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Strand von Chios/Griechenland © Tim Lüddemann @ flickr.com (CC 2.0)

Keine Identifizierung

Tote Flüchtlinge werden namenlos begraben

Bei Todesfällen sind Staaten verpflichtet, den verstorbenen zu identifizieren und den Fall zu untersuchen. Bei Flüchtlingen, die bei der Überfahrt im Mittelmeer ertrunken sind, wird das kaum gemacht. Eine aktuelle Untersuchung kommt zu schockierenden Ergebnissen.

Dienstag, 25.10.2016, 8:25 Uhr|zuletzt aktualisiert: Mittwoch, 08.01.2020, 15:44 Uhr Lesedauer: 2 Minuten  |  

Im Jahre 2015 und der ersten Hälfte 2016 sind 6.600 Flüchtlinge auf dem Weg nach Europa im Mittelmeer ertrunken oder werden vermisst. Die Krise dauert an und die Zahl steigt. Ein neuer Bericht zeigt, dass viele Leichen nicht identifiziert werden. Die Familien zu Hause finden nicht heraus, was mit ihren Angehörigen passiert ist.

„Hinter der sichtbaren Katastrophe von Schiffswracks und Toten im Mittelmeer verbirgt sich die unsichtbare Katastrophe, dass Leichen gefunden werden und nicht genug getan wird, um sie zu identifizieren und ihre Familien zu informieren“, sagt Dr. Simon Robins, Autor des Berichts und ein Senior Research Fellow am Zentrum für angewandte Menschenrechte an der University of York. „Das ist schrecklich für ihre Familien zu Hause. Man kann es mit einer Art Folter vergleichen, gefangen zwischen Hoffnung und Verzweiflung, wo sie nicht wissen, ob sie jemals ihren Angehörigen wiedersehen und ob sie die Hoffnung aufgeben und sich auf den Rest ihres Lebens konzentrieren sollen.“

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Schockierende Befunde

Die Studie wurde durchgeführt von der University of York, City University of London und dem Migrations-Datenanalysezentrum der internationalen Organisation für Migration. Über einen Zeitraum von zwölf Monaten arbeitete ein Forschungsteam auf der griechischen Insel Lesbos und Sizilien und beobachtete, wie die Behörden mit den Leichen von Migranten umgehen. Sie interviewten Mitarbeiter der lokalen Behörden, NGOs, der Küstenwache, Rechtsmediziner, Angestellte bei Bestattungsunternehmen sowie Familien von vermissten Migranten aus Tunesien, Syrien und dem Irak.

Was sie herausfanden, „war schockierend“. Die Anzahl der Flüchtenden hat die Behörden völlig überfordert. Ihre Bemühungen, die Identitäten der Toten festzustellen, waren nicht ausreichend. Amtliche Untersuchungen wurden nur begrenzt durchgeführt und diese waren auch noch oft fehlerhaft. Persönliche Gegenstände von Flüchtlingen wurden nicht systematisch erfasst, um die Identifizierung zu unterstützen oder Überlebende von Schiffswracks wurden nicht befragt. Hinzu kommen Probleme bei der Datenverwaltung von Leichen, die einen Abgleich nahezu unmöglich machen.

Namenlos begraben

„Alle Staaten sind dazu verpflichtet, einen Todesfall zu untersuchen“, sagt Dr. Simon Robins. In vielen Fällen sei das nicht geschehen. Viele Leichen würden namenlos begraben, mit wenig Aussicht darauf, dass sie je identifiziert werden.

Es gibt kein internationales System, mit der Daten von Verstorbenen mit Vermissten abgeglichen werden kann. In Europa gibt es keine Kontaktstelle, an die sich Familienmitglieder wenden können. Eine zusätzliche Hürde ist, dass Familien, die nach vermissten Menschen suchen, oft nicht in der Lage sind, nach Europa zu reisen, um ihre Verwandten zu identifizieren. Der Versuch, ein EU-Visum zu bekommen, ist nahezu aussichtslos.

„Wir glauben, dass Europa eine rechtliche wie moralische Verpflichtung gegenüber den Familien haben, die ein Familienmitglied verloren haben“, sagt Dr. Simon Robins und fordert „mehr Bemühen, die Leiden der wartenden Familien zu beenden.“ (es) Ausland Leitartikel Studien

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