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Fachkraft am Computer (Symbolfoto) © 123rf.com

Chancenräume mit Stolpersteinen

Coworking Spaces: Türöffner für Migranten?

Coworking Spaces bieten Menschen mit Migrationserfahrung oft die einzige Möglichkeit, einen professionellen Arbeitsplatz zu nutzen – bezahlbar, ohne Bonitätsnachweis und mit Anschluss an neue Netzwerke. Doch rechtlich sind viele Verträge riskant. Worauf es ankommt.

Donnerstag, 08.05.2025, 0:01 Uhr|zuletzt aktualisiert: Donnerstag, 08.05.2025, 15:08 Uhr Lesedauer: 5 Minuten  |  

In der modernen Arbeitswelt sind Coworking Spaces längst mehr als nur ein Trend – sie sind zu einer etablierten Alternative zum traditionellen Büro geworden. Die Flexibilität, Networking-Möglichkeiten und reduzierten Fixkosten machen sie besonders für Freelancer, Startups und zunehmend auch für etablierte Unternehmen attraktiv.

Gerade für Selbstständige mit Flucht- oder Migrationserfahrung eröffnen Coworking Spaces neue Wege: Sie bieten Zugang zu professioneller Infrastruktur – oft ohne komplizierte Bonitätsprüfungen, langfristige Verpflichtungen oder formale Ausschlussmechanismen, die klassische Büromietverträge mit sich bringen. In einer Arbeitswelt, in der persönliche Netzwerke Türen öffnen, sind Coworking-Spaces manchmal der einzige Ort, an dem Migrant:innen Kontakte knüpfen, sichtbar werden und sich ein berufliches Fundament aufbauen können.

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Doch bevor du deinen Coworking-Vertrag unterschreibst, gibt es einige wichtige rechtliche und praktische Aspekte zu beachten. Dieser Leitfaden hilft dir, die Feinheiten deutscher Coworking-Verträge zu verstehen – und die richtige Entscheidung zu treffen.

Die rechtliche Natur von Coworking-Verträgen

Coworking-Verträge in Deutschland fallen in eine rechtliche Grauzone zwischen klassischen Mietverträgen und Dienstleistungsverträgen. Diese Hybridform hat wichtige Konsequenzen:

Anders als bei gewerblichen Mietverträgen genießt du nicht den vollen mietrechtlichen Schutz des BGB. Während ein normaler Gewerbemietvertrag oft langfristig ausgelegt ist und Kündigungsfristen von 6 bis 12 Monaten hat, sind Coworking-Verträge flexibler gestaltet. Diese Flexibilität ist zwar ein Vorteil, kann aber auch bedeuten, dass der Betreiber dich mit kürzerer Frist „vor die Tür setzen“ kann.

Für viele Menschen mit Migrationsgeschichte ist das besonders problematisch: Ohne familiäre Rücklagen, sichere Einnahmen oder juristische Erfahrung können plötzliche Kündigungen existenzbedrohend werden.

Besonders in einem stark nachgefragten Markt wie beim Coworking Space Frankfurt ist es wichtig, die Vertragsbedingungen genau zu prüfen – vor allem in Bezug auf Kündigungsfristen, Haftung und Versicherungsschutz.

VertragstypKündigungsfristMieterschutzTypische Laufzeit
Gewerbemietvertrag3–12 MonateHoch3–10 Jahre
Coworking-Vertrag1–3 MonateGering1–12 Monate
TagespassKeineKeiner1 Tag

Wesentliche Vertragselemente, die du prüfen solltest

1. Laufzeit und Kündigungsfristen

Die meisten Coworking-Anbieter in Deutschland bieten verschiedene Laufzeitmodelle an:

  • Tagespass/Wochenpass: Ideal zum Testen
  • Monatliche Mitgliedschaft: Oft mit 2–4 Wochen Kündigungsfrist
  • Vierteljährliche/Halbjährliche Verträge: Häufig mit Preisnachlässen, aber längeren Bindungen

Tipp: Achte auf versteckte, automatische Verlängerungsklauseln. Nach § 309 Nr. 9 BGB darf die automatische Verlängerung bei Verträgen mit Verbrauchern nicht mehr als ein Jahr betragen.

Gerade für Migrant:innen, die sich mit dem deutschen Vertragsrecht noch nicht gut auskennen, können solche Klauseln zu ungewollten Vertragsverlängerungen und finanziellen Engpässen führen.

2. Nutzungsrechte und -zeiten

Prüfe genau, welche Leistungen im Vertrag enthalten sind:

  • Hast du einen fest zugewiesenen Arbeitsplatz oder gilt „first come, first served“?
  • Wie sind die Öffnungszeiten? Gibt es 24/7-Zugang oder nur zu Geschäftszeiten?
  • Wie viele Stunden/Tage pro Monat darfst du den Space nutzen?

Viele Coworking Spaces werben mit großer Flexibilität – aber das gilt nicht immer für alle Nutzer:innen gleichermaßen. Gerade Sprachbarrieren oder kulturelle Missverständnisse können dazu führen, dass bestimmte Regeln nicht richtig verstanden werden.

3. Zusatzleistungen und versteckte Kosten

Die Grundmitgliedschaft deckt oft nur den Arbeitsplatz ab. Für viele Extras fallen zusätzliche Gebühren an:

  • Meetingräume (durchschnittlich 15–40 €/Stunde)
  • Drucken/Kopieren (0,10–0,30 €/Seite)
  • Kaffee/Verpflegung (manchmal inklusive, oft aber kostenpflichtig)
  • Schließfach oder fester Storage (10–50 €/Monat)

Hier lohnt es sich, genau hinzusehen – insbesondere, wenn das monatliche Budget ohnehin knapp bemessen ist. Für viele Solo-Selbstständige mit Migrationserfahrung können unerwartete Zusatzkosten schnell zur Belastung werden.

Rechtliche Besonderheiten in Deutschland

Datenschutz und DSGVO

In Coworking Spaces arbeitest du in einer offenen Umgebung – Datenschutz ist daher ein kritisches Thema. Nach einer Studie des Bundesverbands Coworking gaben 68 % der Nutzer:innen an, dass Datenschutzbedenken für sie eine wichtige Rolle spielen.

Achte darauf, dass der Betreiber:

  • Eine klare DSGVO-konforme Datenschutzerklärung hat
  • Sichere WLAN-Verbindungen anbietet (idealerweise mit separaten Netzwerken für verschiedene Nutzer:innen)
  • Vertrauliche Gesprächsbereiche zur Verfügung stellt

Gerade für Selbstständige in sensiblen Bereichen – etwa aus dem Sozialwesen, der psychologischen Beratung oder dem rechtlichen Umfeld – ist Datenschutz entscheidend. Migrantische Nutzer:innen, die vielleicht mit Klient:innen aus der eigenen Community arbeiten, brauchen hier besonderen Schutz.

Haftung und Versicherung

Ein oft übersehener Aspekt: Wer haftet, wenn dein teures Equipment im Coworking Space beschädigt wird oder verschwindet?

Die meisten Verträge enthalten Haftungsausschlüsse für persönliche Gegenstände. Nach deutschem Recht sind solche Klauseln zwar teilweise eingeschränkt (bei grober Fahrlässigkeit oder Vorsatz kann der Betreiber sich nicht freizeichnen), aber im Zweifel bist du selbst verantwortlich.

Tipp: Prüfe, ob deine Betriebshaftpflichtversicherung auch Schäden im Coworking Space abdeckt. Falls nicht, solltest du über eine Erweiterung nachdenken.

Für viele Menschen mit Migrationshintergrund ist der Zugang zu Versicherungsschutz eingeschränkt – sei es wegen befristeter Aufenthaltstitel, unklarer rechtlicher Rahmenbedingungen oder sprachlicher Barrieren. Umso wichtiger ist eine gute Beratung vor Vertragsabschluss.

Vergleich der gängigen Coworking-Anbieter in Deutschland

Die Landschaft der Coworking-Anbieter in Deutschland ist vielfältig – von internationalen Ketten bis zu lokalen Anbietern. Hier ein kurzer Vergleich:

  • Internationale Ketten (MatchOffice, WeWork, Spaces): Professionelles Umfeld, höhere Preise, standardisierte Verträge mit wenig Verhandlungsspielraum
  • Regionale Anbieter (betahaus, Mindspace, Workspace): Oft persönlichere Atmosphäre, mehr Flexibilität bei Vertragsgestaltung
  • Lokale/Independent Spaces: Individuelle Konzepte, stark unterschiedliche Vertragsbedingungen, oft günstigere Preise

Besonders kleinere, lokal verwurzelte Anbieter haben oft ein offenes Ohr für neue Zielgruppen – auch für migrantische Gründer:innen, die noch am Anfang stehen.

Fazit: Worauf es ankommt

Bevor du unterschreibst, solltest du:

  • Mehrere Spaces besichtigen und Probearbeiten
  • Den Vertrag vollständig lesen (insbesondere Kleingedrucktes zu Kündigungsfristen und zusätzlichen Kosten)
  • Verhandlungsspielraum ausloten – besonders bei längeren Bindungen
  • Die Community kennenlernen – sie ist oft wertvoller als die reine Infrastruktur

Coworking Spaces können für Menschen mit Migrationserfahrung ein wichtiger Baustein für berufliche Integration, Selbstständigkeit und soziale Teilhabe sein. Wer die rechtlichen Bedingungen kennt und aufmerksam prüft, kann hier nicht nur arbeiten – sondern auch ankommen. (bg) Panorama

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