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Alexander Dobrindt (CSU), designierter Bundesinnenminister © Alexandra Beier/AFP

Dobrindts Fackel

Aus Notlage wird Notlüge

Wenn Dobrindts Grenzschützer so weitermachen wie bisher, werden sie nach einem Jahr gerade einmal 2.000 Asylbewerber zurückgewiesen haben – wegen dieser „Notlage“.

Von Montag, 26.05.2025, 16:31 Uhr|zuletzt aktualisiert: Montag, 26.05.2025, 16:47 Uhr Lesedauer: 2 Minuten  |  

Es gibt eine Notlage – und keiner kann sie beweisen. Willkommen im neuen Grenzregime der Bundesrepublik. Zurückweisungen von Geflüchteten, gestützt auf ein rechtlich wackeliges Fundament und rhetorisch unterfüttert mit Begriffen, die mehr nach Talkshow als nach Gesetzbuch klingen: „Unvernünftige Menschen“, „belastete Kommunen“, „fehlende Kita-Plätze“. Willkommen in der asylpolitischen Märchenstunde.

Dabei begann alles – wie so oft – mit einem CSU-Mann, der bereits EU-Recht gebrochen hat, sich dafür nie entschuldigte und nun wieder an der Rampe steht: Bundesinnenminister Alexander Dobrindt. Als Verkehrsminister war es die Pkw-Maut für Ausländer – ein CSU-Wahlversprechen, das vor dem EuGH krachend scheiterte. Der Schaden in dreistelliger Millionenhöhe. Und jetzt? Ein weiteres Wahlversprechen. Diesmal auf dem Rücken von Schutzsuchenden.

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Was also ist passiert? Die Bundesregierung weist Geflüchtete an der Grenze zurück. Grundlage soll § 18 Absatz 2 Asylgesetz sein – in Verbindung mit Artikel 72 AEUV, wie Staatssekretärin Daniela Ludwig nun auf Nachfrage im Bundestag behauptete. In der ursprünglichen Weisung des Innenministeriums fehlte diese europarechtliche Einbettung allerdings völlig. Was ist also wahr? Was ist Nebelkerze?

„Noch absurder wird es beim Versuch, das Ganze mit einer ‚Notlage‘ zu begründen.“

Noch absurder wird es beim Versuch, das Ganze mit einer „Notlage“ zu begründen. Ludwig fabulierte von überfüllten Kitas, Schulklassen und Unterkünften. Dobrindt wiederum weicht aus: Es gebe „keine nationale Notlage“, sondern bloß „nationale Rechtsanwendung eingebettet in europäisches Recht“. Aha.

Das Problem: Artikel 72 AEUV erlaubt ein Abweichen vom EU-Recht nur bei einer ernsthaften Bedrohung der öffentlichen Ordnung oder inneren Sicherheit. Kita-Engpässe und steigende Mieten gehören da sicher nicht dazu. Kein Gericht – weder in Luxemburg noch in Karlsruhe – wird das durchwinken.

„Kein Gericht – weder in Luxemburg noch in Karlsruhe – wird das durchwinken. Und doch wird vollzogen.“

Und doch wird vollzogen. Laut Regierungsangaben wurden zwischen dem 8. und 20. Mai über 2.000 unerlaubte Einreisen festgestellt. 1.410 Personen wurden zurückgewiesen, 72 davon trotz Asylgesuchs. Hochgerechnet aufs Jahr: vielleicht 2.000 gezielte Zurückweisungen von Schutzsuchenden – bei mehreren Hunderttausend Asylanträgen jährlich ein Tropfen auf dem heißen Beton der deutschen Symbolpolitik.

Und hier liegt der eigentliche Skandal: Es geht nicht um Wirksamkeit. Es geht nicht um Recht. Es geht um Stimmung. Die Maßnahme ist keine Migrationspolitik – sie ist Wahlkampfnachbeben, PR-Masche, populistischer Reflex. Eine symbolische Maßnahme mit realen Opfern.

„Während Juristen warnen, klatscht die extreme Rechte Beifall – und fordert: mehr, mehr, noch mehr!“

Denn während Juristen die Stirn runzeln und Menschenrechtsorganisationen warnen, klatscht die extreme Rechte Beifall – und fordert: mehr, mehr, noch mehr! Ein Erfolg? Für Kurzsichtige wie Dobrindt vielleicht – in Umfragen. Langfristig jedoch wird Vertrauen verspielt: in die Justiz, ins Parlament, in die Moral dieses Landes. Ratet mal, wer davon profitiert!

Fazit: Wir haben eine Bundesregierung, die eine Krise herbeiredet, um sich wie ein Feuerwehrmann zu inszenieren – während sie selbst mit der Fackel wedelt. Meinung

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