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Fachkraft bei der Arbeit (Symbolfoto) © de.depositphotos.com

„Greencard“ für Kommunen?

Netzwerk: Geflüchtete in Ausbildung nicht abschieben

Lange Bearbeitungszeiten an den Ausländerbehörden zu Ausbildungsduldungen führen oft zu Unsicherheiten bei Betrieben und Geflüchteten. Netzwerke und Handwerkskammer fordern Veränderung. Ein Bürgermeister fordert Veto-Recht für Kommunen.

Dienstag, 15.07.2025, 14:05 Uhr|zuletzt aktualisiert: Dienstag, 15.07.2025, 14:05 Uhr Lesedauer: 3 Minuten  |  

Mehrere Arbeitsmarktnetzwerke und die Handwerkskammer Lübeck fordern, dass Geflüchtete in Ausbildung nicht abgeschoben werden sollen. Für Migrantinnen und Migranten in einer Duldung sei es nicht immer einfach, eine Ausbildung zu beginnen, sagte Anne-Katrin Lother vom Netzwerk „Alle an Bord! – Perspektive Arbeitsmarkt für Geflüchtete“ bei einer Pressekonferenz im Landeshaus in Kiel. Dabei gebe es Gesetze, die Geflüchteten nach einem abgelehnten Asylverfahren erlauben, durch eine Ausbildung ein Bleiberecht zu erhalten.

Doch häufig scheitert dies laut Lother, weil die Ausländerbehörde ihnen die Ausbildung entweder verweigert oder die Erlaubnis zu spät erteilt. „Anträge auf Ausbildungsduldungen werden nicht rechtzeitig bearbeitet, weswegen sie noch vor Beginn der Ausbildung von Abschiebungen bedroht oder auch von Abschiebungen betroffen sind und im schlimmsten Fall auch während der Ausbildung abgeschoben werden.“

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„Unsere Betriebe können das absolut nicht nachvollziehen, dass die Rückmeldung teilweise nicht rechtzeitig kommt oder sogar dass aus der Ausbildung abgeschoben wird“, kritisierte Carmen Haas von der Handwerkskammer Lübeck. Sie frage sich, ob den Behörden das Fachkräfteproblem in den Betrieben überhaupt bekannt sei.

Verbindliche Perspektive

In einem veröffentlichten Appell fordern die Arbeitsmarktnetzwerke „Alle an Bord!“ und „B.O.A.T. Beratung.Orientierung.Teilhabe Integrationsförderung für Geflüchtete“ sowie die Handwerkskammer Lübeck nun, neben einem Stopp der Abschiebungen von Menschen in Ausbildung, unter anderem, dass die Ausländerbehörden Anträge auf Ausbildungsduldung priorisiert bearbeiten. Denn nur so könne tausenden unbesetzten Lehrstellen im nördlichsten Bundesland entgegengewirkt werden.

Betriebe wie Geflüchtete brauchen Haas zufolge eine „verbindliche Perspektive“, um dem Fachkräftemangel zu begegnen und Sicherheit zu haben. „Abgelehnte Asylbewerber, die müssen mehr als zukünftige Fachkräfte gesehen werden, vor allem wenn Betriebe schon sagen, die wollen wir auch ausbilden“, betonte sie.

Gerade im Handwerk gebe es einen hohen Anteil von ausländischen Fachkräften und Azubis, sagte Haas. So hätten von fast 10.000 Auszubildenden im Kammerbezirk Lübeck 13 Prozent eine ausländische Staatsangehörigkeit.

Kritik der Opposition

Bei der Integration von Geflüchteten in den Arbeitsmarkt laufe etwas „gewaltig schief“, kritisierte der FDP-Abgeordnete Bernd Buchholz. „Die Ausländerbehörden müssen endlich zentralisiert werden, damit Anträge schneller bearbeitet werden können“, betonte er. Wenn Unternehmen mitteilten, dass sie die Fachkräfte dringend brauchen, eine Ausbildung aber am Antragsstau scheitere, dann dürfe sich das Integrationsministerium vor dem Problem nicht länger wegducken.

Die SPD-Fraktionsvorsitzende Serpil Midyatlı sagte: „Die gegenwärtige Situation ist nicht nur eine enorme Herausforderung für die Unternehmen, sie gefährdet die Zukunft der deutschen Wirtschaft insgesamt.“ Um dem entgegenzuwirken, müssen alle jungen Menschen ihre Ausbildung abschließen können – unabhängig von ihrem Aufenthaltsstatus.

Bürgermeister fordert Veto-Recht für Kommunen

Abschiebungen von gut integrierten Asylbewerbern sind auch dem brandenburgischen Bürgermeister von Wiesenburg/Mark (Landkreis Potsdam-Mittelmark), Marco Beckendorf, ein Ärgernis. Er fordert für Kommunen ein Veto-Recht bei Abschiebungen. Sie sollen damit in bestimmten Fällen eigenständig über einen dauerhaften Aufenthalt von Asylbewerbern entscheiden dürfen, sagte der Linken-Politiker im „Tagesanbruch“-Podcast des Nachrichtenportals t-online.

„Wenn die Leute ihren eigenen Unterhalt erwirtschaften, dürfen sie bleiben, egal ob sicheres Herkunftsland oder nicht“, sagte Beckendorf. Er spricht sich für eine Art „Greencard“-Modell aus, das es Kommunen ermögliche, integrationswilligen Migranten ein Bleiberecht zu sichern. (dpa/mig) Aktuell Wirtschaft

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  1. M. Weissig sagt:

    Nein, ein abgelehnter Asylbewerber ist keine zukünftige Fachkraft, sondern lediglich ein abgelehnter Asylbewerber ohne Bleiberecht und genau so sollte es auch gehandhabt werden. Die Bearbeitungszeiten für eine Ausbildungsduldung dauern meistens deshalb so lang, weil die Antragsteller oft keinen Pass haben und ohne Pass keine Ausbildungsduldung. Lt. der Bundesagentur f. Berufsausbildung gibt es in Deutschland fast 3 Mio Menschen unter 35 Jahren, die keine Berufsausbildung haben, auf die sollte man ein Augenmerk richten und nicht auf abgelehnte Asylbewerber!