Sevim Dagdelen

Verwaltungsgerichtsurteil widerspricht Rechtsauffassung des Innenministeriums

Die Bundestagsabgordnete Sevim Dagdelen (Die Linke) erklärt, dass die Rechtsauffassung des Bundesinnenministeriums einem akutellen Beschluss des Berliner Verwaltungsgerichts vom 25. Februar 2009 widerspricht. Dennoch rechnet Dagdelen "mit einem anhaltenden Widerstand der Bundesregierung".

Donnerstag, 26.03.2009, 17:20 Uhr|zuletzt aktualisiert: Donnerstag, 12.08.2010, 7:37 Uhr Lesedauer: 2 Minuten  |  

„Wie jetzt bekannt wurde, liegt ein erster Beschluss des Berliner Verwaltungsgerichts zur Visumsfreiheit für türkische Staatsangehörige infolge der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs vor (VG 19 V 61.08, Beschluss vom 25. Februar 2009).“, so Dagdelen. Aus der Begründung des Beschlusses ergebe sich, dass türkische Staatsangehörige visumsfrei nach Deutschland einreisen können, wenn der vorrangige Zweck der Einreise die Inanspruchnahme von Dienstleistungen sei. Dies betreffe Touristinnen und Touristen, aber z.B. auch Menschen, die in Deutschland einen Sprachkurs in Anspruch nehmen wollen.

Dagdelen weiter: „Erst gestern hat die Bundesregierung im Bundestag auf meine Anfrage hin behauptet, das so genannte Soysal-Urteil des EuGH sei allenfalls auf die aktive Dienstleistungserbringung anwendbar, was aber noch geprüft werden müsse (Plenarprotokoll 16/213, S. 23073 ff). Vor einer Woche hatte Staatssekretär Altmaier am selben Ort hingegen noch ganz allgemein von der „Dienstleistungsfreiheit“ gesprochen (Plenarprotokoll 16/210, S. 22709).“

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Nun habe das zuständige Berliner Verwaltungsgericht in seinem Beschluss klargestellt, dass die so genannte Stillstandsklausel im Assoziierungsrecht zwischen der EU und der Türkei, mit der die Visumsbestimmungen von 1973 im Bereich der Dienstleistungsfreiheit „konserviert“ werden, auch die passive Dienstleistungsfreiheit umfasse. Das Gericht habe sich dabei auf eine einheitliche Rechtsauffassung in der Rechtsprechung und Fachliteratur gestützt. Im konkreten Fall sei der Antrag nur deshalb zurückgewiesen worden, weil das Gericht davon ausging, dass der türkische Antragsteller keinen touristischen Aufenthalt anstrebte, sondern vorrangig zu Besuchszwecken einreisen wollte. Im Umkehrschluss sei die Konsequenz klar: Der Versuch der Bundesregierung, die Konsequenzen aus dem Soysal-Urteil des Europäischen Gerichtshofs zu ziehen, sei zum Scheitern verurteilt. Das Bundesinnenministerium stehe mit seiner Verweigerungshaltung auf rechtlich verlorenem Posten.

„Ich rechne allerdings mit einem anhaltenden Widerstand der Bundesregierung. Denn eine Nebenfolge des Sosyal-Urteils ist, dass die Neuregelung des Erwerbs von Sprachkenntnissen vor der Einreise im Rahmen des Ehegattennachzugs ad absurdum geführt wird: Türkische Staatsangehörige könnten zum Erwerb der deutschen Sprachkenntnisse visumsfrei nach Deutschland einreisen. Sie müssten dann lediglich noch einmal aus- und mit einem Visum wieder einreisen – was jedoch bloße Schikane wäre.“, führt Dagdelen abschließend aus. Politik

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  1. Serdar sagt:

    Danke Frau Dagdelen,die Migranten in Deutschland sind stolz auf Ihre Arbeiten. Die Ehen sollen nicht aufgrund von Sprachkenntnissen monatelang,jahrelang oder auch für immer getrennt werden,das ist eine Menschenrechtsverletzung und die Verletzung des Ehe- und Familienrechts.

  2. Der ablehnende Prozesskostenhilfe Beschluss des VG Berlin erkennt in der Tat die passive Dienstleistungsfreiheit an und führt weiter aus, dass Touristen nach der Rspr. des EuGH hierunter fallen würden.
    Allerdings ist der Versuch zwischen Besuchsreisen und touristischen Reisen zu unterscheiden nicht überzeugend.
    Juristisch wohl auch unzutreffend. Schließlich lautete die DVAuslG bis 1980 wie folgt:
    §2 Abs.2 DVAuslG
    „Staatsangehörige der in der Anlage 1 zu dieser Verordnung aufgeführten Staaten (Türkei war dabei), die Inhaber von Nationalpässen sind, bedürfen keiner Aufenthaltserlaubnis, wenn sie
    Nr.1 sich nicht länger als drei Monate im Geltungsbereich des Ausländergesetzes aufhalten und keine Erwerbstätigkeit ausüben wollen (hierunter fällt die passive Dienstleistungsfreiheit)
    Nr.2 sich im Dienst eines nicht im Geltungsbereich des AuslG ansässigen Arbeitgebers zu einer ihrer Natur nach vorübergehenden Dienstleistung als Arbeitnehmer im Geltungsbereich aufhalten, sofern die Dauer des Aufenthaltes 2 Monate nicht übersteigt (aktive Dienstleistungserbringer).
    Nr.3 umfasst Vorträge oder Darbietungen künstlerischen, wissenschaftlichen und sportlichen Charakters bis zwei Monate (privilegierte Berufsgruppen).

    Das Gericht erschrickt vor der eigenen Courage und macht einen Rückzieher in dem es aus einem Touristen plötzlich einen Besucher macht. Eine Person kann vieles sein. Er kann mit einer reise auch viele Motive verfolgen. Er kann Tourist sein und Besucher zugleich. Wo liegt die Grenze. Wenn ich für zehn Tage reise, davon 6 Tage im Hotel übernachte und vier bei meinem Freund? Bin ich 60 % Toutrist und 40 % Besucher?

    Im Klartext sagt der Beschluss: Wenn der Türke mit einem Reiseveranstalter einreist, dann ist er Tourist, da ja eine Reise gebucht wurde. Wenn er auf eigene Faust einreist, und hier zufällig Bekannte besucht, dann soll er Besucher sein. Soll man Kontaktsperren verhängen zu den Bekannten und Verwandten? Wie soll das funktionieren?
    Soll man einen der nach dem VG mit Besuchervisum einreist, und sich zwei Monate bei der Tochter aufgehalten hat im Falle einer Krankheit hindern einen Arzt zu besuchen oder plötzlich ein paar Museen zu besuchen weil er sonst passiver Dienstleistungsempfänger wird einen Zweckwechsel vollzieht und wiederum zu diesem Zweck 3 Monate sich erlaubt im Bundesgebiet aufhalten darf. Wer soll dies kontrollieren? Wer soll dies verhindern?

    Außerdem setzt sich das Gericht nicht damit auseinander, dass man eine Dienstleistung nämlich die Reisebeförderung (Flugzeug oder Bus) eines Dienstleistungserbringers in Anspruch nimmt.
    Es würde wiederum eine Beschränkung dieser Dienstleistungsfreiheit bedeuten, wenn der Unternehmer Besucher und Touristen auseinander dividieren müsste. Er wird in seiner wirtschaftlichen Betätigung beschränkt, was gegen das effet utile Grundsatz verstossen würde.

    Im Umkehrschluss ist jeder ehrliche Antragsteller nach dem VG Beschluss wohl schlecht dran.
    Für Öger Türk Tours tun sich riesen Marktchancen auf. Ich wundere mich, dass die Reisebranche noch nicht dies realisiert hat. Noch verwunderlicher ist, dass der Europaabgeordnete Vural Öger dies nicht erkennt.
    Er ist zum Millionär geworden, mit der bahnbrechenden Idee Türken in die Türkei zu befördern. Nun könnte er wiederum seine Millionen aufstocken, in dem er Türken wieder nach Deutschland befördert. Warum passiert nichts im Europaparlament?

    RA Ünal Zeran, Hamburg

  3. Pingback: Presseschau - Türkische Presse vom 27.03.2009 - Visafreiheit für Türken, Schäuble, türkische Pflegekinder | MiGAZIN