
Studie
Zeitarbeit-Krise trifft Migranten besonders stark
Die Zeitarbeitsbranche steckt laut einer Studie in einer Rezension – und entlässt. Überdurchschnittlich oft sind Migranten betroffen. Strukturelle Diskriminierung, ungleiche Löhne und verzerrte Debatten verschärfen ihre Lage zusätzlich.
Donnerstag, 23.10.2025, 13:23 Uhr|zuletzt aktualisiert: Donnerstag, 23.10.2025, 13:33 Uhr Lesedauer: 3 Minuten |
Die Zeitarbeitsbranche leidet besonders stark unter der schwierigen Wirtschaftslage in Deutschland. Das zeigt eine aktuelle Untersuchung der Wirtschaftsauskunftei Creditreform. „Die Industrie als einer der Hauptkunden der Zeitarbeit steckt im Krisenmodus und reduziert den Personalbestand. Das trifft die Personaldienstleister unmittelbar“, sagt Patrik-Ludwig Hantzsch, Leiter der Creditreform Wirtschaftsforschung. Zunächst werde bevorzugt externes Personal wie Leiharbeiter abgebaut, weniger die Stammbelegschaft. Die Branche gehöre deshalb zu den Verlierern der Rezession und stehe stark unter Druck.
Wie aus früheren Studien deutlich wird, trifft die aktuelle Entwicklung Menschen mit Einwanderungsgeschichte besonders stark. Rund 40 Prozent der Zeitarbeitnehmer haben in Deutschland eine Migrationsgeschichte, 2019 waren es noch rund 30 Prozent. Damit sind sie in dieser Branche deutlich stärker vertreten als ihr Anteil an der Gesamtbevölkerung.
Viele Hürden am Arbeitsmarkt
Das hat einen Grund: Untersuchungen zeigen, dass Bewerber mit ausländisch klingenden Namen sich deutlich häufiger bewerben müssen, um zu einem Vorstellungsgespräch eingeladen zu werden. Viele greifen deshalb auf Zeitarbeitsstellen zurück, weil ihnen andere Zugänge zum Arbeitsmarkt erschwert bleiben. Bei Entlassungen haben sie ebenfalls die schlechteren Karten: Sie sind die Ersten, deren Arbeitsverträge beendet werden.
Auch innerhalb der Betriebe stehen Leiharbeitskräfte oft schlechter da als die Stammbelegschaft. Sie verdienen im Durchschnitt weniger, obwohl sie die gleiche Arbeit verrichten. Gewerkschaften kritisieren seit Jahren, dass Zeitarbeiter dadurch in ein strukturelles Abhängigkeitsverhältnis geraten. Für viele mit Migrationsgeschichte bedeutet dies ein dauerhaftes Leben am unteren Rand des Arbeitsmarkts.
Soziale Folgen und politischer Umgang
Die wirtschaftlichen Einbrüche in der Zeitarbeitsbranche haben nicht nur betriebswirtschaftliche, sondern auch gesellschaftliche Folgen. Der Anstieg arbeitsloser Personen mit Migrationsgeschichte wird in der Statistik oft mit anderen Vorzeichen und Augen gelesen. Sozialverbände warnen, dass solche Zahlen in politischen Debatten oft verkürzt dargestellt werden und Vorurteile gegen vermeintlich „faule Ausländer“ befeuern. Dabei sind sie nicht „faul“, sondern in besonderem Maße von konjunkturellen Schwankungen und struktureller Benachteiligung betroffen.
Die Auswirkungen der aktuellen Krise sind laut der Untersuchung bereits deutlich sichtbar. Im zweiten Quartal 2025 sank der Umsatz der Leiharbeitsfirmen in Deutschland im Vergleich zum Vorjahreszeitraum um 7,4 Prozent, wie Creditreform berichtet. Schon im ersten Quartal waren die Erlöse um 11 Prozent niedriger. Hantzsch bezeichnet die wirtschaftliche Entwicklung der Branche als Frühindikator für konjunkturelle Veränderungen.
Außerordentlich hohe Insolvenzquote
Die Zahl der Insolvenzen hat zuletzt bereits zugenommen, betroffen sind vor allem kleine und mittlere Leiharbeitsfirmen. Im vergangenen Jahr stellten der Studie zufolge 120 Unternehmen einen Insolvenzantrag, im ersten Halbjahr 2025 weitere 63.
Die Branche weist Hantzsch zufolge damit eine überdurchschnittlich hohe Insolvenzquote auf. „Für Investoren, Kreditgeber und Lieferanten ist das ein Warnsignal.“ Geschäftspartner sollten deshalb die Bonität regelmäßig prüfen. Die finanzielle Lage vieler Unternehmen ist angespannt: Bei mehr als einem Viertel (28 Prozent) der Betriebe liegt die Eigenkapitalquote bei weniger als 10 Prozent. Nur jede zweite Firma erreicht mindestens 30 Prozent.
Laut einem Bericht der Bundesagentur für Arbeit ging die Zahl der Zeitarbeiter in Deutschland in den meisten Berufssektoren zuletzt zurück. Im Juni 2024 gab es insgesamt etwa 675.000 sozialversicherungspflichtig beschäftigte Leiharbeitnehmer, gut 70 Prozent waren männlich. Der hohe Anteil liegt vor allem daran, dass Produktionsberufe einen großen Teil der Zeitarbeit ausmachen. Laut Bundesagentur gab es im Juni 2024 rund 40.000 Verleihbetriebe hierzulande. (dpa/mig) Aktuell Wirtschaft
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