Krauselocke.de

„Ich bin keine Randfigur“

Zwei junge Frauen aus Köln gründen vor einem Jahr eine Ratgeberwebsite für Afrohaare. Daraus wird die erste afrodeutsche Webcommunity. Einen Raum für „krause Köpfe und krause Gedanken“ wollen Barbara Mabanza und Esther Donkor schaffen. Mit Erfolg.

Von Thembi Wolfram Donnerstag, 21.02.2013, 8:30 Uhr|zuletzt aktualisiert: Dienstag, 26.02.2013, 22:05 Uhr Lesedauer: 4 Minuten  |  

Thembi Wolfram: Maxi, Glamour, Brigitte – Zeitschriften über Kosmetik und Haarpflege gibt es genügend, dunkle Haut und krause Haare kommen dort aber fast nie vor. Warum eigentlich nicht?

Esther Donkor: Nach wie vor sind wir nicht das Schönheitsideal. Vielleicht wissen die Medienmacher auch nicht, dass der Bedarf da ist. Aber als wir online gegangen sind, haben die Leute uns richtig gefeiert und es sind jede Menge ähnliche Blogs und Seiten aus dem Boden gesprossen.

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Was ist denn anders, wenn man krauses Haar hat?

Donkor: Es geht um Selbstbewusstsein. Als ich zwölf Jahre alt war, hatte meine Mutter genug vom Gezeter und Geschrei beim Haare kämmen und hat mich mit zu einem deutschen Friseur genommen. Der meinte: da geht nichts, die kann man nicht bändigen und hat alles abgeschnitten. Danach sah ich jahrelang aus wie ein kleiner Junge.

Oje.

Link: Hier geht es zur krauselocke.de – für krause Köpfe und krause Gedanken.

Donkor: Als Teenie wollte ich dann einfach glattes Haar, um auszusehen wie alle anderen. Ich habe Relaxer benutzt, eine chemische Paste für afrikanisches Haar. Die Haare wurden glatt, aber irgendwann fielen sie aus. Ich habe mich dann damit abgefunden, dass ich eben anders bin und komisch aussehe.

Und dann?

Donkor: Irgendwann dachte ich: das ist meine Natur, warum muss ich die verstecken? Also habe ich im Internet nach Haarpflegetipps gesucht und gemerkt: Anderen geht es genauso. Es gibt jede Menge amerikanische und französische Websites über krause Schönheit. Nur deutsche nicht. Das haben wir geändert.

Ihr schreibt: Krauselocke.de ist nicht nur für Afrodeutsche Frauen gedacht, sondern ein Zuhause für jeden. Ist das so?

Donkor: Klar, wir bekommen positive Rückmeldungen von allen möglichen Seiten: Eltern, Kinder, Afrodeutsche und genauso blonde Frauen mit krausen Locken. Und je länger es uns gibt, desto mehr Männer posten auf unserer Seite. Aber ich freue mich immer besonders über die Mails von afrodeutschen Mädchen im Teeniealter, die schreiben: Danke, ihr macht mir Mut, zu mir zu stehen.

Hast du offline auch schon so positive Reaktionen bekommen?

Donkor: Ja, das war witzig. Ich war in Köln, in der Disco, auf der Damentoilette. Da rief mir ein Mädchen zu „Hey, du bist doch die von krauselocke.de. Wegen dir habe ich mir meine Haare abgeschnitten.“

Abgeschnitten?

Donkor: Wir empfehlen das immer, sich zu entscheiden die Haare natürlich zu tragen. Es ist ein großer Schritt für uns die kaputten chemisch geglätteten Haare abzuschneiden und zu den natürlichen Locken zu stehen. „Keep it kraus“ ist einer unserer Slogans.

Mittlerweile gibt es auf eurer Seite eine sehr aktive Community.

Donkor: Wir schreiben neben Kosmetiktipps viel über kulturelle Themen und sind auch eine Diskussionsplattform. Letzten Monat hat die Diskussion um das Wort „Neger“ in Kinderbüchern Wellen geschlagen.

Und was sagst du dazu?

Donkor: Na, ich finde es nicht schön, als „Neger“ bezeichnet zu werden. Die Meinungen in der Community waren aber unterschiedlich.

Bei politischen Diskussionen seid ihr sicher auch mit Rassismus konfrontiert, oder?

Donkor: Nein, das ist noch nie vorgekommen. Wir hatten uns darauf gefasst gemacht, dass wir als Seite mit afrodeutschem Fokus einen Shitstorm bekommen oder von Nazis gehackt werden. Deswegen autorisieren wir immer noch jeden einzelnen Kommentar. Aber bis jetzt mussten wir nur einmal etwas löschen – und da ging es um die Inhaltsstoffe eines Shampoos.

In einer Rubrik eurer Seite gibt es kleine Portäts von afrodeutschen Frauen aus ganz Deutschland zu lesen. Von der Maschinenbaustudentin bis zur Schauspielerin.

Donkor: Schwarze Menschen in den Medien sind normalerweise entweder gut im Sport, oder können singen und tanzen. Wir wollen ganz normale Menschen zeigen, die über ihre Geschichte erzählen und auch von ihrem Beruf, Studium oder ihrer Ausbildung. Man muss ja nicht berühmt sein, um ein Vorbild zu sein.

Hättest du dir solche Vorbilder früher auch gewünscht?

Donkor: Total. Manchmal redigiere ich die Interviews und denke: Hey, das wäre doch auch ein Beruf für mich gewesen.

War dein Afrodeutsch-sein denn mal Thema in deiner journalistischen Karriere?

Donkor: Ich war nie die Vorzeigemigrantin. Aber manchmal kamen im Büro Kommentare zu meiner Herkunft. Da hab ich früher so verlegen gelacht, jetzt sage ich meine Meinung. Krauselocke.de hat mir sehr geholfen, selbstbewusst zu werden. Ich weiß, ich bin keine Randfigur oder Ausnahme. Feuilleton Leitartikel

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  1. Chris Pyak sagt:

    Tolles Interview! Sehr positive und tatkräftige Menschen die beiden Mädels. Ihr bewegt etwas zum Besseren und macht anderen Mut. Weiter viel Erfolg. :)

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