
Schrebergärten im Wandel
Gartenhaus als interkulturelle Treffpunkte
Zwischen Beeten und Beerensträuchern entsteht eine neue Form des Miteinanders. Viele Schrebergartenanlagen werden durch Migration bunter und vielfältiger – und das kleine Gartenhaus wird zum Treffpunkt.
Donnerstag, 13.11.2025, 0:35 Uhr|zuletzt aktualisiert: Donnerstag, 13.11.2025, 9:39 Uhr Lesedauer: 3 Minuten |
Schrebergärten haben sich verändert. Das alte Bild vom streng gepflegten Rasen und der homogenen Kleingärtnergemeinschaft verblasst. Stattdessen prägen heute Menschen aus ganz unterschiedlichen Ländern und Lebenswelten das Bild vieler Anlagen. Familien mit Migrationserfahrung, junge Pächter:innen, ältere Gartenliebhaber:innen – sie alle teilen sich Wege, Beete, Werkzeuge und das Gartenhaus. Sie kommen in geselligen Runden zusammen und verbringen immer öfter Zeit miteinander.
Auffällig ist, wie leicht Begegnung hier entsteht. Ein kleines Gartenhaus – meist ein schlichter Bau aus Holz – wirkt einladend und unprätentiös. Die Tür steht offen, es duftet nach Tee oder frisch Gegrilltem, jemand winkt herüber. Gespräche entstehen wie von selbst: über Kräuter, über die Herkunft der Tomatensorte oder darüber, wie man in der alten Heimat gekocht hat.
Für Menschen, die neu in Deutschland sind, kann so ein Ort wertvoll sein. Hier braucht es keine große Sprachsicherheit, keine offiziellen Strukturen, keine Einladungen. Es genügt, vorbeizulaufen und stehenzubleiben.
Alltagsintegration, ohne dass jemand es Integration nennt
In vielen Gärten zeigt sich eine Form des Miteinanders, die außerhalb dieser Orte selten gelingt. Während im Alltag oft Distanz herrscht, spricht man hier miteinander: beim Gießen, beim Ernten, beim Ausruhen im Schatten. Kinder verbinden die Erwachsenen, teilen Spielsachen oder zeigen stolz, was sie angebaut haben. Aus kurzen Grüßen werden längere Gespräche, aus Gesprächen ergeben sich Einladungen.
Das hölzerne Gartenhaus ist dabei der Mittelpunkt eines ganz gewöhnlichen, aber wirksamen sozialen Raums. Es ersetzt keine offiziellen Integrationsangebote – aber es schafft etwas, das diese Angebote oft nicht leisten: echte Nähe.
Eine unterschätzte Chance für Zusammenhalt
Obwohl Kleingärten seit Jahrzehnten Teil der Städte sind, gelten sie selten als Orte gesellschaftlicher Teilhabe. Vielmehr standen sie für einen Rückzugsort, wo man seine Ruhe hat. Doch gerade hier entsteht Zusammenhalt, der im städtischen Alltag kaum noch vorkommt. Menschen, die in engen Wohnungen oder anonymen Hochhäusern leben, finden im Garten einen Ort, an dem sie sich sicher und willkommen fühlen. Viele erzählen, dass sie hier zum ersten Mal echte Nachbarschaft erlebt haben.
Natürlich gibt es auch Konflikte – über Regeln, Anbauformen oder Lärm. Doch diese Reibungen sind natürlicher Teil einer Gemeinschaft, in der Menschen mit unterschiedlichen Vorlieben, Gewohnheiten oder Kulturen zusammenkommen. Viele Vereine haben gelernt, offener zu werden, Vielfalt als Stärke zu sehen und neue Perspektiven zuzulassen. Ohne die wachsende Zahl migrantischer Pächter:innen würden manche Anlagen heute Nachwuchsprobleme haben.
Ein Blick nach vorn
Schrebergärten zeigen, was oft übersehen wird: Integration geschieht nicht nur in Behörden, Kursräumen oder politischen Programmen, sondern dort, wo Menschen miteinander leben. Ein kleines Gartenhaus kann dabei mehr bewirken als mancher teure Neubau. Es lädt dazu ein, sich zu setzen, zuzuhören, zu lachen – und füreinander Nachbar:innen zu werden.
In einer Zeit, in der gesellschaftliche Spaltungen wachsen, wirkt dieser unscheinbare Ort fast wie ein Gegenentwurf. Die Tür steht offen, die Kanne Tee ist warm, und irgendjemand sagt: „Komm rein, setz dich dazu.“ Manchmal beginnt Zusammenhalt genau so. (etb) Panorama
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