
Nordrhein-Westfalen
Jede dritte Kommune will keine Bezahlkarte für Asylbewerber
Eine Bezahlkarte für Flüchtlinge soll Zweckentfremdung staatlicher Leistungen eindämmen und Verwaltungsvorgänge vereinfachen. Viele Kommunen in NRW überzeugt das offensichtlich nicht. Auch bei Experten bleibt die Bezahlkarte weiter umstritten.
Montag, 04.08.2025, 12:37 Uhr|zuletzt aktualisiert: Montag, 04.08.2025, 12:38 Uhr Lesedauer: 2 Minuten |
Knapp jede dritte Kommune in Nordrhein-Westfalen hat sich bislang laut einer Stichprobe der Landesregierung dagegen entschieden, eine Bezahlkarte für Asylsuchende einzuführen. Allerdings lagen bis Ende Mai nicht aus allen 396 Kommunen Antworten vor, wie die Landesregierung auf eine Anfrage aus der FDP-Landtagsfraktion mitteilte.
Tatsächlich hätten bis dahin 93 von 310 antwortenden Kommunen angekündigt, von der sogenannten Opt-Out-Regelung Gebrauch zu machen und damit aktiv auf die Bezahlkarte zu verzichten. Einige von ihnen hätten gleichzeitig neue Ratssitzungen zu dem Thema zum Jahresbeginn 2026 avisiert. Antworten bis zum 31. Mai waren erwünscht, aber nicht zwingend.
Wer will, kann ausscheren
Die Liste der Kommunen, die nicht mitmachen, reicht quer durchs Land von Aachen über Bochum, Bonn, Düsseldorf, Köln und Münster bis hin zu Warendorf und Willich. Die FDP-Opposition sprach von einem „Flickenteppich“.
Der Bundestag hatte im April 2024 die gesetzlichen Voraussetzungen geschaffen, dass Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz in Form einer Bezahlkarte erbracht werden können. Der Landtag hatte Ende vorigen Jahres ein Ausführungsgesetz mit Opt-Out-Regelung mit den Stimmen der schwarz-grünen Regierungsfraktionen darauf aufgesetzt.
Bezahlkarte umstritten
Die Bezahlkarte für Asylbewerberinnen und -bewerber ist umstritten. Sie erhalten damit einen Teil der staatlichen Leistungen zum Lebensunterhalt als Guthaben über die Karte und entsprechend weniger Bargeld. Damit soll unter anderem verhindert werden, dass Asylbewerber Geld an Schlepper oder Familie und Freunde im Ausland überweisen. Einer Studie zufolge überweisen Leistungsempfänger allerdings ohnehin kaum Geld ins Ausland – und wenn doch, sei dies ein bedeutender Beitrag zur Entwicklungshilfe, mithin auch Fluchtursachenbekämpfung.
Menschenrechtler kritisieren, die Karte bringe kaum Vorteile, dafür aber viele Nachteile für Asylbewerber. Ihr Handlungsspielraum bei Besorgungen des täglichen Lebens werde unnötig erschwert. Ob die Karte auch die Verwaltung erleichtert, wird ebenfalls kontrovers diskutiert. Kritikern zufolge gibt es auch in diesem Punkt kaum Entlastung, das Gegenteil sei der Fall. Letztlich sei die Bezahlkarte lediglich ein Instrument zur Abschreckung von Geflüchteten.
Bezahlkarte als Repression
Die Politik knüpfe an diese Repression die Hoffnung, dass weniger Geflüchtete nach Deutschland kommen. Experten dämpfen diese Erwartungen allerdings. Menschen würden nicht wegen der hiesigen Sozialleistungen ihre Heimat verlassen oder nach Deutschland kommen. Das spielten ganz andere Gründe eine Rolle.
Das Düsseldorfer Fluchtministerium hatte den Kommunen im Zuge seiner Internet-Umfrage mitgeteilt, dass ab Ende Juni Bezahlkarten bei einem Dienstleister bestellt werden könnten. Davon habe bislang noch keine Kommune in NRW Gebrauch gemacht, antwortete die Landesregierung der FDP. Auf Bitte der Städte und Gemeinden sei die Bezahlkarte zunächst in den Landeseinrichtungen eingeführt worden.
FDP-Kritik: Manches noch unklar
„Die Landesregierung steht weiterhin zur Opt-Out-Regelung“, erwiderte sie auf den Flickenteppich-Vorwurf. „Den Kommunen wird daher die Wahlmöglichkeit eingeräumt, bei ihren bisher etablierten Verfahren zu verbleiben – egal, welche das sind – oder ein neues System einzuführen.“
Bei der praktischen Umsetzung der Bezahlkarte seien derzeit insbesondere noch die Modalitäten für Überweisungen von der Bezahlkarte auf andere Konten offen, monierte die FDP. Vom Land fehlten klare Vorgaben. (dpa/mig) Aktuell Panorama
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