
Rechtsterror in Berlin
Neukölln-Komplex: Neonzais müssen in Haft
Die Aufarbeitung einer rechtsextremen Anschlagsserie in Neukölln beschäftigt Polizei, Justiz und Politik. Nun müssen zwei Täter in Haft. Erledigt ist das Thema damit noch lange nicht.
Donnerstag, 07.08.2025, 13:52 Uhr|zuletzt aktualisiert: Donnerstag, 07.08.2025, 13:56 Uhr Lesedauer: 2 Minuten |
Mehr als sieben Jahre nach den Brandanschlägen auf zwei Autos in Berlin-Neukölln ist die Verurteilung zweier Rechtsextremisten zu Haftstrafen rechtskräftig. Das Berliner Kammergericht hat die Revision der Männer verworfen, wie eine Gerichtssprecherin auf Anfrage der Deutschen Presse-Agentur bestätigte.
Das Landgericht Berlin hatte im vergangenen Dezember Sebastian T. zu drei Jahren und sechs Monaten Haft verurteilt und Tilo P. zu zwei Jahren und zehn Monaten. Anders als noch die erste Instanz hatte das Gericht im Berufungsprozess ausreichend Beweise dafür gesehen, dass die Männer die Brandanschläge auf zwei Autos Anfang Februar 2018 verübt haben. Diese gehörten einem Buchhändler und dem Bundestagsabgeordneten Ferhat Koçak (Linke), die sich gegen Rechtsextremismus einsetzten.
Neben der gemeinschaftlichen Brandstiftung sprachen die Richter die Männer aus der rechtsextremen Szene – der eine war in der NPD, der andere zeitweise AfD-Mitglied – wegen einer Reihe weiterer Taten schuldig. Laut Urteil handelte es sich „weitgehend um politisch motivierte Taten im extremistischen Bereich“.
Grüne: Verurteilung wichtiges Signal
Die Verurteilung ist aus Sicht des Berliner Grünen-Politikers Vasili Franco ein „sehr wichtiges Signal“ an die Betroffenen. Die „hartnäckige Beweisführung“ der Generalstaatsanwaltschaft Berlin habe sich ausgezahlt. „Das ist ein kleiner Erfolg nach vielen Jahren, nachdem rechtsextreme Straftaten in Neukölln ungeahndet blieben“, sagte Franco der Deutschen Presse-Agentur.
Der Berliner Abgeordnete Koçak, der als Betroffener Nebenkläger im Verfahren war, zeigte sich erleichtert. „Doch echte Gerechtigkeit gibt es erst, wenn allen Betroffenen Gerechtigkeit widerfährt“, sagte Koçak. „Aber wir dürfen nicht vergessen: Der Neukölln-Komplex war nicht das Werk von zwei Personen. Die Behörden haben über Jahre hinweg schwere Versäumnisse und Fehler eingestanden.“ So soll ein ermittelnder Polizist Dienstgeheimnisse an Neonazis weitergegeben haben. Später stand der Vorwurf im Raum, die Polizei habe hunderte Akten gegen Rechtsextremisten nicht bearbeitet.
Nur ein Bruchteil der Taten angeklagt
Beleuchtet werden diese Defizite von einem Untersuchungsausschuss des Abgeordnetenhauses. Dieser hat in mehr als drei Jahren 100 Zeuginnen und Zeugen zu der rechtsextremen Anschlagsserie befragt, darunter Vertreter aus Polizei, Justiz und Verfassungsschutz. Nun sitzen die Mitglieder am Entwurf für den Abschlussbericht. Über diesen soll nach der Sommerpause des Parlaments beraten werden, wie der Ausschussvorsitzende Franco sagte.
Vor Gericht ging es jeweils nur um einen Bruchteil rechtsextremer Straftaten, die Ermittlungsbehörden seit 2013 in Neukölln gezählt hatten. Erst im Jahr 2021 hatte die Generalstaatsanwaltschaft Berlin Anklage erhoben zum sogenannten Neukölln-Komplex, der auch über die Hauptstadt hinaus für Schlagzeilen gesorgt hat. Zentraler Punkt waren zwei Brandstiftungen, die nun zur Verurteilung geführt haben. (dpa/mig) Aktuell Panorama
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