Buchtipp zum Wochenende

funny girl. Witze reißen in der Burka

Eine junge muslimische Frau will Comedy machen: Ihre Familie verstößt sie, die Presse feiert sie als Sensation und im Internet hagelt es Morddrohungen. Und dann kommt doch alles ganz anders als man denkt – das neue Buch von Anthony McCarten.

Von Gabriele Voßkühler Freitag, 08.08.2014, 8:21 Uhr|zuletzt aktualisiert: Montag, 11.08.2014, 21:23 Uhr Lesedauer: 2 Minuten  |  

Wir schreiben das Jahr 2005 und die britische Hauptstadt steht nach den Terroranschlägen auf das Nahverkehrssystem unter Schock. Vor diesem Hintergrund fasst eine junge Frau mit kurdischen Wurzeln den Entschluss Stand-up-Comedian zu werden. Ihr Name ist Azime. Im Hinterzimmer des väterlichen Möbelladens in Nordlondon sammelt Azime heimlich ihre besten Comedy-Nummern und träumt von einem anderen Leben. Ihre Eltern wollen aber nur eins: die älteste Tochter so schnell wie möglich unter die Haube bringen. Doch Azime fasst einen wagemutigen Entschluss: Sie will die erste Burka tragende Bühnenkomikerin der Welt werden. Der Rausschmiss von zuhause und anonyme Morddrohungen sind der Preis, den Azime für ihre nun beginnenden Bühnenerfolge zu zahlen hat. Und da ist auch noch der vermeintliche Ehrenmord an einer kurdischen Schulfreundin. Azime versucht die fragwürdigen Umstände ihres Todes aufzuklären.

Diese beiden Handlungsstränge überschneiden sich immer wieder, und McCarten gelingt es in seinem nunmehr sechsten Roman die Widersprüche und Konflikte im Leben einer jungen muslimischen Frau zwischen Traditionen und Moderne glaubhaft aufzuzeigen. Wie schon in „Superhero“ und in „Ganz normale Helden“ droht auch hier eine Familie zu zerbrechen. Und wieder traut sich ein Familienmitglied besonders viel und macht damit den Weg für einen Neuanfang frei. McCarten erzählt Azimes Geschichte ganz ohne Schwarz-Weiß-Malerei: Die junge Frau ist kein Opfer und ihre Eltern sind keine Unterdrücker. Vielmehr weckt der gebürtige Neuseeländer fernab von allem Schubkastendenken Verständnis für die Emotionen und Handlungen seiner Romanfiguren.

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In verschiedenen Interviews hat McCarten darauf hingewiesen, dass die englische Comedian Shazia Mirza das reale Vorbild für seine junge Romanheldin ist. Diese Londonerin mit pakistanischen Wurzeln wurde nach den Terroranschlägen von 2005 auf den Comedy-Bühnen der britischen Hauptstadt bekannt. Mirza scheut sich nicht davor über die muslimische Gesellschaft Witze zu reissen – und wurde dafür mit dem Tod bedroht. Wie Mirza steht Azime für all die jungen Frauen, die von ihrer Rede und Entscheidungsfreiheit Gebrauch machen, nicht nur als Comedians. Dass dieser Schritt in die Öffentlichkeit nicht immer ein gutes Ende nehmen muss, mag eine der Schwachstellen des Romans sein – McCarten verschreibt seinem Roman eine unwahrscheinliche Happy-end-Therapie. Dennoch träumt man gerne mit ihm: Als geübter Drehbuchautor erzählt der Wahl-Londoner die Emanzipationsgeschichte der jungen Azime in schnellen Schnitten und mit viel Humor. Und so ist dieser Roman extrem leicht zu lesen, ohne jemals leichter Lesestoff zu sein. Funny girl, das ist eine hochexplosive und gleichzeitig kurzweilige Gesellschaftskomödie, die bei keiner Urlaubslektüre fehlen sollte. Prädikat: Besonders wertvoll. Aktuell Rezension

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