
Rassismus
Wenn der Name die Wohnung kostet
Rassismus bestimmt und blockiert leise, aber systematisch ganze Lebenswege: Name, Hautfarbe oder Religion bestimmen, wer überhaupt eine Wohnung besichtigen darf.
Von Dr. Soraya Moket Sonntag, 14.12.2025, 10:12 Uhr|zuletzt aktualisiert: Samstag, 13.12.2025, 13:13 Uhr Lesedauer: 2 Minuten |
Eine neue Studie des Nationalen Diskriminierungs- und Rassismusmonitors (NaDiRa) bestätigt nun mit eindrücklicher Deutlichkeit, was Betroffene seit Jahren berichten: Rassismus strukturiert den Zugang zu Wohnraum – und damit den Zugang zu Sicherheit, Gesundheit, beruflichen Chancen und gesellschaftlicher Teilhabe. Die Studie zeigt, dass Wohnen in Deutschland kein neutraler Markt ist, sondern ein Feld, in dem historische Machtverhältnisse, ökonomische Hürden und geschlechtsspezifische Ungleichheiten fortwirken.
Die Daten zeichnen ein klares Bild: Schwarze Menschen, Muslim:innen, asiatische sowie osteuropäische Personen berichten signifikant häufiger, dass sie nicht zu Wohnungsbesichtigungen eingeladen werden – oft der erste entscheidende Schritt im Vergabeprozess. Diese Muster lassen sich nicht als Einzelfälle oder Missverständnisse abtun. Vielmehr verweist die Studie auf tief verankerte rassistische und kulturalisierende Zuschreibungen, die bestimmte Gruppen systematisch benachteiligen.
Die Forschenden betonen: Diskriminierung wirkt selten eindimensional. Intersektionale Überschneidungen – also das Zusammenwirken verschiedener Ungleichheitsfaktoren – verschärfen die Hürden auf dem Wohnungsmarkt. Besonders betroffen sind Frauen, Alleinerziehende oder Personen mit unsicherem Aufenthaltsstatus. Wenn Rassifizierung, Geschlecht, Familienform oder Prekarität zusammentreffen, steigt die Wahrscheinlichkeit, bei Vermietungsentscheidungen ausgeschlossen zu werden.
„Wer als ‚fremd‘ … markiert wird, muss mit Ablehnung rechnen – unabhängig von Einkommen oder Qualifikation.“
Die Studie macht deutlich: Es sind nicht vor allem individuelle Vorurteile einzelner Vermieter:innen, die Ungleichheit erzeugen, sondern strukturelle Mechanismen. Diskriminierung zieht sich durch mehrere Ebenen:
- Vermietungspraxis: Vorauswahl nach Namen, Herkunft, Akzent oder Familienform.
- Kreditvergabe: Ungleicher Zugang zu Finanzierungen und Immobilienkauf.
- Nachbarschaften: Informelle Ausschlusspraktiken und Stigmatisierung bestimmter Gruppen.
- Wohnungspolitik: Mangelnde Regulierung und Kontrolle, zu wenig Schutz vor Diskriminierung.
So entsteht ein Kreislauf, der rassifizierte Menschen überdurchschnittlich häufig in belasteten, überfüllten oder schlecht ausgestatteten Wohnumfeldern festhält.
Der Bericht verweist zudem auf koloniale Kontinuitäten, die sich in Sprache, Wahrnehmung und Wertzuschreibungen bis heute niederschlagen: Wer als „fremd“, „nicht integrationsfähig“ oder „kulturell anders“ markiert wird, muss mit Ablehnung rechnen – unabhängig von Einkommen oder Qualifikation.
Politische Konsequenzen: Regulieren, sanktionieren, verändern
Die Ergebnisse zeichnen ein deutliches politisches Auftragspapier. Rassismus im Wohnungswesen müsse konsequent benannt, reguliert und – wo nötig – sanktioniert werden. Dazu gehören:
- wirksame Beschwerde- und Kontrollinstanzen,
- klare Sanktionen bei diskriminierender Vermietungspraxis,
- ein Ausbau des sozialen und bezahlbaren Wohnraums,
- Schulungen für Immobilien- und Bankenbranche,
- bessere Datenlage für politisches Handeln.
„Solange Herkunft, Name, Hautfarbe oder Religion über Zugang zum Wohnraum entscheiden, bleibt gesellschaftliche Gleichberechtigung unerreichbar.“
Antikoloniale Perspektiven betonen: Ungleiche Räume sind das Resultat gesellschaftlicher Entscheidungen – und können deshalb auch verändert werden.
Am Ende führt die NaDiRa-Studie eine einfache Wahrheit vor Augen: Das Recht auf Wohnen ist untrennbar mit dem Recht auf Schutz vor Diskriminierung verbunden. Solange Herkunft, Name, Hautfarbe oder Religionszugehörigkeit darüber entscheiden, wer Zugang zu welchem Wohnraum erhält, bleibt gesellschaftliche Gleichberechtigung unerreichbar. Meinung
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