
Später und schwächer
Lieferkettengesetz wird massiv verwässert
Das EU-Lieferkettengesetz soll Menschenrechte, Umwelt und Klima schützen. Doch es wird nur noch für wenige Unternehmen gelten und später umgesetzt. Kanzler Merz und Arbeitgeber feiern das als Erfolg, Menschenrechtler kritisieren. Eine letzte Hürde kommt aber noch.
Von Marlene Brey Dienstag, 09.12.2025, 13:12 Uhr|zuletzt aktualisiert: Dienstag, 09.12.2025, 13:14 Uhr Lesedauer: 2 Minuten |
Das EU-Lieferkettengesetz soll in deutlich abgeschwächter Form eingeführt werden als bisher geplant. Unterhändler des EU-Parlaments und der Mitgliedstaaten einigten sich in der Nacht zu Dienstag auf einen Kompromiss, wie beide Seiten mitteilten. Demnach sollen die Regeln nur noch für Unternehmen mit mehr als 5.000 Beschäftigten und einem Jahresumsatz von mindestens 1,5 Milliarden Euro gelten – statt wie ursprünglich geplant für Firmen ab 1.000 Mitarbeitenden und 450 Millionen Euro Umsatz.
Auch die zivilrechtliche Haftung bei Menschenrechtsverstößen entfällt sowie die Pflicht zur verbindlichen Planung für eine Reduktion der Treibhausgasemissionen. Zudem wird die Einführung des Gesetzes verschoben: Unternehmen müssen die neuen Regeln erst bis Juli 2029 umsetzen statt 2026, wie zunächst vereinbart. Die Einigung muss noch formal von Parlament und Rat bestätigt werden.
Lob aus der Wirtschaft – Kritik von NGOs
Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) wertete die Abschwächung des Gesetzes als „großen Erfolg“. „Wir entlasten im Grunde genommen bis auf vielleicht 100 bis 150 Unternehmen alle“, sagte er am Dienstag in Mainz. Es sei ihm wichtig gewesen, das Lieferkettengesetz für den „ganz großen Teil der kleinen und mittleren Unternehmen“ abzuschaffen. Für diese werde die Richtlinie künftig „keine Rolle mehr spielen“.
Auch Arbeitgeberpräsident Rainer Dulger begrüßte den Kompromiss als „Meilenstein für den Bürokratieabbau“. Die Einigung bringe eine der weitreichendsten Entlastungen für kleine und mittlere Unternehmen der vergangenen Jahre, erklärte auch der Mittelstandsverbund.
Die Entwicklungsorganisation Misereor geht davon aus, dass in Deutschland nur noch rund 150 Konzerne betroffen sein werden. Die Initiative Lieferkettengesetz sprach von einer „massiven Abschwächung“. Von den Kernelementen, die das Gesetz zu einem wirksamen Schutz von Menschenrechten, Umwelt und Klima machen sollten, sei „nur noch wenig übrig“.
Parlament ist gespalten
Das Europaparlament will bereits nächste Woche in Straßburg über die Einigung abstimmen. Die Fraktionen sind jedoch tief gespalten. Angelika Niebler, Co-Vorsitzende der CDU/CSU-Gruppe, lobte das Ergebnis als „größtes Entlastungspaket für Unternehmen, das es in der EU je gegeben hat“.
Info: Das EU-Lieferkettengesetz soll dazu dienen, dass Konzerne mehr auf die Einhaltung von Menschenrechten und Umweltschutz bei Zulieferern im Ausland achten. Die Unternehmen müssen ihre Lieferketten überprüfen, wobei der Fokus auf den Bereichen liegt, in denen negative Auswirkungen auf Menschenrechte, Umwelt oder Klima „am wahrscheinlichsten“ sind.
Der SPD-Abgeordnete René Repasi hingegen widersprach: Die Erzählung, man müsse sich zwischen Wettbewerbsfähigkeit und Nachhaltigkeit entscheiden, sei „falsch und gefährlich“. Europas Stärke beruhe auf Innovation, fairen Märkten und dem Übergang zur Klimaneutralität. Abgeordnete von SPD und Grünen kritisierten zudem, dass die Mehrheit mit Stimmen der Rechtsextremen zustande gekommen sei.
Der einzige Lichtblick sei, dass Unternehmen weiterhin ihre gesamte Lieferkette prüfen müssen, sagte die Grünen-Abgeordnete Anna Cavazzini. Menschenrechtsverletzungen würden meist am Anfang der Kette begangen. (epd/mig) Aktuell Politik
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