Ein Aufruf

Wir lassen uns nicht in „Wir“ und „die Anderen“ spalten!

Ein Zusammenschluss von Wissenschaftlern, Lehrenden und Aktivisten appellieren in einem Aufruf an die Öffentlichkeit und Politik, zusammenzuhalten - unabhängig von Herkunft und Religion. Das MiGAZIN veröffentlicht den Aufruf im Wortlaut:

Freitag, 29.09.2017, 4:20 Uhr|zuletzt aktualisiert: Dienstag, 03.10.2017, 17:32 Uhr Lesedauer: 6 Minuten  |  

Alle Menschen haben die gleiche Würde und die gleichen Menschenrechte. Dies gilt immer, überall und für alle. Menschenrechte sind nicht teilbar, nicht zwischen Menschen und Menschengruppen, nicht einzelne Rechte gegenüber anderen Rechten. Auf diese Prinzipien haben sich die Vereinten Nationen in der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte angesichts der Verbrechen zu Zeiten von Kolonialismus und Nationalsozialismus geeinigt und dies wurde auch im Grundgesetz der Bundesrepublik als zentrale Grundlage des Zusammenlebens festgeschrieben: „Die Würde des Menschen ist unantastbar. Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich.“ Dies sind gesetzliche Regelungen und Aufforderungen, dass die Würde keines Menschen angetastet und verletzt wird, dass alle Menschen in ihren Rechten und Menschenrechten respektiert werden.

Wir als Wissenschaftler*innen, Lehrende, Aktivist*innen, als Personen mit und ohne Migrationsgeschichten, Personen mit und ohne alltägliche Rassismuserfahrungen sehen seit Jahrzehnten in den Bereichen von Bildung und Migration, dass die Rechte von migrierten und geflüchteten Personen durch Gesetze (Staatsangehörigkeits-, Aufenthalts- und Asylrecht) und Erlasse in der BRD verletzt werden. Wir beobachten diskriminierende Handlungen (institutionell und strukturell) in den Bereichen Arbeitsmarkt, Wohnungsmarkt, Bildung, Gesundheit gegenüber migrierten und geflüchteten Personen, gegenüber Personen, die als „nicht-weiß“, „nicht-deutsch“, als „nicht-sesshaft“ oder „nicht-christlich“ angesehen werden. Wir beobachten Sprachhierarchien („Türkisch kommt in die Hauptschule, Englisch aufs Gymnasium“) und Sprachverbote.

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Geflüchtete Personen im Asylverfahren, Schwarze Menschen in Deutschland, Roma und Sinti, als Migrant*innen, als Muslime und Juden angesehen Personen erleben systematische Abwertungen und Ausgrenzungen. Und wir sehen, dass Gesetze die gleichen Rechte und die Idee der gleichen Würde von Menschen verletzen: wenn z.B. Personen im Asylverfahren gemäß Asylbewerberleistungsgesetz nur bei akuten Krankheiten zu Ärzt*innen dürfen, nicht aber bei chronischen Krankheiten behandelt werden. Wir sehen, dass Staatsanwaltschaften und Polizei rassistische und rechtsextreme Übergriffe nicht professionell verfolgen, dies gilt sowohl für die NSU-Morde, jedoch auch für die Übergriffe auf die Unterkünfte von geflüchtete Personen (vgl. Amnesty International 2015) und andere körperliche und verbale rassistische Übergriffe (vgl. Amadeu Antonio Stiftung: Das Kartell der Verharmloser).

Wir sehen, dass in der Dominanzgesellschaft zunehmend abwertende und feindliche Einstellungen gegenüber kulturell, religiös, national als „anders“ angesehen und rassistisch kategorisierten Personen vertreten werden.

Im Wahlkampf hat die völkisch-nationalistisch-rassistische Partei AfD gegen geflüchtete und migrierte Personen und gegen Muslime gehetzt. Erschreckenderweise haben mehr als 12 Prozent der Wähler*innendiesen Positionen zugestimmt. Aber auch die meisten demokratischen Parteien haben zum einen seit vielen Jahren gesetzliche Einschränkungen von Menschenrechten beschlossen (Einschränkung des Rechtes auf Bewegungsfreiheit durch die Residenzpflicht, Einschränkung des Rechtes auf Arbeit und Gesundheit, des Rechtes auf Familieneinheit, des uneingeschränktes Schutzes von Leib, Leben und Freiheit bei Abschiebungen). Zum anderen wurden geflüchtete und migrierte Personen (besonders im Wahlkampf) fast ausschließlich als „Sicherheitsproblem“, als zu kontrollierende und durch Zwang und Sanktionen zu integrierende Personen beschrieben. Weder war von den Aufgaben und Pflichten der Dominanzgesellschaft die Rede, noch von den Menschenrechten und der Würde aller Menschen. Nur sehr selten wurden Diskriminierung und Rassismus als gesellschaftliche Herausforderungen benannt.

Wir sind jedoch eine Menschheit, wir haben alle die gleichen Menschenrechte und die gleiche Menschenwürde. Wir lassen uns nicht in „Wir“ und „die Anderen“ spalten. Die aktuelle Herausforderung ist also gegen die Menschen-verachtenden Aussagen der AfD (Stolz sein auf die Verbrechen im Nationalsozialismus, Abwertung von Muslimen und geflüchteten/migrierten Personen, Bevorzugung der als „deutsch“ angesehen Personen; viele AfD-Anhänger*innen befürworten zudem antisemitische Positionen: vgl. http://www.amadeu-antonio-stiftung.de/w/files/pdfs/lagebild-deutschland-internet.pdf) in Diskussionen und Positionierungen anzugehen. Und es geht darum, die Menschenrechte und Würde aller Menschen als Analyseinstrument und Forderung in allen Bereichen anzuwenden und sich für deren Verwirklichung einzusetzen. Dies gilt für Geschlechterverhältnisse, Arbeits- und Einkommensverhältnisse, für Behinderungsverhältnisse, für Fragen von Alter und sexueller Orientierung. Und für das Zusammenleben in der Migrationsgesellschaft. Wir lassen uns nicht in „Wir“ und „die Anderen“ spalten. Wir treten für die gleichen Menschenrechte und die gleiche Würde aller Menschen ein, damit alle faire Möglichkeiten, Zugang zu Ressourcen und gleiche Rechte bekommen. Wir streben eine solidarische Gesellschaft und Welt an, in der gegenseitige Unterstützung statt Konkurrenz und Ausbeutung wichtig sind, wo Respekt für alle Menschen und die Menschenrechte für alle Menschen die Grundlage des Zusammenlebens sind.

Die Liste der Erstunterzeichnenden finden Sie auf der folgenden Seite: Aktuell Panorama

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