
Journalismus-Debatte
Experte: Talkshows mit AfD lässt sich nicht mehr legitimieren
Wie sollen Journalisten mit der AfD umgehen? Seit der Verfassungsschutz die gesamte Partei als gesichert rechtsextrem einstuft, wird die Antwort auf diese Frage neu diskutiert. Journalistik-Professor sieht dringenden Handlungsbedarf – und zeigt auf ARD und ZDF.
Mittwoch, 07.05.2025, 15:23 Uhr|zuletzt aktualisiert: Mittwoch, 07.05.2025, 15:23 Uhr Lesedauer: 3 Minuten |
In der Debatte über den journalistischen Umgang mit der AfD nach der Einstufung der Partei als gesichert rechtsextremistisch sieht der Deutsche Presserat keinen Bedarf für Veränderungen. „Für die Berichterstattung über die AfD gilt nach wie vor der Pressekodex mit seinen Regeln“, sagte der Sprecher des Presserates, Manfred Protze, dem Evangelischen Pressedienst. Über Auswahl und Umfang der Berichterstattung entschieden die Medien selbst, sagte Protze.
Der Presserats-Sprecher betonte in diesem Zusammenhang zugleich, dass die Pflicht zur wahrhaftigen Berichterstattung und Sorgfalt im Pressekodex ganz vorn stehe. „Das gilt uneingeschränkt auch für Berichte zur AfD.“ Der Presserat ist das Selbstkontrollgremium der Printmedien und von deren Online-Auftritten in Deutschland.
Das Bundesamt für Verfassungsschutz hatte am Freitag mitgeteilt, dass die AfD nun als gesichert rechtsextremistisch eingestuft werde. Der Deutsche Journalisten-Verband (DJV) hatte Medien daraufhin dazu aufgefordert, ihre Berichterstattung über die AfD zu ändern. Zwar müsse weiter über die AfD berichtet werden, spätestens jetzt sei aber klar, dass es sich nicht um eine „normale demokratische Partei“ handle, sagte DJV-Bundesvorsitzender Mika Beuster. „Ihre Äußerungen dürfen nicht unkommentiert neben die anderer Parteien gestellt werden. Es reicht für Journalistinnen und Journalisten nicht mehr, nur objektiv und kritisch zu berichten“, sagte Beuster.
ARD und ZDF kündigen Neubewertung an
Die ARD kündigte auf Nachfrage an: „Nach der Neubewertung des Bundesamtes für Verfassungsschutz werden wir in unserer politischen Berichterstattung darauf hinweisen, dass es sich bei der AfD um eine Partei handelt, die als gesichert rechtsextremistisch eingestuft ist.“ Ob Vertreterinnen und Vertreter der Partei in Talkshows oder vergleichbare Formate eingeladen werden, entschieden die Redaktionen weiterhin eigenständig und im jeweiligen Einzelfall.
Das ZDF will die Neubewertung der AfD zum Anlass nehmen, den journalistischen Umgang mit der Partei „erneut zu reflektieren“. Auf Anfrage erklärte der Sender: „Eine kritische, journalistisch fundierte Auseinandersetzung mit der AfD, ihren Vertreterinnen und Vertretern sowie ihren Positionen ist vor diesem Hintergrund geboten.“ Die ZDF-Redaktionen prüften im Rahmen der publizistischen Verantwortung fortlaufend und im Einzelfall, in welchem Rahmen und in welcher Form Vertreterinnen und Vertreter der AfD im Programm zu Wort kommen.
Journalistik-Professor widerspricht ARD und ZDF
Diese Argumentation lässt der Journalistik-Professor Volker Lilienthal nicht gelten und fordert unmittelbare Konsequenzen – insbesondere für die Programmgestaltung von ARD und ZDF. „Die Selbstverständlichkeit, mit der AfD-Politiker vor allem in den politischen Talkshows Sendezeit für sich beanspruchen, lässt sich nicht länger legitimieren“, sagte der an der Universität Hamburg lehrende Wissenschaftler.
Lilienthal bezeichnete es als unwahrscheinlich, dass die Sender „genauso tolerant mit Linksextremen oder islamistischen Extremisten“ verfahren würden. Einige Programmverantwortliche rechtfertigten die aktuelle Praxis damit, dass die AfD von einem erheblichen Anteil der Bevölkerung gewählt werde. Allerdings fordere niemand ein „Totschweigen“, sagte der Medienforscher. Berichterstattung mit kritischen Nachfragen müsse sein.
AfD konterkariert Programmauftrag
„Aber die Podien in Talkshows, diese Wahlkämpferbühnen zur besten Sendezeit, sind seit der neuesten Einstufung durch den Verfassungsschutz als ein Verstoß gegen die geltenden Programmgrundsätze zu klassifizieren“, sagte Lilienthal. Dies sei nicht mehr nur eine politische, sondern auch eine medienrechtliche Frage: „Vielleicht sogar irgendwann ein Fall für die Rechtsaufsicht – wenn sich nichts bessert.“
In dem Moment, in dem AfD-Politiker im öffentlich-rechtlichen Fernsehen „immer wieder Hass und Häme, Unwahrheiten und Desinformation“ verbreiteten, werde der Programmauftrag von ARD und ZDF konterkariert. Die Gesamtverantwortung liege bei den Intendantinnen und Intendanten. „Insbesondere mit Blick auf die Talkshows, aber auch bei den politischen Tagesmagazinen können sie sich nicht mehr darauf herausreden, die Talkshow-Redaktionen seien autonom“, so Lilienthal. (epd/mig) Aktuell Panorama
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