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Fachkraft (Symbolfoto) © de.depositphotos.com

Anwerbung zu bürokratisch

Fachkräftelücke wird laut Studie rasant wachsen

Viele Beschäftigte gehen in Rente, zu wenig Jüngere kommen nach. In einigen Berufen könnte sich die Situation erheblich verschärfen, wie eine Studie zeigt. Ohne Anwerbung aus dem Ausland, geht es nicht. Doch da gibt es Probleme.

Montag, 14.07.2025, 14:17 Uhr|zuletzt aktualisiert: Montag, 14.07.2025, 15:27 Uhr Lesedauer: 4 Minuten  |  

Erzieherinnen, Sozialarbeiter, Pflegerinnen und Verkäufer fehlen bundesweit – ebenso Fachpersonal in anderen Berufen. Laut einer Studie des arbeitgebernahen Instituts der Deutschen Wirtschaft (IW) dürfte sich diese Fachkräftelücke in den kommenden Jahren deutlich vergrößern. 2028 könnten voraussichtlich 768.000 Stellen nicht mit ausreichend qualifizierten Fachkräften besetzt werden. 2024 waren es im Schnitt 487.000. Anwerbung aus dem Ausland könnte helfen, wenn man Visa schneller vergibt, kritisiert Berlins Wirtschaftssenatorin Franziska Giffey (SPD).

„Hauptgrund ist der demografische Wandel. Viele Menschen gehen in den nächsten Jahren in den Ruhestand“, sagt Studienautor Jurek Tiedemann. „Wenn wir es nicht schaffen den Mangel abzufedern, wird das künftig für noch mehr Menschen im Alltag spürbar sein.“ Wenn Kita- und Pflegeplätze fehlten, könnten Beschäftigte ihre Arbeitszeit nicht erhöhen, weil sie sich um Kinder und Angehörige kümmern müssten.

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Die Studienautoren haben anhand der Daten von 2023 und der Trends der vergangenen Jahre untersucht, wie sich die Arbeitsmarktsituation in 1.300 Berufen weiter entwickelt. Die größten Engpässe drohen bei Verkäufern. Die Fachkräftelücke dort könnte von mehr als 12.900 auf 40.470 wachsen. Zu wenig junge Menschen entschieden sich für eine Ausbildung im Verkauf, so Tiedemann.

Auf dem zweiten Platz folgen Kindererzieherinnen und -erzieher mit rund 30.800 Stellen, die nicht besetzt werden können. Dahinter liegen Sozialarbeit und -pädagogik mit mehr als 21.150 sowie Gesundheits- und Krankenpflege mit gut 21.350.

Starke Zunahme der Beschäftigtenzahl in IT-Berufen

Die Experten haben auch untersucht, in welchen Berufen die Zahl der Beschäftigten am stärksten steigen und sinken könnte. Den größten Zuwachs gibt es in der Kindererziehung. Bis 2028 werden voraussichtlich knapp 143.400 Stellen mit entsprechendem Personal neu besetzt werden können. Dies wird den Autoren zufolge jedoch nicht reichen, um den Bedarf zu decken. Einen erheblichen Anstieg von 26 Prozent wird es zudem in IT-Berufen geben. Grund dafür ist die Digitalisierung.

Den größten Rückgang erwartet das IW in Metallberufen. Dort könnte die Zahl der ausgebildeten Fachkräfte bis 2028 um knapp 161.200 Stellen sinken. Viele Beschäftigte scheiden aus dem Berufsleben aus und zu wenig Nachwuchs kommt nach. Ein außerordentlich großer Schwund wird auch bei ausgebildeten Bankkaufleuten prognostiziert. Die Zahl der Beschäftigten sinkt demnach um etwa 56.300. „Das Bankwesen wird automatisiert. Filialen werden geschlossen und Schalter gibt es immer seltener. Deshalb wird weniger Personal benötigt“, sagt Tiedemann.

Die Experten raten, die Berufsorientierung an Schulen auszubauen, Anreize für eine längere Erwerbstätigkeit zu erhöhen und qualifizierte Zuwanderung in großen Umfang zu erleichtern.

Giffey: Berlin braucht Fachkräfte aus dem Ausland

Darauf setzt auch Giffey. Allerdings sei das nur möglich mit weniger Bürokratie und mehr Willkommenskultur. Ein großes Problem sei die Visa-Erteilung, sagte die SPD-Politikerin nach einer Indien-Reise. Mit einer Wirtschaftsdelegation war Giffey vergangene Woche im südindischen Bengaluru und der Hauptstadt Delhi.

In fast jedem Gespräch hätten indische Partner von monatelangem Warten auf ein Visum in den deutschen Konsulaten berichtet oder davon, immer wieder ein neues Visum beantragen zu müssen – etwa, um an einer Messe teilzunehmen.

Giffey will schnellere Visa für Fachkräfte

„Das Gleiche gilt für die Fachkräfte, die wir aus Indien nach Deutschland holen wollen“, sagte Giffey. „Wir machen uns unglaubwürdig und verspielen Vertrauen, wenn wir sie einerseits mit viel Aufwand umwerben und sie dann andererseits beim Visum vor den Kopf stoßen.“ Hier wünsche sie sich vom Auswärtigen Amt ein Umsteuern, damit die Prozesse schneller laufen.

Von jungen Inderinnen und Indern habe sie mehrfach die Frage gehört: „Sind wir in Deutschland willkommen?“ Es gebe eine große Sorge vor dem Rechtsruck in Deutschland. „Die Ressentiments und Angriffe der AfD gegen Migranten werden im Ausland genau registriert, und das ist für unser Land und den Wirtschaftsstandort Deutschland verheerend“, sagte Giffey.

Fachkräftemangel droht sich zu verschärfen

Für Berlin spreche die Prognose eine klare Sprache: „Der Bedarf an Fachkräften liegt heute schon bei 90.000 und wird in den 2030er Jahren auf rund 400.000 ansteigen“, so die Wirtschaftssenatorin. „Ohne Fachkräfte aus dem Ausland werden wir diese Riesenlücke nicht schließen können.“

„In Indien werden viel mehr Menschen ausgebildet, als der heimische Arbeitsmarkt beschäftigen kann“, sagte Giffey. Sie schauten sich aber genau an, wo in der Welt sie studieren, arbeiten oder selbst Unternehmen gründen könnten. „Wir müssen deutlich machen: Ja, ihr seid in Berlin willkommen!“ Diese Botschaft zu vermitteln, werde auch eine Aufgabe für das neue Auslandsbüro sein, das Berlin 2026 in Bengaluru eröffnen will. Die südindische Stadt gilt als das indische Silicon Valley. (dpa/mig) Aktuell Wirtschaft

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