
MIA-Jahresbericht
Zahl antiziganistischer Vorfälle deutlich gestiegen
Deutlich mehr Übergriffe hat die Melde- und Informationsstelle Antiziganismus für das Jahr 2024 verzeichnet. Viele Fälle traten im Bildungswesen auf. Doch die Organisation sieht auch Erfolge im Kampf gegen Antiziganismus.
Montag, 23.06.2025, 15:37 Uhr|zuletzt aktualisiert: Montag, 23.06.2025, 20:22 Uhr Lesedauer: 3 Minuten |
Antiziganistische Vorfälle haben einer Studie zufolge deutlich zugenommen. Die für 2024 dokumentierten 1.678 Fälle bedeuteten ein Plus von rund 36 Prozent im Vergleich zum Vorjahr, teilte die Melde- und Informationsstelle Antiziganismus (MIA) bei der Vorstellung ihres dritten Jahresberichts am Montag in Berlin mit.
Am häufigsten sei es zu verbalen Stereotypisierungen gekommen, die mehr als die Hälfte der Fälle ausmachten (856). Darüber hinaus kam es auch zu 57 Angriffen und zu 10 extremen Gewalttaten. Des Weiteren wurden in mehr als einem Drittel der Fälle Menschen antiziganistisch diskriminiert (666). Der Geschäftsführer der Melde- und Informationsstelle, Guillermo Ruiz, nannte die Zahlen ein „alarmierendes Signal“. Fast ein Viertel aller Fälle (369) betraf staatliche Institutionen.
Im Fokus des Berichts stand der Bildungsbereich, da Kinder und Jugendliche häufig von Mitschülern und sogar auch Lehrkräften antiziganistisch diskriminiert würden. 313 Fälle im Bildungsbereich wurden gemeldet. Diese Diskriminierungen hätten oft gravierende Folgen für die Bildungslaufbahn der Heranwachsenden.
Bildungseinrichtungen handeln selten
Die Organisation MIA warf Bildungseinrichtungen vor, nur selten konsequent zu handeln. Bei 26 antiziganistisch motivierten körperlichen Angriffen an Schulen hätten sich Lehrpersonal und Schulleitung nur in einem Fall korrekt verhalten.
Viele Vorfälle (295) gab es den Angaben zufolge auch im Wohnkontext – etwa, wenn Menschen aufgrund ihres Nachnamens als Mieter abgelehnt wurden oder andere Hausbewohner sie antiziganistisch beleidigten. Zudem habe es in 94 Fällen einen direkten Bezug zur NS-Vergangenheit gegeben. Beispielsweise seien Wohnungstüren und Hauswände mit rechter Propaganda beschmiert, Friedhöfe und Denkmäler geschändet und der nationalsozialistische Völkermord an Sinti und Roma geleugnet worden.
Neuer Antisemitismusbeauftragter
Trotz dem stetigen Anstieg antiziganistischer Vorfälle hatte die Bundesregierung zunächst beschlossen, das Amt des Antiziganismusbeauftragten ersatzlos zu streichen. Nach scharfer Kritik wurde dann doch der CDU-Politiker Michael Brand zum Amt ernannt. Er folgt auf den Anwalt Mehmet Daimagüler, der das im Jahr 2022 neu geschaffene Amt übernommen hatte und für den Posten nicht mehr zur Verfügung stand.
Brand ist seit 2005 Mitglied des Deutschen Bundestags und seit diesem Jahr Parlamentarischer Staatssekretär im von Prien geführten Ministerium für Bildung, Familie, Senioren, Frauen und Jugend. Er soll das Amt des Antiziganismusbeauftragten zusätzlich zu seinen bisherigen Aufgaben übernehmen. Welche Expertise ihn zu diesem Amt befähigt, blieb offen.
Zum MIA-Bericht erklärte er: Wer Sinti und Roma oder andere Minderheiten als Problem betrachte, müsse sich „ernsthaft fragen lassen, welches Menschenbild er oder sie hat“. Sinti und Roma würden dazu beitragen, dass „unsere offene Gesellschaft vielfältig, interessant und lebenswert ist“. Brand wies darauf hin, dass die Diskriminierung von Sinti und Roma nicht nur aus historischen Gründen inakzeptabel sei, „sondern weil Sinti und Roma aus positiven Gründen unseren Respekt und unsere Empathie verdienen“.
Erfolge im Kampf gegen Antiziganismus
Allen negativen Entwicklungen zum Trotz sieht die Meldestelle auch Erfolge im Kampf gegen Antiziganismus. In dem Bericht begrüßte die Organisation, dass der Presserat in mehreren Fällen antiziganistische Berichterstattungen missbilligt habe. Auch habe ein Gerichtsurteil die Situation für Roma in Montenegro „besorgniserregend“ genannt. Dies ist laut Bericht ein bedeutender Erfolg in der Benennung des Antiziganismus-Problems.
Antiziganismus beschreibt laut MIA die gesellschaftlich tradierte Wahrnehmung von und den Umgang mit Menschen oder sozialen Gruppen, die als „Zigeuner“ konstruiert, stigmatisiert und verfolgt werden. Die Diskriminierung richte sich unter anderem gegen Sinti und Roma, Jenische und auch Reisende. (epd/mig) Leitartikel Panorama
Wir informieren täglich über das Wichtigste zu Migration, Integration und Rassismus. Dafür wurde MiGAZIN mit dem Grimme Online Award ausgezeichnet. Unterstüzte diese Arbeit und verpasse nichts mehr: Werde jetzt Mitglied.
MiGGLIED WERDEN- Navid Kermani „Wer Respekt vor der Drecksarbeit hat, Bomben auf…
- „Migrationsfeindliche Grundstimmung“ Sachsen schiebt Mutter und Kinder ab – Vater…
- Wer ist hier der Dreck? Wenn „Drecksarbeit“ zur Staatsräson wird
- „Geschmacklose“ Meinungsfreiheit Rassistische Dachdecker-Anzeige laut Staatsanwalt…
- Landessozialgericht Asylbewerber darf nicht ohne jede Mindestsicherung sein
- UNHCR Harte Asylpolitik könnte ungesteuerter Migration ankurbeln