
Wer wirklich antisemitisch ist
Studie entlarvt These vom „importierten Antisemitismus“
In öffentlichen Debatten wird Antisemitismus häufig als „importiertes“ Problem aus muslimisch geprägten Ländern ausgemacht. Einer Studie zufolge ist diese These nicht haltbar. Sie diene eher dazu, den eigenen Antisemitismus zu verdecken.
Mittwoch, 26.11.2025, 13:21 Uhr|zuletzt aktualisiert: Mittwoch, 26.11.2025, 14:50 Uhr Lesedauer: 3 Minuten |
Die These vom „importierten Antisemitismus“ greift zu kurz. Dafür seien Menschen aus mehrheitlich muslimisch geprägten Ländern in ihren Einstellungen zu heterogen. Es gebe erhebliche Unterschiede, abhängig etwa von der Herkunftsregion, der Religionsausübung und der deutschen Staatsangehörigkeit. Zu diesem Ergebnis kommt eine repräsentative Untersuchung des Deutschen Zentrums für Integrations- und Migrationsforschung (DeZIM), die am Dienstag in Berlin veröffentlicht wurde.
Demnach gibt es bei den Befragten mit muslimischem Hintergrund im Vergleich zu Deutschen ohne Migrationsgeschichte bei klassischen antisemitischen Einstellungen wie Vorurteile und Verschwörungserzählungen kaum Unterschiede. Bei Muslimen gebe es lediglich teils höhere Zustimmungswerte bei israelbezogenem Antisemitismus, doch auch dies sei kein ausschließlich migrantisches Phänomen, sondern in unterschiedlichen gesellschaftlichen Milieus verbreitet.
AfD-Wähler besonders oft antisemitisch
Antisemitische Einstellungen hängen der Vorlage zufolge vielmehr stark mit parteipolitischen Präferenzen zusammen. Bei dieser Aufschlüsselung zeigt sich, dass es teilweise höhere antisemitische Einstellungen bei nicht zugewanderten Deutschen gibt. So weisen insbesondere Wähler der AfD überdurchschnittlich hohe Zustimmungswerte zu antisemitischen Einstellungen auf; Anhänger der Grünen und der Linken durchweg besonders geringe Zustimmungsraten.
Beispiel: Der Aussage „Mich nervt es, immer wieder von den deutschen Verbrechen an den Juden zu hören“ stimmten 28 Prozent der muslimisch geprägten Befragten zu. Unter AfD-Wählern ohne Migrationsgeschichte betrug der Zustimmungswert fast doppelt soviel (55 Prozent). Aber auch 37 Prozent der FDP-, 34 Prozent der BSW- und 31 Prozent der Union-Wähler wiesen höhere Werte aus als die von Muslimen.
Entlarvt: Wer „Importthese“ zustimmt, verdeckt eigenen Antisemitismus
Trotz der nachweisbar antisemitischen Einstellungen in breiten Teilen der AfD ist die Hälfte der befragten AfD-Wähler (51 Prozent) zugleich davon überzeugt, dass der Antisemitismus „fast weg“ war und „jetzt mit den muslimischen Eingewanderten wieder nach Deutschland gekommen ist“. Den Analysten zufolge geht die Zustimmung zur „Importthese“ bei Deutschen ohne Migrationsgeschichte signifikant mit antisemitischen Einstellungen einher. Dies gelte ebenso für muslimfeindliche Einstellungen.
„Diese Verschränkung von antisemitischen und muslimfeindlichen Ressentiments legt nahe, dass die Zustimmung zur ‚Importthese‘ tendenziell nicht für ein tatsächliches Interesse steht, die Ursachen von Antisemitismus zu bekämpfen. Vielmehr scheint die These dazu zu dienen, den eigenen Antisemitismus zu verdecken beziehungsweise zu externalisieren und historische Verantwortung abzuwehren“, erklären die Autoren der Studie.
Antisemitische Einstellungen entstehen teils in Deutschland
Wie aus der Studie außerdem hervorgeht, entstehen antisemitische Einstellungen teils in Deutschland. So kämen bestimmte Alltagsphänomene unter neu Zugewanderten Muslimen deutlich seltener vor. So würden vergleichsweise wenige (11 Prozent) von ihnen beispielsweise die Verwendung von „Jude“ als Schimpfwort kennen. Bei den Deutschen ohne Migrationsgeschichte seien es hingegen 30 Prozent. Am bekanntesten sei das Schimpfwort bei Befragten mit muslimischem Hintergrund, die in Deutschland geboren sind (42 Prozent).
„Das deutet darauf hin, dass solche antisemitischen Sprachmuster möglicherweise eher in Deutschland erlernt als mitgebracht werden“, schreiben die Studienautoren.
Umfrage nach Hamas-Überfall
Die Autoren der Studie weisen darauf hin, dass die Befragung wenige Monate nach dem Hamas-Massaker in Israel am 7. Oktober 2023 und dem Beginn des Krieges im palästinensischen Gazastreifen durchgeführt wurde.
Um auf Israel bezogenen Antisemitismus von politischer Kritik an Israel zu unterscheiden, hatten die Forschenden den Befragten zusätzlich die Aussage „Es ist ungerecht, dass Israel den Palästinensern Land wegnimmt“, vorgelegt. Dieser Aussage stimmten über alle Herkunftsgruppen hinweg demnach 60,3 Prozent der Befragten ganz oder teilweise zu, während sich 9,2 Prozent ablehnend äußerten. Ein relativ großer Teil der Bevölkerung (30,5 Prozent) positionierte sich zu dieser Aussage ambivalent.
Für die Analyse „Importierter Antisemitismus?“ wurden zwischen Dezember 2023 und April vergangenen Jahres 6.295 Personen befragt, darunter 2.643 ohne Migrationsgeschichte. (epd/dpa/mig) Gesellschaft Leitartikel
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