Besen, Füße, Putzen, Putzfrau, Reinigung, Saubermachen

Kultur im Wandel

Zwischen Sauberkeit, Katze und Saug-Wisch-Roboter

Wenn in migrantischen Familien Haustiere einziehen, gerät die jahrzehntelang gepflegte Ordnung ins Wanken. Ein Saug-Wisch-Roboter wird dabei nicht zum Gadget, sondern zur Lösung für ein stilles Generationenproblem.

Freitag, 31.10.2025, 0:07 Uhr|zuletzt aktualisiert: Sonntag, 02.11.2025, 18:26 Uhr Lesedauer: 4 Minuten  |  

Als der achtjährige Emir zum ersten Mal fragte, ob die Familie „auch mal einen Hund haben kann, so wie die anderen in der Schule“, reagierte seine Mutter mit einem Lachen, das in Wahrheit eher Abwehr war. „Hund? In der Wohnung? Bei uns? Wer soll denn dann jeden Tag wischen?“ Die Familie Demir lebt seit 35 Jahren in Deutschland, in einer Dreizimmerwohnung in einem Kölner Vorort. Die Schuhe bleiben konsequent vor der Tür, der Staubsauger steht griffbereit. Die Wohnung soll sauber aussehen – nicht nur, weil es sich hygienisch anfühlt, sondern weil Sauberkeit in dieser Familie eine soziale Bedeutung hat. „Wenn Besuch kommt und nicht sauber ist, hört das jeder weiter“, sagt die Mutter.

Sauberkeit als soziale Absicherung

In vielen migrantischen Haushalten aus muslimischen Kulturkreisen hat Sauberkeit weniger mit Perfektionismus zu tun als mit sozialem Frieden. Es geht darum, nicht negativ aufzufallen – nicht Ziel von Getuschel, Kommentaren oder abschätzigen Bemerkungen zu werden. Wer Besuch bekommt, möchte eine makellose Wohnung zeigen – nicht aus Eitelkeit, sondern weil ein schiefer Blick aus der Verwandtschaft oder Nachbarschaft schnell die Runde macht. „Wenn es bei jemandem nicht ordentlich ist, wissen es am nächsten Tag alle“ – dieser Satz beschreibt eine unausgesprochene Regel. Sauberkeit schützt davor, Thema von Gerede zu werden. So folgt der Alltag stillen Routinen, die von Generation zu Generation weitergegeben werden.

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Kinder wachsen anders auf – und wollen Haustiere

Gleichzeitig wächst die nächste Generation längst in einer anderen Normalität auf. In der Schule reden viele Kinder über ihre Hunde oder Meerschweinchen. Influencer:innen zeigen ihren Alltag mit Wohnungskatzen, Kinderbücher erzählen vom Hund, der abends ans Bett springt. In Deutschland lebt fast jede zweite Familie mit mindestens einem Haustier. Unter Kindern zwischen 6 und 14 Jahren sagen 72 Prozent, sie hätten „sehr gerne“ ein Haustier.

Doch in vielen migrantischen Familien stoßen diese Wünsche auf kulturelle oder religiöse Vorbehalte – besonders, wenn es um Hunde geht. In muslimisch geprägten Regionen leben Haustiere fast nie im Haus. Hunde gelten dort nicht als „unerlaubt“, aber als Tiere, die draußen bleiben sollen. In Deutschland aber verschwimmen diese Grenzen: Kinder übernehmen die Gewohnheiten ihrer sozialen Umwelt – und sie ist voll mit Haustieren.

Wenn Haustiere und Sauberkeit kollidieren

Zurück zur Familie Demir: Emir bekommt keinen Hund, aber eine Katze. „Weil Katzen als rein gelten“, sagt der Vater, „und weil sie nicht raus muss.“ Doch auch das bringt Konflikte mit sich. Katzenstreu auf dem Boden und Haare auf dem Sofa. Ohne technische Hilfe würde die Mutter mehrmals täglich zum Besen greifen.

An diesem Punkt kommt etwas ins Spiel, das in diesem Kontext weit mehr ist als ein Haushaltsgerät: der Saug-Wisch-Roboter. Er fährt täglich seine Runden, sammelt Haare ein, wischt Flecken weg. Und plötzlich ist das Haustier kein ständiges Problem mehr. Die Maschine übernimmt nicht nur Reinigung, sondern entschärft auch das kulturelle Spannungsfeld zwischen „alles sauber halten“ und „dem Kind den Haustierwunsch erfüllen“. Und es hat noch einen weiteren Nebeneffekt: Wer so ein Saug-Wisch-Roboter irgendwo herumstehen hat, legt bestimmt Wert auf Sauberkeit.

Saug-Wisch-Roboter als Vermittler – nicht als Luxus

Saug-Wisch-Roboter tauchen inzwischen in vielen Haushalten auf, aber in postmigrantischen Familien haben sie eine zusätzliche Bedeutung. Sie sind nicht nur Geräte, sondern kleine Vermittler zwischen Lebenswelten: Sie ersetzen weder Hausarbeit noch Kultur – sie machen Aushandlung möglich. Der kleine „Dreame“, wie sie ihn in Anspielung auf den Label-Aufdruck bei Demir nennen, gehört deshalb fast zur Familie.

Aber auch ein Klassenthema

Trotzdem bleibt ein Problem: Nicht jede Familie kann sich solche Technik leisten. Modelle, die zuverlässig saugen und wischen, kosten mehrere hundert Euro. Haushalte mit geringem Einkommen – statistisch überdurchschnittlich oft migrantisch – haben weniger Zugang zu solchen Entlastungsgeräten. Sauberkeit bleibt damit auch eine Frage des Geldes.

Wer genug verdient, kann sich technische Hilfe kaufen. Wer wenig verdient, putzt doppelt – um Gerede zu vermeiden und den Alltag trotzdem zu bewältigen.

Hybridkultur statt Bruch

Das Entscheidende ist nicht, ob jemand einen Saugroboter besitzt oder nicht. Entscheidend ist, was sich darin zeigt: Alltagskultur in Bewegung. Niemand gibt alles auf, niemand übernimmt alles. Stattdessen entstehen Zwischenlösungen:

  • Die Schuhe bleiben weiter draußen
  • Die Katze darf aber trotzdem auf die Couch
  • Es wird geputzt – aber nicht mehr rund um die Uhr
  • Die Mutter delegiert einen Teil der Arbeit – an eine Maschine

Ein Leben also zwischen Tradition und gelebter Alltag im Dazwischen. (etb) Panorama

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