Neuer Aufenthaltstitel

Bundesregierung verabschiedet Blaue Karte

Um dem drohenden Fachkräftemangel entgegenzuwirken, hat die Bundesregierung einen neuen Aufenthaltstitel beschlossen: Blaue Karte. Damit soll der Zuzug ausländischer Fachkräfte erleichtert werden.

Montag, 30.04.2012, 8:30 Uhr|zuletzt aktualisiert: Sonntag, 06.05.2012, 22:54 Uhr Lesedauer: 4 Minuten  |  

Der Ruf deutscher Hochschulen ist gut und die Zufriedenheit ausländischer Studenten ebenso. Das meldete der Deutsche Akademischen Austauschdienstes (DAAD) am Dienstag (24.4.12). Vor allem punkten Deutschlands Hochschulen, wenn es um die Ausstattung und die Qualität der Lehre geht. Entsprechend hoch ist die Weiterempfehlungsrate und auch die Zahl der ausländischen Studierenden in Deutschland. Das ist die eine Seite der Medaille.

Auf der anderen Seite gelingt es Deutschland nicht, diese Hochqualifizierten nach beendetem Studium in Deutschland zu halten. Angesichts des drohenden Fachkräftemangels ist das ein herber Verlust. Um dem entgegenzuwirken, hat die Bundesregierung am Freitag (27.4.12) einen neuen Aufenthaltstitel eingeführt: die Blaue Karte EU. Damit wurde das Gesetz zur Umsetzung der EU-Hochqualifizierten-Richtlinie beschlossen und der Zuzug von ausländischen Fachkräften erleichtert.

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Vorrangprüfung: Die ausländische Fachkraft darf beschäftigt werden, wenn für die Beschäftigung kein deutscher Arbeitnehmer zur Verfügung steht. Außerdem darf kein EU-Ausländer zur Verfügung stehen. Prüfung der Vergleichbarkeit der Arbeitsbedingungen: Der Ausländer darf nicht zu ungünstigeren Arbeitsbedingungen als vergleichbare deutsche Arbeitnehmer beschäftigt werden.

Niedrigere Hürden
Danach brauchen ausländische Fachkräfte nur noch ein Bruttojahresgehalt von mindestens 44.800 Euro vorzuweisen – bisher 66.000 Euro. Für Hochqualifizierte in festgelegten Mangelberufen gilt eine Gehaltsgrenze von 34.944 Euro. Dazu zählen insbesondere Ingenieure, akademische und vergleichbare Fachkräfte der Informations- und Kommunikationstechnologie sowie Ärzte. Außerdem soll auf eine Vorrangprüfung und eine Prüfung vergleichbarer Arbeitsbedingungen verzichtet werden. Nur bei Fachkräften in den sogenannten Mangelberufen findet auch weiterhin Vergleichbarkeitsprüfung statt.

Die Regelung sieht erstmals auch die Einführung einer sechsmonatigen Aufenthaltserlaubnis zur Arbeitsuche vor. Damit können Akademiker auch ohne Arbeitsvertrag nach Deutschland kommen, um einen Job zu finden. Experten gehen davon aus, dass von dieser Regelung vor allem mittelständische Unternehmen profitieren werden. Diese hätten sonst kaum Möglichkeiten, Bewerber direkt aus dem Ausland zu gewinnen.

Erleichterungen für Studenten
Verbessert werden auch die gesetzlichen Voraussetzungen für eine Beschäftigungsaufnahme ausländischer Studierender nach dem Studienabschluss an einer deutschen Hochschule. Sie haben künftig 18 statt bislang 12 Monate Zeit, nach dem Studium einen angemessenen Arbeitsplatz zu suchen. In dieser Zeit dürfen uneingeschränkt arbeiten. Auch während des Studiums dürfen sie künftig 120 ganze beziehungsweise 240 halbe Tage arbeiten. Bislang waren 90 ganze beziehungsweise 180 halbe Tage erlaubt.

Für Bundeswirtschaftsminister Philipp Rösler (FDP) ist das neue Gesetz ist „ein wichtiger Baustein der Strategie der Bundesregierung, den Fachkräftebedarf für die Zukunft zu sichern. Es macht den Weg frei für den Einstieg in ein kriterienbasiertes, am Fachkräftebedarf des deutschen Arbeitsmarktes ausgerichtetes Zuwanderungsrecht“. Mit dem neuen Zuwanderungsrecht schaffe Deutschland ein attraktives Angebot für ausländische Fachkräfte, in Deutschland zu arbeiten. „Jetzt geht es darum, durch ein engagiertes Zusammenwirken von Politik, Wirtschaft und allen gesellschaftlichen Kräften in Deutschland eine echte Willkommenskultur für ausländische Fachkräfte zu etablieren.“

Ob das gelingt, darf bezweifelt werden. Denn laut Daniela Kolbe (SPD) fehlt dem Gesetz ausgerechnet die Willkommenskultur. „Es ist zentral, dass Zugewanderte sich in Deutschland wohl und angenommen fühlen, bei Behörden, bei Unternehmen, im öffentlichen Raum.“ Die Aussagen von Regierungspolitikern bewirkten aber oft genau das Gegenteil.

Arbeitslose müssen wieder gehen
Das Gegenteil einer Willkommenskultur wird auch von der Neuregelung ausgestrahlt – in einem ganz wesentlichen Punkt: Es sieht vor, dass die Blue-Card-Inhaber erst nach drei Jahren eine Niederlassungserlaubnis erhalten, wenn ihr Arbeitsverhältnis fortbesteht. Nur wenn deutsche Sprachkenntnisse der Stufe B1 nachgewiesen, kann die Niederlassungserlaubnis bereits nach zwei Jahren erteilt werden. Wer allerdings in den ersten Jahren nach seiner Zuwanderung arbeitslos werden sollte, muss wieder abreisen. Sevim Dağdelen (Die Linke) nennt das „Nützlichkeitsrassismus“.

Dennoch wird die Blaue Karte von Experten insgesamt positiv bewertet. Allerdings fordern sie die Bundesregierung zu weiteren Reformschritten auf. „Deutschland braucht auch Fachkräfte ohne Hochschulabschluss. Daher sollten die Regelungen der Blue Card in einigen Bereichen auch für Fachkräfte mit Berufsausbildung geöffnet werden. Zudem muss das Zuwanderungsrecht insgesamt vereinfacht werden“, so etwa Prof. Klaus J. Bade, Vorsitzender des Sachverständigenrates deutscher Stiftungen für Integration und Migration (SVR).

Der Gesetzentwurf war im Dezember 2011 von der Bundesregierung auf den Weg gebracht worden. Es bedarf noch der Zustimmung des Bundesrates. (etb) Leitartikel Politik

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