ungleichbehandlungen können ausnahmsweise zulässig sein, „sofern sie durch ein legitimes Ziel objektiv und ausreichend gerechtfertigt sind und wenn die Mittel zur Erreichung dieses Ziels angemessen und erforderlich sind“. Dabei kann es sich beispielsweise um besondere Altersbedingungen für den Zugang zu alkoholischen Getränken, Waffen oder zu einem Führerschein handeln.
Darüber hinaus können von Versicherungen oder Banken angewandte „behinderungs- und altersbezogene versicherungsmathematische Faktoren und Risikofaktoren“ als nicht diskriminierend angesehen werden. Allerdings muss nachgewiesen wird, dass es sich um für die Risikobewertung maßgebliche Faktoren handelt. Auch muss der Dienstleistungserbringer anhand versicherungsmathematischer Grundsätze oder statistischer oder medizinischer Daten „bedeutend höhere Risiken“ belegen. Diese Daten müssen „exakt, aktuell und relevant sein und auf Antrag zur Verfügung gestellt werden“.
Maßnahmen im Zusammenhang mit Alter und Behinderung, die günstigere Bedingungen schaffen, wie beispielsweise Ermäßigungen für Verkehrsmittel, Museen oder Sportstätten, sind ebenfalls mit dem Grundsatz der Nichtdiskriminierung vereinbar.
Koch-Mehrin/Alvaro: Neue Antidiskriminierungsrichtlinie ist falsch
Die Vorsitzende der FDP im Europaparlament und Spitzenkandidatin zur Europawahl, Silvana Koch-Mehrin, und der FDP-Europaabgeordnete Alexander Alvaro kritisieren indessen die neue EU-Richtlinie zur Antidiskriminierung.
Sie verstoße nach Auffassung der FDP gegen das Prinzip der Subsidiarität. Es falle nicht in die Kompetenz des EU-Gesetzgebers, in der Sozialgesetzgebung derart weit in die Selbstbestimmung der Mitgliedstaaten einzugreifen. Die Bekämpfung von Diskriminierungen aller Art sei für Liberale ein unbedingtes Kernanliegen. Die vorgesehene Ausdehnung der Antidiskriminierungsvorschriften auf nahezu alle Lebensbereiche sei aber realitätsfremd.
„So führt zum Beispiel die in der Richtlinie verankerte Beweislastumkehr dazu, dass Beschuldigungen ohne hinreichende Beweise ausreichen, um ein Verfahren zu eröffnen. Betroffene müssten dadurch Entschädigungen leisten, obwohl sie nicht diskriminiert haben, aber ihre Unschuld nicht nachweisen können.“, so Koch-Mehrin und Alvaro. Das passe nicht in einen Rechtsstaat. Sozialgesetzgebung müsse Sache der Nationalstaaten bleiben.
363 Abgeordnete stimmten für die Richtlinie, 226 dagegen. (EP, MiG) Recht
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