
Kurswechsel im Mittelmeer
Bundesregierung will wieder mit Libyens Küstenwache kooperieren
Die Bundesregierung plant, das Mandat für den Bundeswehr-Einsatz im Mittelmeer zu verlängern – und erlaubt dabei erstmals wieder eine Zusammenarbeit mit der berüchtigten libyschen Küstenwache. Hilfsorganisationen warnen: Damit macht sich Deutschland mitschuldig an Menschenrechtsverletzungen.
Dienstag, 14.10.2025, 17:22 Uhr|zuletzt aktualisiert: Dienstag, 14.10.2025, 11:36 Uhr Lesedauer: 2 Minuten |
Die Bundeswehr soll sich auch weiterhin im Mittelmeer an Nato- und EU-Einsätzen zur Seeraumüberwachung, Terrorismusbekämpfung und Unterbindung von Waffen- und Menschenschmuggel beteiligen. Das Bundeskabinett beschloss in Berlin die Verlängerung zweier Einsätze um ein weiteres Jahr. Nötig ist dafür noch eine Zustimmung des Bundestags. Abgestimmt wird voraussichtlich am Mittwoch.
Mit der EU-Mission „Med Irini“ vor der libyschen Küste wird das von den Vereinten Nationen verhängte Waffenembargo gegen Libyen überwacht. Nach dem Sturz von Machthaber Muammar al-Gaddafi 2011 kämpfen dort bis heute Milizen und zwei verfeindete Regierungen um Macht und Einfluss. Die Mission soll zudem illegale Erdölexporte verhindern und bei der Bekämpfung von Schleuser- und Menschenhändlernetzwerken helfen.
Der Nato-Einsatz „Sea Guardian“ soll nach Bundeswehrangaben zur Sicherheit im Mittelmeer und zur Stärkung der Südflanke der Allianz beitragen. Im Vordergrund stünden die frühzeitige Erkennung krisenhafter Entwicklungen im Mittelmeerraum und maritimer Terrorismus.
Scharfe Kritik von Hilfsorganisationen
Was nach offizieller Darstellung akzeptabel klingt, stößt bei den Hilfsorganisationen Ärzte ohne Grenzen, Sea-Watch und SOS Humanity auf scharfe Kritik. „Anders als in der Vergangenheit wird in dem Text für das deutsche Mandat die Unterstützung der libyschen Küstenwache nicht mehr ausgeschlossen, sondern explizit als Option genannt – obwohl diese auf dem Mittelmeer systematisch Menschrechtsverletzungen begeht“, erklären die Hilfsorganisationen.
Der zur Abstimmung stehende Entwurf nennt als Nebenaufgabe der EU-Mission unter anderem die Hilfe „einschlägiger libyscher Einrichtungen […] beim Aufbau ihrer Kapazitäten und Schulungen im Bereich der Strafverfolgung auf See“, einschließlich Zuständigkeiten in der Suche und Rettung. Im Mandatstext von 2022 war die Unterstützung der libyschen Küstenwoche noch explizit ausgeschlossen worden.
„Obwohl libysche Milizen Rettungsschiffe mit Überlebenden an Bord beschossen haben und das Auswärtige Amt diese Übergriffe ‚sehr ernst‘ nehme, ändert die Bundesregierung das bisherige IRINI-Mandat und fügt eine Unterstützung der libyschen Küstenwache ein. Damit gefährdet sie im vollen Bewusstsein Menschenleben auf See“, sagt Marie Michel von SOS Humanity. Marie Naas (Sea-Watch), ergänzt: „Tagtäglich werden Menschen gewaltsam und mit Unterstützung der EU nach Libyen zurückgezwungen – ein von den Vereinten Nationen als unsicher eingestuftes Land, an dem Migranten und Flüchtende systematisch Misshandlungen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit ausgesetzt sind.“
Mitverantwortung für Völkerrechtsbruch
Felix Braunsdorf von Ärzte ohne Grenzen warnt: „Wer die libysche Küstenwache stärkt, trägt Mitverantwortung für völkerrechtswidrige Rückführungen nach Libyen und setzt Migranten und Flüchtende Verbrechen gegen die Menschlichkeit aus. EU-Staaten, die Boote, Training und Luftaufklärung bereitstellen, unterstützen Abfangoperationen und Gewalt. Daran darf sich Deutschland nicht beteiligen.“
Mit dem Schritt kehre die Bundesregierung von der vor drei Jahren eingeschlagenen Linie ab, die Ausbildung und Ausstattung der libyschen Küstenwache wegen der systematischen Anwendung von Gewalt und unzähligen illegalen Rückführungen von Schutzsuchenden auszusetzen, so die drei Hilfsorganisationen. (dpa/mig) Leitartikel Politik
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