
80 Jahre UN-Charta
Die regelbasierte Weltordnung zerbröselt
Die aggressive Politik der Großmächte drängt die Vereinten Nationen 80 Jahre nach ihrer Gründung ins politische Abseits. Bei der Lösung von Konflikten spielt die Weltorganisation kaum noch eine Rolle – es gilt immer mehr das Recht des Stärkeren.
Von Jan Dirk Herbermann Donnerstag, 23.10.2025, 12:25 Uhr|zuletzt aktualisiert: Donnerstag, 23.10.2025, 12:25 Uhr Lesedauer: 3 Minuten |
Die Vereinten Nationen sind in die Jahre gekommen: Die Weltorganisation feiert 2025 ihren 80. Geburtstag. Und der Jubilar befindet sich in keinem guten Zustand. Vor allem die USA drängen die UN politisch ins Abseits und lassen sie finanziell ausbluten. US-Präsident Donald Trump hält nichts von gleichberechtigter Kooperation der 193 Staaten und macht aus seiner Verachtung für die internationale Organisation keinen Hehl. Die UN liefere nur „leere Worte“, höhnte Trump im September in der Vollversammlung. Die Organisation schaffe sogar „allzu oft neue Probleme, die wir lösen müssen“.
In seiner Rede verwies Trump auch auf eine Rolltreppe und einen Teleprompter, für deren Versagen er die UN verantwortlich machte. Trump ist ausgerechnet Präsident des Landes, das 80 Jahren entscheidend auf die Gründung der UN pochte und noch immer das wichtigste Mitglied ist. Richard Gowan, UN-Direktor der International Crisis Group, betont: „Insgesamt betrachtet die Trump-Regierung die UN als links und israelfeindlich, sie wird der UN auch in den kommenden Jahren großen finanziellen und politischen Schaden zufügen.“
Andere Großmächte wie Russland scheren sich ebenso nicht um die Prinzipien der UN, deren Kerngeschäft die Schaffung und Sicherung des Friedens ist. Die Präsidentin der UN-Vollversammlung und ehemalige deutsche Außenministerin, Annalena Baerbock (Grüne), sagte: „In ihrem achtzigsten Jahr gehen die UN durch eine Zeit existenzieller Herausforderungen.“
Acht Dekaden später
Als die Staatenvertreter im Frühjahr 1945 in San Francisco zur UN-Gründung eintrafen, war der Zweite Weltkrieg noch nicht zu Ende. Nach mehreren Wochen einigte sich die Delegationen auf ein UN-Modell, das neben den USA, auch die Sowjetunion und Großbritannien entworfen hatten. Am 26. Juni 1945 unterzeichneten die Gesandten aus 50 Ländern die Charta der Vereinten Nationen. Am 24. Oktober desselben Jahres trat sie in Kraft – am Freitag vor 80 Jahren. Im Artikel 1 der Charta gelobten die Gründungsmitglieder, „Bedrohungen des Friedens zu verhüten und zu beseitigen, Angriffshandlungen und andere Friedensbrüche zu unterdrücken“. Den Begriff des Friedens schrieben die Verfasser an 52 Stellen in die Charta.
Doch acht Dekaden später zerbröselt die regelbasierte Weltordnung mit den UN im Mittelpunkt – die hehren Versprechen der UN-Charta sind gebrochen. Es sind auch die USA, die ein neues Zeitalter durchdrücken: In dieser Ära gilt das Recht des Stärkeren. „Was Trump will, ist eine Welt, die von mächtigen Männern gemanagt wird“, schreibt die Politikwissenschaftlerin Stacie E. Goddard. Die Folge: die UN haben bei der Lösung der bewaffneten Konflikte und Krisen kaum noch etwas zu sagen – weder als Vermittler noch durch Entscheide des UN-Sicherheitsrats. „Die UNO zeichnet sich durch ihre Abwesenheit als Friedensstifter aus“, erläutert Experte Gowan.
Kaum Einfluss, weniger Geld
Beispiel Krieg Israel gegen den Iran im Juni 2024: Die UN standen im Abseits. Es war der US-Präsident, der einen Waffenstillstand verkündete. Beispiel Gaza-Krieg: Schon vor dem gewaltsamen Terrorüberfall der Hamas auf Israel am 7. Oktober 2023 und dem Zurückschlagen des jüdischen Staates hatten die Vereinten Nationen im Nahost-Konflikt kaum etwas zu melden. Die USA setzten die Waffenruhe durch. Israel erklärte UN-Generalsekretär António Guterres zur „Persona non grata“ und verbot das Palästinenserhilfswerk der UNRWA auf seinem Staatsgebiet. Beispiel Russlands Angriffskrieg gegen die Ukraine: Die Gesandten des russischen Präsidenten Wladimir Putin blockieren alle Versuche im Sicherheitsrat, den imperialistischen Raubzug zu beenden.
Ausgerechnet in einer Zeit, in der Gewalt und Krieg immer mehr Menschen ins Elend stürzen, muss die gesamte Organisation mit deutlich weniger Geld auskommen und sich reformieren. Bis Mitte Oktober hatten erst 141 der 193 Mitgliedsländer ihre vollen Beiträge für das reguläre UN-Budget 2025 entrichtet. Unter den säumigen Staaten befanden sich auch die USA, der traditionell größte Beitragszahler. Darüber hinaus strich das Trump-Team einen Großteil der Milliarden-Überweisungen an humanitäre Hilfsorganisationen der UN. Die Folge: Die UN müssen in diesem Jahr die Versorgung für mehr als 60 Millionen bedürftige Menschen einstellen. Die meisten von ihnen sind Opfer der Kriege und Konflikte, die nicht enden wollen. (epd/mig) Aktuell Panorama
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